Ausstellungsbesprechungen

Künstlerfreunde am Hochrhein

Die Ausstellung Künstlerfreunde am Hochrhein entfaltet den lebendigen Zusammenhang des Kunstlebens beiderseits des Hochrheins an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie gibt einen umfassenden Einblick in das Netz der künstlerischen Beziehungen und dokumentiert die engen Verflechtungen des Schweizer Kunstlebens mit dem süddeutschen Raum, insbesondere den Städten München, Karlsruhe und Stuttgart, mit ihren Akademien, an denen auch die meisten der Schweizer Künstler ihr Studium absolvierten und einander kennenlernten.

Gustav Gamper. Belair-Park im Frühling. o.J.©Museum zu Allerheiligen Schaffhausen
Gustav Gamper. Belair-Park im Frühling. o.J.©Museum zu Allerheiligen Schaffhausen

So mancher zuckt ratlos mit den Schultern, wenn man ihn auf die Kunststiftung Hohenkarpfen und die postalische Anschrift anspricht: Hausen ob Verena klingt für Ortsunkundige so unwirklich, wenn auch musikalisch-poetisch, dass man das Hofgut in einem utopischen Licht sieht. Daher muss man ein paar Worte über das Umfeld verlieren, zumal gerade im süddeutschen Raum spannende Entdeckungen in der Provinz zu machen sind – man denke an das (auch ein) Hofgut Buslat bei Pforzheim, wo ein kleiner Kunstverein beachtliche Kunst zeigt. Und im Dreieck zwischen Spaichingen, Trossingen und Tuttlingen liegt diese 1986 begründete Kunststiftung Hohenkarpfen e. V. mit dem Kunstverein Schwarzwald-Baar-Heuberg, Träger des Kunstmuseum Hohenkarpfen, wie Buslat in einem denkmalgeschützten Gutshaus. Mit zwei, drei Ausstellungen im Jahr lockt der Meierhof rund 10000 Besucher an, und auch die Mitgliederzahl lässt sich sehen: Neben 150 körperschaftlichen Mitgliedern gibt es rund 700 persönliche Mitglieder im Kunstverein. Die Ausstellungen, die sich vorwiegend aus der Landschaftsmalerei im deutschen Südwesten und den Schulen der Stuttgarter, Karlsruher und Münchener Akademien – sowie der realen Naturlandschaft der Umgebung – speisen, werden flankiert von Konzerten, Lesungen und Vorträgen. Die reiche Kulturlandschaft hinterließ auch hier Spuren: In Hohenkarpfen gaben sich in den letzten Jahren namhafte Maler die Klinke in die Hand: Julius Exter, HAP Grieshaber, Adolf Hölzel, Paul Kälberer, Christian Landenberger, Hans Purrmann, Albert Weisgerber, Emil Rudolf Weiß, Heinrich von Zügel u. a. m.

Die aktuelle Schau über das rege künstlerische Treiben der »Künstlerfreunde am Hochrhein« vereint Regionales und Angrenzendes, da ist man großzügig: Die Schweiz ist etwa mit Bucherer, Hodler und Welti vertreten. Das ist kein Wunder, entstand die Schau doch in Verbindung mit der Sturzenegger-Stiftung und dem Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen. Leihgaben aus Zürich, Karlsruhe und Stuttgart runden die Präsentation ab,  dazu kommen Exponate aus privater Hand, die erstmals öffentlich gezeigt werden. Die Teilnehmerliste der Künstler mag – von Hermann Hesse, Ferdinand Hodler und Hans Thoma abgesehen – manche wenig bekannte oder auch vergessene Namen aus dem Zeitraum um 1900 aufweisen. Doch darf man die unterschwelligen Einflüsse der Meister aus der (aus heutiger Sicht) zweiten Reihe nicht unterschätzen. Neben Sturzenegger und Hermann Gattiker, der eine Künstlerkolonie in Rüschlikon betrieb, und den anderen genannten Künstlern sind folgende Maler vertreten: Richard Amsler, Wilhelm Balmer, Hans Brühlmann, Gustav Gamper, Albert Haueisen, Philipp Hössli, Wilhelm Hummel, Ernst Kreidolf, Ernst Georg Rüegg, Adolf Thomann, Fritz und Gret Widmann und Ernst Würtenberger.

