Ausstellungsbesprechungen

Kosmos der Niederländer. Die Schenkung Christoph Müller, Staatliches Museum Schwerin, bis 16. Februar 2014

Das Staatliche Museum Schwerin, ohnehin bekannt für seine hochwertige Sammlung niederländischer Kunst, hat von dem Berliner Sammler Christoph Müller eine überaus großzügige Schenkung erhalten – vielleicht die größte Schenkung von Altmeistergemälden seit dem 2. Weltkrieg in Deutschland. 155 Gemälde, davon 101 aus den Niederlanden und 54 aus Flamen, gehen in den Besitz des Hauses über. Stefan Diebitz hat sich die prachtvolle Sammlung angesehen.

1974 habe ich das erste Mal das Schweriner Museum besucht – im Rahmen des eben erst eingerichteten kleinen Grenzverkehrs besuchte unsere Klasse Schwerin, und nach einer abenteuerlichen Busfahrt über die schwer bewachte Grenze stromerten wir durch eine Stadt, die trotz ihrer vielen schönen und repräsentativen Gebäude grau, trübe und verfallen schien. Schon damals landete ich im Museum, und dieser Besuch war deshalb so eindrucksvoll, weil ich ein erstes Mal Bildern von Rembrandt gegenüberstand. Oder besser: gegenüberzustehen glaubte, denn leider mussten diese Rembrandts später umetikettiert werden.

Den Wert der Schweriner Sammlung konnten diese Aberkennungen kaum beeinträchtigen, denn es sind dort nach wie vor viele großartige Bilder in sehr schönen Räumen zu bewundern, und jetzt kommen noch einmal 155 Gemälde hinzu, sachverständig zusammengetragen von Christoph Müller, der in den letzten Jahren sogar direkt für die Schenkung und damit für das Museum sammelte. Die Schenkung war, nachdem Müller sich seinen eigenen Angaben zufolge »in das Haus verliebt« hatte, schon lange vorgesehen und abgesprochen, und so kaufte er in den letzten Jahren tatsächlich zielstrebig und in enger Zusammenarbeit mit dem Prokurator Gero Seelig auf diese Schenkung hin. Die Sammlung wird als nächstes in Freiburg im Augustinermuseum gezeigt werden, um sodann zwei Räume in Schwerin einzunehmen, wo immer ungefähr die Hälfte der Bilder präsent sein soll.

Ein Förderer wie Christoph Müller muss ein Glücksfall für jedes Museum sein, zumal die im Schenkungsvertrag festgelegten Bedingungen nicht der Eitelkeit eines Mäzens geschuldet sind, sondern tatsächlich dem Haus dienen. Wie viele Besucher des Museums werden es bedauert haben, nicht die prachtvolle und repräsentative Freitreppe hinaufgehen zu können! Eine der Bedingungen Müllers besteht darin, dass diese Treppe endlich renoviert und der obere Eingang für den Publikumsverkehr geöffnet wird. Eine zweite betrifft die Ausleuchtung der einzelnen Bilder, denn als Liebhaber der Kunst ärgert sich Müller immer wieder darüber, dass besonders die dicken und altmodischen Rahmen, wenn sie von oben angeleuchtet wurden, einen häßlichen Schatten auf den oberen Rand der Bilder warfen. Das ist zukünftig in Schwerin nicht mehr erlaubt.

Die Sammlung selbst geht mehr in die Breite; die ganz großen Namen sind nicht darunter und hätten wohl heute auch kaum noch erworben werden können. Aber es sind ausnahmslos schöne und wirklich erstklassige Bilder aus verschiedenen Gebieten. Ein wichtiger Part – in der Ausstellung gleich eingangs gezeigt – sind die Marinebilder. Die Kunst des Seestücks wurde in den Niederlanden schon immer gepflegt und brachte ganz große Kunst hervor. Ein besonders schönes Beispiel ist »Holländische Schiffe vor einer Stadt« von Jan Claesz. Rietschoof, ein Bild, in dem wie auf den anderen Bildern dieses Genres besonders durch die Verteilung von Licht und Schatten die Illusion der räumlichen Tiefe erreicht wird. Auf anderen Bildern finden sich aber auch Strand- und Sturmszenen. Immer aber kann sich die Kunst des Malers in der Lichtregie, in der Gestaltung der Wolken und Wellen bewähren.

Eine andere Abteilung sind Innendarstellungen von Kirchen. In einem Fall konnte die Kirche, die selbst leicht verändert gemalt wurde, dank der überaus präzisen Darstellung des Lettners identifiziert werden: es ist St. Jacob in Antwerpen. Die niederländischen Kirchen sind vergleichsweise kahl, so dass sich der Maler ganz auf die Darstellung des Innenraumes konzentrieren konnte oder musste. Man sieht also pure Architektur. Eine Besonderheit der niederländischen Kirchen sind die Totenschilde, die auf einigen Bildern an den Pfeilern hängen. Eines von ihnen kann man auch in der Ausstellung bewundern, ohne dass es gelungen wäre, die Person zu identifizieren, deren Gedächtnis er dient.

In der Ausstellung sind sämtliche Gebiete vertreten: Landschafts- und Tierbilder (Schwerin kann sich auch über einen weiteren Paul Potter freuen), Porträts und Stillleben sind wohl gleichermaßen selbstverständlich. Besonders prachtvoll ist eine »Flusslandschaft mir Reisenden« von Roelof Jansz. van Vries (1630–nach 1681), in der sich eine wunderbare Kiefer vor einem blassgelben Abendhimmel abzeichnet. Höchst eigenartig ist »Die Auferweckung des Lazarus« von Rombout van Troyen (1605–1654), der die Szene in eine gewaltige, sich in der Ferne verlierende Höhle mit runden Wänden verlegt hat. Weil die Höhle auch verschiedene Nischen besitzt, wusste der Maler mit dem einfallenden Seitenlicht eine ganz besondere Stimmung und den Eindruck einer enormen Tiefe zu erwecken, in der sich der Blick verliert. Ganz klein und unscheinbar dagegen ein Bild von Jasper van der Lanen (Nachfolge) – ganze 17 x 22 cm groß, zeigt sie eine blaugrüne Auenlandschaft mit fligran gezeichneten Uferpflanzen.

Zu der ohnehin schon mehr als großzügigen Schenkung kommen noch sechs großformatige Zeichnungen von Nicolaas Wicart, die in einem eigenen Katalog von Dieter Beaujean besprochen werden, auf den hier verwiesen sein soll.

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