Kunstbücher für junge Leser

Kuhl, Isabel: „Wer lacht da im Barock?“, Prestel Verlag, München 2005.

In knalligem Rot, mit gelber Schrift und einem rund ausgeschnittenen Guckloch, das den Blick auf schwebende Engel freigibt, lädt der Prestel Verlag Kinder ab sechs zu einer Entdeckungstour in die Welt des Barock.

 „Wer lacht da im Barock?“ ist ein ganz besonderes Buch, handelt es sich dabei um den ersten interaktiven Museumsführer. In klarer Aufmachung und kindgerechter Sprache führt er die Kinder mit Spiel und Spaß an das Leben im Barock heran.

Gleich in der Einführung werden die Fragen gestellt, die Kinder wohl am meisten interessieren: Wie haben die Leute damals gewohnt? Sind sie zur Schule gegangen? Wie waren die Kinder angezogen? Da es damals keine Fotos oder Filme gab, können nur Kunstwerke auf viele solcher Fragen Antworten geben, erläutert die Autorin Isabel Kuhl in der Einführung. Dass Kunst nicht nur Bilder, sondern auch Kirchen und Schlösser, Figuren aus Holz und noch viel mehr ist, fügt sie gleich im nächsten Satz an. Neu sei aber die Art und Weise gewesen, wie die Künstler im Barock malten, bauten und schnitzten – je verschnörkelter, desto lieber.

Auf jeweils einer Doppelseite beschäftigt sich die Autorin mit einem Themengebiet bzw. Bild. Da die Bildinterpretation nicht im Mittelpunkt ihrer Ausführungen steht, sind die abgebildeten Gemälde meist ausschnitthaft und zudem auf einer ganzen Seite wiedergegeben. Auf der jeweils gegenüberliegenden Seite erfährt man in einer kurzen Erklärung Wissenswertes zum Bild und kann sich anschließend durch die Such- und Malaufgaben selbst intensiv mit dem Bild auseinandersetzen. So werden die jungen Leser beispielsweise zum Malen der abgebildeten Küchenutensilien, zum Gestalten eines eigenen Prunktisches bzw. einer echten Stadt in einer erfundenen Landschaft, zum Aufmalen und Vergleichen der Fortbewegungsmittel, damals und heute und zum Vervollständigen klassischer Zahlenrätsel angeregt.

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Im Buch lernen sie auch spielend Clara, die Tochter von Peter Paul Rubens, kennen, der ihr pausbäckige Wangen malte, die an einen Apfel erinnern. Auch die Brüder von Clara lernen die Leser kennen und erfahren, dass sie aufgrund des Erfolgs ihres Vaters und dem Wohlstand ihrer Familie in die Schule gehen konnten, im Gegensatz zu den Kindern von Bauern oder Handwerkern, die ihren Eltern auf dem Feld oder in der Werkstatt helfen mussten.

Durch Jan Steens künstlerischen Blick in „Die fette Küche“ wird den Kindern bewusst, dass die ganze Familie - Eltern, Großeltern und Kinder - damals nicht selten in einem einzigen Raum gewohnt hat. Die Unterschiede zwischen Bauern und Fürst verdeutlicht eine reich verzierte Prunktischplatte (Werkstatt der Castrucci „Pietra Dura-Tischplatte“), die sich im Schloss des Fürsten von Liechtenstein befand. Ungewöhnlich mutet auch die Entdeckung an, dass die Menschen früher nur selten Limonade oder Kakao getrunken haben. Diese Getränke waren einfach viel zu teuer, im Gegensatz zu Wein, der schon auf dem morgendlichen Esstisch stand, wie in Willem Claesz „Frühstück mit Schinken und Wein“.

Dass Kleider Leute machen, können die jungen Kunstentdecker hier jenseits der märchenhaften Erzählungen erfahren, denn an der Kleidung konnte man im Barock sofort erkennen, zu welcher Gesellschaftsschicht jemand gehörte. Zudem war es genau vorgeschrieben, was ein Bauer und was ein Adliger anziehen durfte, z.B. war Samt und Seide, wie sie die Tochter des kaiserlichen Postmeisters in Anthonis van Dyck’s „Bildnis der Maria de Tassis“ trägt, dem Adel vorbehalten.

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Ein weiterer Grund, warum die meisten Kinder im Barock nicht zur Schule gegangen sind, verdeutlicht der Umstand, dass viele der Kinder damals auf dem Land wohnten und ihren Eltern auf dem Feld halfen. Hier war jede Hilfe nötig, denn die Höfe gehörten damals nicht den Bauern selbst, sondern den Grundherren, denen sie einen Teil der Ernte abliefern und manchmal auch für sie arbeiten mussten.

Im Barock waren die Füße das Fortbewegungsmittel Nummer eins. Wer Fürst war, besaß natürlich eine reich verzierte Kutsche, wie die Abbildung des „Goldenen Wagen des Fürsten Joseph Wenzel von Liechtenstein“ von Nicolas Pineau anschaulich zeigt. Ob arm, ob reich, gefeiert haben die Leute vor 350 Jahren oft und gern, besonders in den Wirtshäusern, wie David Teniers d.J. Bild „Musizierende Bauern“ verdeutlicht. Dass die Kirche damals eine wichtige Rolle spielte, versucht die Autorin damit zu erklären, dass die Bilder des auferstandenen Christus den Menschen neuen Mut gaben. In einer Zeit, wo sie gegen Kriege und schlimme Krankheiten, wie Pest und andere Seuchen, nicht viel unternehmen konnten, ist diese enge Verbindung zur Kirche im Barock sehr verständlich.

Nach 48 Seiten geht die spannende Reise durch die verschiedenen Stationen des Barock zu Ende, ohne nicht vorher noch die Bedeutung des Wortes Barock prägnant zu erklären. Durch die kurzen Texte in kindgerechter Sprache, die zahlreichen Such- und Aufgabenspiele sowie die abgebildeten barocken Kunstwerke, vermag dieses Kunstbuch, die Lebenswelt eines Kindes der damaligen Zeit lebendig werden zu lassen. „Wer lacht da im Barock?“ ist ideal zur Vor- oder auch Nachbereitung eines Museumsbesuches und durch seine spielerische Vermittlung von Kunst eine ganz besondere Empfehlung.

Übrigens, wer die abgebildeten Zeugnisse des Barocks mit seinem Nachwuchs in realiter erkunden möchte, kann dies im Wiener LIECHTENSTEIN MUSEUM tun.

 

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