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Kunst in Stuttgart Januar 2012

Was gibt es Besseres, als das neue Jahr mit Humor zu beginnen? Einige Stuttgarter Galeristen haben das Vergnügen zum Thema ihrer Ausstellungen gemacht. Allen gemein ist, dass sie die Fantasie beflügeln. Günter Baumann hat einen kurzen Überblick für Sie zusammengestellt.

Kunst in Stuttgart
Kunst in Stuttgart

Der Titel der Ausstellung mit Arbeiten des 1952 in Ingolstadt geborenen Malers Rudi Weiss gibt treffend die differente Natur des Werks wieder. »Riverside« hat bei allem poetischem Beiklang eine klare Kontur, die sich im Untertitel verunklärt: Landschaften im eigentlich landläufigen Sinn sind also nicht zu erwarten.

Während Weiss in seinem früheren Werk durchaus en plein air malte und auch stilllebenhafte Elemente einsetzte (etwa in den so genannten Kistenbildern), verlässt sich der leidenschaftliche Bergwanderer und Laufsportler inzwischen auf die Intuition des Gesehenen und Erinnerten. Bewundernswert ist dabei das Gespür für die Farbpalette, die das Naturmotiv eher quantitativ über die Farbtöne als qualitativ über den Inhalt beschreibt.

Die Werktitel suggerieren zwar reale Stadt- und Naturlandschaften (»Bretagne«, »Rocca« u.a.), die keineswegs irreale Verhältnisse vortäuschen, aber gerade in jüngerer Zeit wird deutlich, dass die Bilder Ergebnisse von Erlebnissen in der Natur sind: Lichtreflexe, Felder, Assoziationen von Gebirgsbächen, überhaupt fließende Formen – häufig gehen die Eindrücke, ja Ein-Bildungen ineinander über, Flüsse (die einer ganzen Serie den Titel geben) sind zugleich Meeres- und Flusslandschaft; Stein wird Felsmassiv; Blume, Beet und Wiese werden eins. Vermeintliche Nahsichten wechseln mit zunehmend bildbestimmenden Draufsichten aus der Ferne. »Das Chaos zu ordnen ist ein zentrales Problem meiner Bilder«, so Weiss. Technisch pflegt der Maler den pastosen Auftrag, bei näherer Betrachtung erkennt man allerdings die systematische Schichtung, und das Ungestüm des Farbauftrags relativiert sich in den Aussparungen auf der Leinwand sowie in den wieder zurückgenommenen Farbspuren.

Der Galerist Rainer Wehr ließ sein Programm im vergangenen Jahr genauso lebhaft und vielfältig ausklingen, wie er das neue Jahr eingeläutet hat: Der Reigen der von ihm vertretenen Künstlerinnen und Künstler ist erfrischend bunt, zumal manche Künstler nicht mehr aktiv zum Stamm gehören – was das Spektrum bis in die Galeriehistorie erweitert. Doch scheint Wehrs Vorliebe für die figurative Kunst fast überall durch. Die Bandbreite reicht von der Grand Dame der Gesellschaftssatire, Romane Holderried Kaesdorf, bis hin zu den frech-bunten und surrealen Großstadtimpressionen von Emel Geris.

Spektakuläre Stücke sind zu entdecken, auch lieb gewonnene Positionen lassen sich sehen. Eine Zeichnung von Philip Loersch gehört dazu, der mit einer überraschenden Zeichnung eine neue Seite seines Talents aufschlägt; als Akt einer hintergründigen Verschwendung legte er ein Blatt Papier auf eine größere Zeichnung, um genau den verdeckten Bereich nachzuzeichnen. Mona Ardeleanu bleibt sich treu mit ihren gemalten, geheimnisvoll verschnürten Stoffobjekten. Ein Meister realistischer Darstellung ist Peter Holl, der auch noch transparente Scheiben sichtbar macht. Eher der Romantik verpflichtet ist Wieland Payer, der seine Landschaftsbilder leuchtstiftgrell aufleuchten lässt. Weitere Künstler sind: Holger Bunk, Albert Hien, Julius Kaesdorf, Oliver Kraft, Andreas Ilg, Ralf Jurzo, Hans Pfrommer, rosalie, Achim Sakic, Benjamin Thaler und Georg Winter.

