Meldungen zum Kunstgeschehen

Kunst im Saarland August/September 2013

Im diesjährigen Spätsommer übertreffen sich die saarländischen Ausstellungshäuser wieder einmal mit stimmungsvollen und pointenreichen Kunstschauen. Verena Paul hat Ihnen einige ›Amuse-Gueule‹ zusammengestellt.

Kunst im Saarland
Kunst im Saarland

Im Westen viel Neues

Noch bis 23. August 2013 präsentiert die galerie m beck in Schwarzenacker/Homburg unter dem metaphorischen Titel »Schrift atmet Sprache, Papier träumt Form« die Arbeiten Ulrich Behls und Ute Bernhards. Gegenübergestellt werden in der Ausstellung zwei Richtungen der konkreten Kunst: Während Behl die geometrische Sprache in Objekten und Grafiken neu erprobt und dabei lebendige Variationen entwirft, widmet sich Bernhard aktuellen Entwicklungen und Tendenzen der konkreten Poesie. In der Auseinandersetzung mit Eugen Gomringer, Heinz Gappmayr und Timm Ulrichs entwickelt sie ihre ganz eigene Textkunst. Für Ute Bernhard verschmelzen in der Schrift Form und Inhalt, sodass ihre Arbeiten partiell als Künstlertagebuch gedeutet werden können. Eine wunderbare Präsentation, die Sie sich ansehen sollten!

Die Städtische Galerie Neunkirchen präsentiert mit »He kills me, he kills me not« bis 1. September 2013 die zwischen inhaltlicher Schärfe und ästhetischer Leichtigkeit pendelnden Arbeiten der iranischen Konzeptkünstlerin Parastou Forouhar. Die von schwindelerregender Schönheit getragene Kunst macht die Betrachter betroffen, gerade dann, wenn der sich langsam aus fröhlich anmutenden Ornamenten herausschälende Inhalt begriffen wird. Sehr behutsam hat sich das Neunkircher Ausstellungshaus dem reflektierten, schonungslos offenen und zugleich formal herausragenden Werk Parastou Forouhars angenommen. Ausstellungsprädikat: Sehr gut!

Bis 13. Oktober 2013 bietet die Werkschau »Hyperreal – More than Pop!« in der Modernen Galerie des Saarlandmuseums mit 75 großformatigen Gemälden und Skulpturen einen Gesamtüberblick über den Hyperrealismus von 1967 bis 2012. Dabei liegt der Fokus auf den Anfängen der Bewegung, die 1972 mit der documenta 5 ihren internationalen Durchbruch erlangte und die Koordinaten der modernen Kunst grundlegend veränderte. Eine absolut sehenswerte Präsentation!

Bis 18. August 2013 ist in der Alten Sammlung des Saarlandmuseum die Ausstellung »Katharina Kest – Gänsegretel, Mätresse, Herzogin« zu bestaunen. Das »Grüne Kabinett« ist für Saarbrückens Geschichte ein schillerndes Artefakt, das bis 1788 Teil des Stadtpalais’ der Katharina Kest war. Sie erfreut sich einer bis heute andauernden Popularität, avancierte sie doch vom Bauernmädchen zur Mätresse und späteren Gattin des Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken. Neben dem nunmehr restaurierten Kabinett sind an die 85 Exponate zu sehen, wie Briefe, Urkunden, Gemälde und Zeichnungen, die nicht nur die historische Person der Reichsgräfin beleuchten, sondern auch ihr Umfeld.

Unter dem programmatischen Titel »Swing State« zeigt die Stadtgalerie Saarbrücken bis 1. September 2013 die vielschichtigen, selbstbewusst kritischen Arbeiten der 1981 in Hamburg geborenen Künstlerin Anahita Razmi, die nicht selten mit humorvollem Charme überzeugen. Razmis Schaffen ist dabei geprägt von einer konstanten Auslotung des ambivalenten Verhältnisses zwischen Orient und Okzident. Primär ist es das Spannungsverhältnis von Tradition und politischer Wirklichkeit im Iran, mit dem die international erfolgreiche Künstlerin sich kritisch auseinandersetzt. Eine tolle Ausstellung, die man gesehen haben muss!

Am Saarbrücker Schlossplatz präsentiert das Saarlandmuseum bis 31. Dezember 2013 die Lichtinstallation »Gelb Rot Blau« des Künstlers Michael Seyl. Mit dieser Arbeit lotet der Künstler das Phänomen des farbigen Lichts aus, wie es im Innern der Saarbrücker Schlosskirche mit ihren prägnanten Meistermann-Fenstern zu erleben ist. Durch die Illuminationen der Fassaden des Museumsgebäudes am Schlossplatz eröffnet Seyl einen neuen Blick auf das vermeintlich vertraute Gebäude. Ist der Zyklus der Glasfenster gemeinhin – im Innenraum – in seiner Gesamtheit erlebbar, so rückt die Lichtinstallation das einzelne Kunstwerk in der nächtlichen Außenansicht in den Blickpunkt des Betrachters.

