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Kulturwerft Gollan in Lübeck eröffnet

Es scheint, dass Lübeck einen exquisiten Platz mehr hat für alle Sparten und Spielarten der hohen und niederen Künste. Die Kulturwerft Gollan in den ehemaligen Räumen einer Werft am Rand des Hafens besitzt das besondere Flair von Industrieruinen, das sich hervorragend mit Kunst kombinieren lässt. Stefan Diebitz war schwer beeindruckt.

Was macht Industrieruinen so geeignet für Kunstausstellungen und Konzerte? Seit den späten achtziger Jahren, als in der Völklinger Hütte »Superdrumming« aufgenommen wurde, haben sich solche Orte immer wieder für Ausstellungen und Konzerte aller Art bewährt. Schon das bläuliche, von oben schräg einfallende Licht erinnert an eine Kathedrale, dazu kommt die Romantik des Zerfalls, und schließlich ist es wohl auch die erstaunliche Weite und Höhe solcher Hallen, die sie zu etwas Besonderem macht.

So auch in Lübeck. Die Kulturwerft Gollan ist nach ihrem mal Mäzen, mal Investor genannten Besitzer Thilo Gollan benannt. Wie auch immer, sie ist ein großartiger Ort, an dem man Malerei und Skulptur ebenso präsentieren kann wie Musik und vielleicht ja auch Theater. In mancher Hinsicht erinnert der Ort an die Hamburger Deichtorhallen, aber diese sind viel gepflegter, und so fehlt ihnen das Flair einer Ruine, das die halbdunklen, von Rost und Verfall verschönten Industriehallen am Lübecker Hafen auszeichnet. Mal wurde der Putz sauber abgeschlagen, mal nicht, aber neu verputzt und sauber gestrichen wurde gar nichts, unter dem Dach kann man noch manchmal die Schienen der Laufkatzen sehen, und durch die halbblinden und verschlierten Scheiben blickt man von ferne auf die Lübecker Altstadt.

Irgendwann im Herbst soll eine Rammstein-Cover-Band die Ohren erfreuen – das kann man verstehen, dass sich derart brachiale Musik in alten Fabrikhallen wohlfühlt, aber zur Eröffnung der ersten Kunstausstellung präsentierte ein international zusammengesetztes Ensemble der Kammerphilharmonie Lübeck Barockmusik mit einer strahlenden Trompete, und das hat zu meiner Überraschung ebenso gut funktioniert – mindestens. Gut funktioniert hat auch die Show der Travestiekünstlerin Hertha Ottilie van Amsterdam, mit deren Moderation das (vielleicht…) zukünftige Spektrum der Künste angedeutet wurde.

Das riesige Gelände mit Blick auf die Altstadt soll auch für so wichtige Events wie zum Beispiel Abi-Bälle oder überhaupt private Veranstaltungen genutzt werden, aber das interessiert uns hier nicht. Wichtiger scheint schon der Plan, Open Art Space aus Potsdam nach Lübeck zu holen; vielleicht klappt es ja wirklich, und dann kann man Künstlern bei der Arbeit zuschauen. Zunächst aber gilt das Augenmerk einer vierköpfigen Künstlergruppe aus Mecklenburg, vier Künstlern, die noch zu DDR-Zeiten an der Fachschule für angewandte Kunst in Heiligendamm gemeinsam studierten und sich später zur Künstlergruppe ARTdeFAK zusammenschlossen. Nein, nicht was Sie jetzt denken! Die Abkürzung »FAK« kommt von »Fachschule für angewandte Kunst«, die alle vier Künstler besuchten. Diese Gruppe durfte jetzt die allererste Ausstellung mit mehr als einhundert Exponaten in der neueröffneten Galerie gestalten.

Das Besondere an der Fachschule in Heiligendamm war, dass alle Studenten bereits bei ihrer Aufnahme eine handwerkliche Ausbildung nachweisen mussten. Matthias Bargholz, Bernadette Maria Roolf, Jan Witte-Kropius und Andreas Grellmann waren also Handwerker, bevor sie Künstler wurden. So ist Roolf gelernte Keramikerin und arbeitet heute unter anderem mit Terrakotta – und es scheint, dass ihre solide handwerkliche Basis ihr geholfen hat.

Roolf stellt in Lübeck sowohl Plastiken als auch Bilder aus. Ihre Arbeiten sind figurativ und durch besondere Sorgfalt ausgezeichnet. Die Motive und auch die Titel der Arbeiten knüpfen oft an antike Mythen an – ähnlich wie bei Witte-Kropius. Manchmal sagt es schon der Titel – »Sphinx«, »Janus« –, aber wichtiger ist es vielleicht, die archaische Simplizität und Ausdrucksstärke zu übernehmen. So erinnern mich die im Profil abgebildeten Köpfe der »Begegnung« von fern an assyrische Skulpturen, wie man sie auch in europäischen Museen bewundern kann. Schon die unverhältnismäßig großen Augen wirken archaisch, und die Reduktion auf wenige starke Linien verstärkt noch diesen Eindruck.

Extrem eindrucksvoll auch der »Schalk« (eigentlich erwartet man »Till Eulenspiegel« als Titel), dessen Gesicht man gar nicht richtig deuten kann und das noch an Ausdruck gewinnt, wenn man um es herumgeht; es ist nicht spöttisch und schon gar nicht hämisch, aber es scheint, dass sich hier jemand seinen Mitmenschen überlegen fühlt. Ebenfalls beeindruckend ist ein (Irokesen?)-Kopf mit dem etwas kryptischen Titel »Hoop« aus dem Atelier von Witte-Kropius. Andere Arbeiten zählen wohl zur Streetart – sehr wild, sehr bunt, sehr expressiv – oder waren sichtlich vom Kubismus eines gewissen Picasso angeregt.

Öffnungszeiten:
17. August 2016 von 15:00 – 19:00 Uhr
20. August 2016 von 11:00 – 16:00 Uhr
25. August 2016 von 15:00 – 19:00 Uhr
und nach telefonischer Vereinbarung (04561 – 398 860)

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