Legt man den Fokus auf die Personenliste, verknüpfen sie sich zu einem lockeren Freundschaftsband: Sturzenegger, der in Karlsruhe studiert hatte, gründete in Schaffhausen eine Künstlergruppe und nahm Kontakt zu dem Dichtermaler Hermann Hesse auf, wodurch auch Freunde in Gaienhofen am Bodensee und aus der näheren Region in Beziehung zueinander traten, etwa Keidolf, der zwischen Konstanz, München und Bern pendelte. Der Thoma-Schüler Haueisen, der mit Karlsruhe und München verbunden ist, gehört zum süddeutschen Spätimpressionismus, ein Stil, dem die meisten Kollegen der Ausstellung verbunden sind. Nach den Eindrücken des französischen Impressionismus, der sich in kühnen Spätformen ergoss, empfindet man die etwas behäbige Landschaftsmalerei hier als wenig spektakulär; das stimmt durchaus, nur wenn man den Stil mit dem Max Liebermanns vergleicht, wird man eine Verwandtschaft erkennen, die Respekt einfordert. Es ist tatsächlich ein großer Verdienst, dass die Ausstellungsmacher von Hohenkarpfen ein so deutliches Profil erarbeitet haben, dass dem Berliner Impressionistenkreis überhaupt eine süddeutsche bzw. Schweizer Bewegung zur Seite gestellt werden kann. Vieles wäre sonst in Vergessenheit geraten. Namentlich der Kustos Stefan Borchardt sowie die Kuratoriumsmitglieder Pia Müller-Tamm (seit kurzem Chefin in der Karlsruher Kunsthalle) und Tilmann von Stockhausen (Augustinermuseum Freiburg), der über die Geschichte der Berliner Gemäldegalerie von 1930 bis 1904 promovierte, sind Garanten für eine hohe Ausstellungskultur.

 

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Davon kann man sich auch in der an die aktuelle Ausstellung anschließenden Schau überzeugen. Vom 26. Juli bis 8. November zeigt die Kunststiftung Hohenkarpfen die Münchner Künstlergruppe »Scholle« unter dem Titel »Als München leuchtete«, eine Ausstellung, die vom Edwin-Scharff-Museum in Neu-Ulm übernommen wurde. Auch diese Gruppe ist an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert anzusiedeln und lässt sich stilistisch zwischen Münchner Secession, Symbolismus und Blauem Reiter einordnen. Im Zentrum steht diesmal der Meraner Künstler Leo Putz, der kaum versteckt in einigen Münchner Romanen von Thomas Mann auftritt – von daher ist der Ausstellungstitel trefflich gewählt. Die anderen beteiligten Künstler sind Gustav Bechler, Reinhold Max Eichler, die Brüder Fritz und Erich Erler, Max Feldbauer, Walter Georgi, Adolf Höfer, Adolf Münzer, Walter Püttner, Franz Wilhelm Voigt, Robert Weise. Der Gruppenname verweist zwar auf die Nähe zum Heimatbegriff, doch war diese weit entfernt von Heimattümelei. Programmatisch war die Gruppe offen, das heißt, bestrebt, die akademische Enge des 19. Jahrhunderts bewusst zu umgehen, was man den Landschaften, Akten, Porträts und Stillleben ansieht. Schade ist allerdings, dass der »Simplicissimus«-Karikaturist Eduard Thöny, ein Freund von Leo Putz, wohl auch hier fehlen wird wie schon in Neu-Ulm: Der Künstler war später im Nationalsozialismus verstrickt und hätte sicherlich eine kontroverse Diskussion über die Entwicklung der traditionell bodenständigen Kunstauffassung in den 1930er-Jahren anregen können.

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