Das Museum Haus Ludwig in Saarlouis präsentiert mit »Architektur/-Fragmente: Fotografie« vom 18. August bis 8. September 2013 die vielschichtigen fotografischen Werke Norbert Webers. In diesen Arbeiten wird der Prozess des Sehens künstlerisch reflektiert, um zu zeigen wie manipulierbar unsere Wirklichkeit sein kann. Auf der Suche nach geometrischen Formationen in architektonischen Fragmenten, die simultan im Bild zusammenwirken, entdeckt Weber eine hinter der Realität schlummernde Welt, in der wir unsere visuellen Erfahrungswerte neu ausloten müssen. Eine Ausstellung, auf die Sie gespannt sein dürfen!

Nicht versäumen möchte ich in den wunderschönen spätsommerlichen Monaten, Ihnen die »Straße der Skulpturen« als wunderbares Ausflugsziel zu empfehlen. Sie wurde im Jahr 1971 von dem saarländischen Bildhauer Leo Kornbrust initiiert und führt von Sankt Wendel bis zum Bostalsee. Inzwischen haben fast 60 Skulpturen entlang des circa 25 km langen Teilstücks des Saarland-Rundwanderwegs ihren Platz gefunden. Diese Werke, die mit der Landschaft auf beeindruckende Weise verschmelzen, sind jedoch nicht nur eine Augenweide, sondern auch kleine Mahnmale. Schließlich ist die »Straße der Skulpturen« dem von den Nationalsozialisten ermordeten deutsch-jüdischen Bildhauer und Maler Otto Freundlich gewidmet, der bereits in den 1930er Jahren die Idee zu einer die Völker verbindenden Skulpturenstraße entwickelte.

Bis 1. November 2013 können die Besucher des Weltkulturerbes Völklinger Hütte die »Urban Art Biennale 2013« erkunden. Inspirationsquelle der Künstler, deren Anfänge im Graffiti liegen, sind Metropolen wie New York, Los Angeles, Paris, Berlin oder London. Im Weltkulturerbe wird dabei ein Ort der Begegnung mit einer Kunst geschaffen, die dank Digitalkamera und Internet den Siegeszug auf den Straßen und in die Museen angetreten hat. Von den Jugendlichen der New Yorker Bronx in den späten sechziger Jahren auf U-Bahnwaggons und Häuserfassaden gesprüht, entwickelte sich der Graffiti Style zu einem weltumspannenden kulturellen Phänomen: Kunstmuseen und Galerien nehmen die Arbeiten der Post-Graffiti-Generation in ihre Sammlungen auf. Doch die Stadt und die Straße bleiben das Arbeitsfeld der Urban-Art-Akteure, die heute auch ohne Sprühdose auskommen und mit Leinwand und Pinsel das Erbe der Graffiti-Generation antreten. Eine atmosphärisch aufgeladene Präsentation, die ich absolut empfehlen kann!

Mit »Faces of the North« zeigt das Deutsche Zeitungsmuseum in Wadgassen vom 17. August bis 13. Oktober 2013 eine Auswahl von Fotografien des Isländers Ragnar Axelsson, der als einer der profiliertesten Dokumentar-Fotografen unserer Zeit gilt. Seit vielen Jahren bereist er die Arktis und hält seine Besuche in atemberaubenden Bildern fest. Neben Landschaftsbildern sind im Deutschen Zeitungsmuseum vor allem Porträtaufnahmen von Jägern in Grönland und Kanada zu sehen, deren markante Gesichter die Härte des Lebens in der eisigen Kälte widerspiegeln. Ragnar Axelsson fotografische Werke sind bereits in den renommiertesten Zeitungen und Zeitschriften der Welt publiziert worden, unter anderem in der New York Times, in Le Figaro, Newsweek und National Geographic sowie im Time Magazine oder im Stern. Eine Ausstellung, auf die ich schon sehr gespannt bin!

In dem Gedicht »Tribut an Bildern« formt Frédéric Wandelère wunderbare Verse, die einen labenden Bildgenuss suggerieren: »Überraschend, notwendig / wie die Linie des Bachs / Ordnung der Lichtungen und der Wälder / Vollkommenheit ohne Worte«. Übertragen wir das nun auf die Bildende Kunst: Wenn uns Werke begegnen, denen wir das Attribut ›vollkommen‹ zuweisen, dann bedarf es keiner Erläuterungen, die in diesem Moment die großartige Wirkung ohnehin nicht in Sprache kleiden könnten. Insofern wünsche ich Ihnen – vielleicht obige Zeilen im Gepäck – beim Besuch der aktuellen Ausstellungen im Saarland erfüllende, bereichernde Begegnungen mit einer als ›vollkommen‹ empfundenen Kunst!

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