Meldungen zum Kunstgeschehen

Kunst im Saarland Juni/Juli 2014

Mit absolut sehenswerten Werkpräsentationen starten die saarländischen Galerien und Museen in die frühsommerlichen Monate. Verena Paul hat Ihnen einige Ausstellungshöhepunkte zusammengestellt.

Kunst im Saarland
Kunst im Saarland

Schloss Fellenberg in Merzig zeigt bis 27. Juli in der Ausstellung »The Art of John Lennon« die bis dato wenig bekannten Karikaturen, Zeichnungen, Comics und Lithografien des bekannten Musikers. Bereits als Kind schrieb Lennon Gedichte und Kurzgeschichten, die er mit eigenen Zeichnungen und Karikaturen illustrierte. 1964 veröffentlichte er zwei Bücher mit Gedichten und Zeichnungen – aus dieser Zeit stammt auch das im Schloss Fellenberg präsentierte Werk »Magic Birds«. Mit Feder und japanischer Sumi-Tinte, aber auch mit Bleistift oder Kugelschreiber gestaltete Lennon seine einfallsreichen Zeichnungen. Dabei entstanden abstrakte und formreduzierte, versierte Strichzeichnungen. Eine empfehlenswerte Schau!

Bis zum 3. August präsentiert die Städtische Galerie Neunkirchen in der Ausstellung »ALEXANDERPLATZ« die Arbeiten Göran Gnaudschuns. Drei Jahre lang fotografierte der Künstler auf dem Berliner Alexanderplatz, wobei eine eindrucksvolle Arbeit über eine Szene von Gestrandeten und Ausreißern, Obdachlosen, Randexistenzen und Selbstdarstellern entstanden ist. Gnaudschuns Arbeit ist weder sozialkritische Dokumentation noch gewöhnliche Porträtserie. Vielmehr versucht sie sehr subjektiv, sehr nah und einfühlsam vom Leben junger Menschen am Rande der Gesellschaft zu erzählen. Diese Menschen passen nicht in die Raster der normalen Gesellschaft hinein. Der Alex ist für sie eine Art zu Hause geworden. Hier entkommen sie der Vereinsamung und holen sich ihren Teil Geborgenheit, wobei Zärtlichkeit und Gewalt eng beieinander liegen. Gnaudschun fotografierte Situationen, in denen sich Symbolhaftes zeigt, schrieb eigene Texte und führte Interviews über die Lebenswege der Protagonisten, die in der Ausstellung zu lesen und zu hören sind. Eine vielschichtige, nachdenklich stimmende Präsentation, der ich viele reflektierte, aufmerksame Besucher wünsche!

Mit »Euphorie und Untergang – Künstlerschicksale im Ersten Weltkrieg« erinnert die Moderne Galerie des Saarlandmuseums vom 7. Juni bis 28. September mit rund 80 Gemälden, Arbeiten auf Papier und Skulpturen an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der sich dieses Jahr zum 100. Mal jährt. Zahlreiche Künstler teilten die allgemeine Euphorie bei Kriegsbeginn und waren direkt betroffen vom Untergang der alten Ordnungen, die der Krieg europaweit bewirkte: Schon 1913 schuf Ludwig Meidner seine seismographischen »Apokalyptischen Landschaften«, Albert Weisgerber fiel 1915 in Flandern, Käthe Kollwitz verlor ihren jüngsten Sohn Peter, Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner erlitten auf den Schlachtfeldern einen Nervenzusammenbruch. Die Ausstellung thematisiert Schicksale bedeutender Künstler während der Kriegsjahre und spürt der Frage nach, auf welche Weise die existentiellen Erfahrungen ihre künstlerischen Werke prägten.