Einem Spiel mit dem Realismus kann man in der Galerie Sturm folgen, was auf den ersten Blick verwundert, ist Sturm doch eher im konzeptionellen Feld verortet. Die aktuelle Ausstellung entstand in Kooperation mit der Amsterdamer Galerie Vous etes ici, weshalb nun drei Niederländer dieses Gastspiel bestreiten: Mary A. Waters, die sich als Autodidaktin eine altmeisterliche malerische Technik angeeignet hat, um Reproduktionen von künstlerischen Porträts, welche sie als Jugendliche verinnerlicht hatte, in einem größeren Maßstab nachzuempfinden – was hier wirklicher ist, die Erinnerung oder die Fiktion, kann kaum entschieden werden.

Wie fließend die Übergänge zwischen Realität und Wirklichkeit sind, demonstrieren Martijn Schuppers und Lieven Hendriks, die zunächst als abstrakte Maler wahrgenommen werden. Bei längerer Betrachtung nehmen Farbstreifen Gestalt an, Farbkleckse entpuppen sich als potentielle Löcher in der Leinwand oder als täuschend echt gemalte – Farbkleckse eben. Malerei wird zum Abenteuer, bei dem sich auf einer sur-realen Ebene die figurative und die ungegenständliche Wirklichkeit begegnen, so dass es nicht wundert, wenn im Oberlichtsaal der Galerie die farbintellektuellen Arbeiten von Thomas Ruppel der Holland-Troika anschließt. 

Zeitgleich zeigt die Galerie Mueller-Roth gleich nebenan Arbeiten eines weiteren Niederländers, Marinus Boezem, sowie von Gilberto Zorio. Der Konzeptkünstler Boezem, Jahrgang 1934, berührt mit seinem ungemindert aktuellen Schaffen sowohl Elemente der Arte povera wie der Land Art, was freilich nur anhand von kleineren Objekten in den Galerieräumen angedeutet werden kann – das aber mit so unartifiziellen wie faszinierenden Beispielen. Ein Kathedralengrundriss erinnert an seine »Grüne Kathedrale«, die in der niederländischen Provinz Flevoland mit 178 Pappeln den Grundriss der Kathedrale von Reims im besten Sinne ins Grüne verlegt. Boezem war wie der italienische Arte povera-Künstler Gilberto Zorio Teilnehmer der legendären Documenta 5 (1972). Der 1944 geborene Zorio, der zudem sein Land mehrmals bei der Biennale vertreten hat, schafft sinnlich-energiegeladene und anspielungsreiche, mitunter herrlich ironische Rauminstallationen, die ihresgleichen suchen.

Heute schon gelacht? Dann nichts wie hin ins Stuttgarter Galerienhaus, das sei als Vorsatz zum neuen Jahr betont: Die Galeristen Merkle, Schacher, Walz & Co. zeigen im Dreierpack die humorige Seite der Kunst, nicht ohne ihre Schattierungen auszusparen oder deren schräge Abseitigkeiten auszuleuchten: Thomas Putzes »Arschkriecher« oder Justyna Koekes »Furzende Gundula« sind da nur die derben Eckpunkte. Weitaus köstlicher sind etwa die bitterbösen Bilder von Oliver Wetterauer, ein fast selbständiger Koffer auf Reisen oder die hintergründig-ironischen Wachsarbeiten Gert Wiedmaiers.

Alle rund 25 Teilnehmer der Witzparade, die heiter bis wolkig, aber nicht zwingend lustig daherkommt, sind Absolventen oder Mitarbeiter der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Unter den Teilaspekten »Humor muss nicht immer lustig sein« (Schacher), »Heiter bis wolkig« (14-1) und »Graphic Novels« (Merkle) bleibt kein Lachauge trocken und kaum ein Wunsch offen – vor allem wenn es darum geht, sich auf hohem Niveau zu amüsieren und sich auch mal gepflegt im unteren Niveau gehen zu lassen. Wie auch immer: Selten hat eine Ausstellung so deutlich gemacht, dass man über Kunst auch lachen darf. Zudem erfährt man unmittelbar, dass man nicht nur zwischen den Zeilen lesen, sondern auch zwischen so manchen Farben und Zeichenlinien vieles sehen kann. Die Künstlerliste der drei Galerien beinhaltet: Sonja Alhäuser (»special guest«), Ruth Baumann, Matthias Beckmann, Helmut Dietz, Lisa Erdle, Ulrike Flaig, Friederike Groß, Klaus Heider, Akihiro Higuchi, Rolf Kilian, Ulrike Kirbach, Eva Koberstein, Justyna Koeke, Anja Luithle, Hans Pfrommer, Thomas Putze, Alexei Savinov, Monika Schaber, Lucia Schautz, Hannes Steinert, Katrin Ströbel, Armin Subke, Oliver Wetterauer, Gert Wiedmaier, Fabian Wolter, Danielle Zimmermann.

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