Buchrezensionen

Kracht, Christian; Munz, Eva und Nikol, Lukas: Die totale Erinnerung – Kim Jong Ils Nordkorea, Rogner und Berhard Verlag, Berlin 2006.

„[...] wir empfinden eine in unseren Gehirnen niemals gespeichert gewesene Nostalgie [...]."

Und wie diese niemals gespeichert gewesene Nostalgie, von der Christian Kracht in seinem Vorwort zu dem Bildband „Die totale Erinnerung – Kim Jong Ils Nordkorea“ spricht, sprechen die Fotografien in diesem.

Festgehalten in Bildern, in denen der Mensch nicht aufzufinden ist und wenn, dann nur als kleines unpassendes Teil im architektonischen Bollwerk von einheitlichem Grau.

Die durch die westlichen Medien konstruierten Bilder eines kriegerisch, mit Nuklearwaffen allzeit bereitstehenden Sozialistenmobs mit frotzelndem Diktatoren – Liliput an seiner Spitze scheint genauso in die Irre zu führen wie das Labyrinth an Versatzstücken von Pseudoinstitutionen, denen wir in diesem Bildband begegnen.

Da wären zu nennen: U-Bahnstationen, die nur für das Auge der Kamera in Betrieb genommen wurden; ad hoc errichtete Obst – und Blumenstände am Straßenrand oder auch die Inszenierung eines Historienfilms, aufgenommen mit ausgestöpselter Kamera und eine Inszenierung dessen, mit den drei Autoren des Bildbandes als Zuschauer in den Abendnachrichten des koreanischen Staatsfernsehens.

So versucht man als Betrachter der Fotografien, die kommentiert sind mit Zitaten aus Kim Jong Ils „Über die Filmkunst“ über das augenblickliche Aufblitzen erzeugt durch „Chockmomente“ und dem Sichtbarmachen des „Optisch-Unbewussten“, historische und außerhistorische Latenzen aufzuspüren.

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Es besteht jedoch das Problem, dass das, was sichtbar gemacht wird, verschlossen bleibt. Man gelangt nicht zu einer individuellen Erinnerungsstruktur, die in der Autonomie des für sich stehenden Kunstwerks von Betrachter zu Betrachter wandelt.

Eher fühlt man sich an die Situation der Figuren erinnert, die in Spike Jonze’s Film „Being John Malkovich“ in sein Gehirn wandern und durch den schleimigen Gehörgang wieder hinausgespült werden.

In dieser Darstellung eines nach außen projizierten Inneren bleibt jedoch alles steril. Die Beobachtung einer absoluten Inszenierung eines vom Film faszinierten sozialistischen Staatoberhauptes ist wohl nur über die neuen Medien und der Fotografie - im Besonderen - als Dokumentationsinstrument möglich.

Kracht, Nikol und Munz dokumentieren nicht nur, sie führen in der Form der medialen Beobachtung und der Kommentierung über Kims Zitate eine Fortführung der von Kim gestarteten Inszenierung seiner selbst am Bilde Nordkoreas.
Vielen Dank an Stefanie Roenneke für die spannungsreichen und inspirierenden Gespräche.

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