Begleitend zur Präsentation des Saarlandmuseums widmet sich auch das Deutsche Zeitungsmuseum ab dem 4. Juli in der Sonderausstellung »Euphorie und Untergang - Im Trommelfeuer der Schlagzeilen: Der Erste Weltkrieg« in der Saarbrücker Schlosskirche dem Ersten Weltkrieg. Anhand zahlreicher Originalzeugnisse wie Zeitungen oder Extrablättern werden vor allem die letzten Friedens- und die ersten Kriegstage im Sommer 1914 präzise dokumentiert. Darüber hinaus thematisiert die Ausstellung den für den Ersten Weltkrieg so charakteristischen Stellungskrieg und das Leben der Soldaten in den Gräben, indem Schützengraben-Zeitungen einen Einblick in den Frontalltag geben und originale Ausrüstungsgegenstände das Leben an der Front veranschaulichen. Die Präsentation beschäftigt sich aber auch mit der Reaktion des deutschen Bildungsbürgertums auf den Krieg. Kriegskritische und kriegsbegeisterte Stimmen werden einander gegenübergestellt und die Verarbeitung des Krieges in der Literatur vermittelt. Kritisch wird die Rolle jener Intellektuellen beleuchtet, die durch ihre kriegsaffirmative Haltung zur Herausbildung des Mythos um den »Geist von 1914« beigetragen haben, demzufolge das deutsche Volk geschlossen und freudig in den Krieg gezogen sei. Ergänzt wird die Ausstellung durch zeitgenössische Karikaturen, sowohl aus Deutschland als auch aus anderen europäischen Ländern, die von den kursierenden stereotypen Feindbildern zeugen. Nicht zuletzt thematisiert die Ausstellung das Schicksal eines einfachen Frontsoldaten exemplarisch anhand des Lebens eines saarländischen Bergmannes. Zwei Ausstellungen, auf die man gespannt sein darf!

Bis zum 29. Juni gewährt das Saarländische Künstlerhaus in der Galerie einen ebenso spannungsreichen wie faszinierenden Blick auf die zeitgenössischen Verflechtungen von Handwerk, Kunst und »high fashion«. Die extravaganten Schuhe und Taschen von Rosanne Bergsma (NL), Ulrich Czerny, Maria Verburg, Laura Papp (HU) und Tea Petrovic (BA) bieten in »Bags and Shoes« eine Vielfalt an Designobjekten, kunstvollen Unikaten und Kleinskulpturen. Durch die innovative Gestaltungsprinzipien werden die Gebrauchsgegenstände aus ihrem alltäglichen Kontext gelöst und ermöglichen eine neue Wahrnehmung. Parallel dazu wird im Studioblau unter dem Titel »Black Swans« das Multimedia-Projekt des amerikanischen Medienkünstlers Eric Medine präsentiert, das aus Suchergebnissen des Kurznachrichtendienstes Twitter Videokunst, Text (Poems) und Skulpturen entwickelt. Im Studio ist schließlich die Ausstellung »Notstop looking« mit aktuellen Tagebuchzeichnungen Monika Schneiders zu sehen. Die Künstlerin inventarisiert Fundstücke und Überbleibsel des Alltags und nähert sich ihnen zeichnerisch an. In den hier gezeigten Zeichnungen wird den Besuchern und Besucherinnen ein Eindruck der Sehnsüchte, politischen und kulturellen Ereignisse, Träume und Begegnungen aller Art vermittelt. Wer also nach Saarbrücken kommt, dem sei ein Besuch des Saarländischen Künstlerhauses unbedingt empfohlen!

Das Mia-Münster-Haus in St. Wendel zeigt mit »Mia Münster: Modezeichnungen, St. Wendeler Land und ›Lothringer Bilder‹ 1925-1945« bis zum 3. August die wunderbaren Werke der saarländischen Malerin Mia Münster (1894-1970). In zahlreichen Skizzen, Zeichnungen und Aquarellen, die zwischen 1925 und 1932 in Berlin entstanden sind, hielt die Künstlerin die markante Mode dieser Zeit fest. 1933 dann die Beschneidung der künstlerischen Freiheit: Mia Münster kehrte ins Saarland zurück und hielt sich mit Auftragsarbeiten über Wasser, indem sie gemeinsam mit Künstlerkollegen die evakuierten durch den Frankreich-Feldzug zerstörten Dörfer im Grenzgebiet in Bildern festhielt. Die von ihr dargestellten menschenleeren Dörfer und Straßenzüge sind stille Zeugen der zerstörerischen Auswirkungen des Krieges und bilden in ihrem Œuvre einen weiteren Höhepunkt. Eine Ausstellung, die nicht nur für das saarländische Publikum von großem Reiz sein dürfte!

»Das Museum ist nicht bloß eine ›Schule des Sehens‹ anhand hochkarätiger Exponate, die dazu herausfordern. Das Museum ist auch ein offener Ort des Sehen-Lernens von Qualität und des Anderssehen-Lernens in Hinblick auf die für diesen Ort gängigen Sehgewohnheiten«, schreibt Daniel Tyradellis. Macht diese Offenheit und Unkompliziertheit, mit der wir musealer Kunst begegnen können und sollten, nicht Lust auf die Erprobung des Anderssehens? Die saarländischen Museen und Galerien jedenfalls laden Sie zu ihren absolut sehenswerten Präsentationen ein – und dabei wünsche ich Ihnen viel Vergnügen! Ihre Verena Paul

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