Ausstellungsbesprechungen

Konrad Witz, Kunstmuseum Basel, bis 3. Juli 2011

Konrad Witz zählt zu den radikalsten Erneuerern der Malerei in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Beschäftigung mit visuellen Phänomenen – Licht, Schatten oder Spiegelungen – sowie das Bemühen um räumliche und landschaftliche Tiefe zeugen von Witzens Kenntnis der zeitgleichen niederländischen Malerei. Günter Baumann hat sich diesen faszinierenden Künstler angesehen.

Leonardo wäre für weit weniger fast auf dem Scheiterhaufen gelandet: Konrad Witz, der schon eine Schicht zu tief in der Kunstgeschichte verankert ist, um im öffentlichen Bewusstsein eine tragende Rolle zu spielen, hat seine Zeitgenossen womöglich stärker verunsichert als die Renaissancemeister. Während das italienische Multitalent eine neue Ära mitbegründete, die schon bald – gegen die kirchlichen Ideologen – nicht mehr mundtot gemacht werden konnte (und wer versteht heute noch, dass Michelangelo Schwierigkeiten bekam, weil er seine Pietà-Maria zum Inbegriff der Schönheit gemacht hatte), stand Konrad Witz recht lange auf weiter Flur: Noch ganz in der spätmittelalterlichen Kunst verwurzelt, holte er den Alltag ins Bild und zwar mit einem Realismus, der als Schock empfunden werden musste. Dazu kam noch eine wirklichkeitsnahe Raumauffassung, die bis dato nicht erreicht und sicher auch von oben nicht gewollt war. Ohne die Van-Eyck-Brüder im hohen Norden samt deren Umkreis hätte man gar keine Vergleichsmöglichkeiten, doch kann man kaum eine nähere Beziehung zwischen dem holländisch-flämischen und dem Basler Wirkungsfeld unterstellen. Im süddeutschen Kulturraum – Witz wurde um 1400/10 in Rottweil geboren – nimmt der vielleicht unbekannteste unter den wichtigen Künstlern an der Schwelle zur Neuzeit eine Sonderstellung ein.

Sein »Wunderbarer Fischzug«, der als Witz' Hauptwerk gilt, wurde erst um 1900 gewürdigt und der Maler selbst kam erst damit ins Rampenlicht der Forschung, und obwohl er fortan im Fokus der Kunsthistoriker blieb (Herwarth Röttgen etwa startete seine Wissenschaftlerkarriere mit diesem Künstler) und als Initialzünder der realitätssinnigen Kunst in Deutschland, Österreich und der Schweiz erkannt wurde. Ein Zeichen dafür, dass er dessen ungeachtet erst jetzt auch in der Öffentlichkeit angekommen ist, ist die Schau im Basler Museum, das etliche Witzsche Bildtafeln besitzt und herausragende Stücke als Leihgaben aus institutionellen oder privaten Sammlungen ins Haus holen konnte. So kommt die Ausstellung, zusammen mit Werkstattarbeiten und zeitgenössischen Bildern, auf stolze hundert Exponate. Heute mutet uns das Werk ganz und gar kirchlich an, im 15. Jahrhundert wurde es wohl als Affront aufgefasst: Nach Pinder, dem man recht geben muss, könnten die Landschaften von Konrad Witz auch für sich bestehen – die Detailverliebtheit ist und bleibt beeindruckend und das famose Raumgefühl lässt das biblische Personal zu allzu menschlichen Statisten werden, deren Tun dadurch etwa Bühnenhaftes bekommen: Der Fischzug etwa wirkt bei aller tief empfundenen Gläubigkeit, aber angesichts des Panoramas gekünstelt, oder wenn man den Christopher betrachtet, könnte man glauben, als fühlte sich der Heilige unwohl in seiner symbolisch aufgeladenen Rolle inmitten des bezaubernd real gemalten Wassers. Die Randfiguren sind wiederum so realistisch in ihre Gewänder gehüllt, ja hineininszeniert, dass ihre Präsenz noch heute glaubwürdig ist.

So umfassend wurde Konrad Witz noch nie gezeigt, und überhaupt dürfte erstmals der Versuch unternommen worden sein, ihn in seinem Umfeld zu positionieren und zugleich die Spur anzudeuten, die von ihm ins 16. Jahrhundert vorausweist. Man darf nach dieser fulminanten Schau davon ausgehen, dass Witz sogar in unserer Gegenwart angekommen ist, als Maler, dem man selbst innerhalb der neuen Realismen kaum das Wasser reichen kann (um in seinem meisterhaft bobachteten Element zu bleiben). Anders als die Renaissance-Kollegen in Italien ging es Witz auch nicht um Schönheit um jeden Preis - gerade seine Darstellung von abgenutztem Mauerwerk gibt vielen seiner Bilder einen großen Charme. Bedauerlich ist, dass einige Lücken in der Ausstellung zu verzeichnen sind, die jedoch durch Reproduktionen vertreten sind – dadurch wird der Gesamteindruck gewahrt.

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