Ausstellungsbesprechungen

Kunst ist eine Wissenschaft – Hölzel, Baumeister und die Stuttgarter Akademie, Kunstmuseum Stuttgart, bis 23. Oktober 2011

Anlässslich des 250. Jubiläums der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart widmet sich das Kunstmuseum Stuttgart zwei wichtigen Persönlichkeiten der klassischen Moderne. Adolf Hölzel und Willi Baumeister werden nicht nur als Künstler beleuchtet, sondern auch als einflussreiche Theoretiker und Lehrer. Von dem Versuch, Kunst und Wissenschaft zusammenzubringen, berichtet Günter Baumann.

Willi Baumeister, Apoll, 1922 © VG Bild-Kunst, Bonn 2011
Willi Baumeister, Apoll, 1922 © VG Bild-Kunst, Bonn 2011

Oft genug werden Adolf Hölzel und mehr noch Willi Baumeister als Künstler ausgestellt – doch nur selten stehen die Pädagogen Hölzel und Baumeister im Mittelpunkt einer Ausstellung: Im Stuttgarter Kunstmuseum hat man sich genau dieser Seite der beiden Professoren an der Stuttgarter Kunstakademie angenommen. Das liegt einmal nahe, weil sie zu den renommiertesten Lehrkörpern Stuttgarts – wenn nicht auch auf nationaler Ebene – gehörten; zum anderen bietet die Sonderschau eine Vorstellung von der »Kunst als Wissenschaft« – wie es Hölzel postulierte. Stellenweise kommt die Schau durch den intellektuellen Zugang etwas spröde daher, aber andererseits ist es spannend, das Lehrer-Schüler-Verhältnis von der pädagogischen Seite aus zu beobachten: Baumeister, der seinen ganz eigenen Stil entwickelte, verdankte seinem Lehrer Hölzel mehr, als er je zugegeben hätte. Adolf Hölzel war es gar nicht daran gelegen, die Tradition des akademischen Malens hochzuhalten, vielmehr stärkte er den Eigensinn der angehenden Künstler (und die hießen neben Baumeister auch Max Ackermann, Johannes Itten oder Oskar Schlemmer – das spätere Bauhaus ließ grüßen).

In Stuttgart werden rund 70 Exponate vom Farbkreis über Fotodokumente bis hin zu jenen eigenständigen Werken gezeigt, die wir von den Pionieren der Moderne kennen. Mit Baumeister geht es – wohlbedacht unter dem Zeichen wissenschaftlichen Arbeitens oder besser: Denkens – um die Entdeckung des Unbekannten, dem man das allzu Bekannte opfern müsse. Dabei wird Lehre und Leere positiv miteinander verknüpft. »Der Schüler kommt nicht naiv zum Lehrer, sondern durch Banal-Durchschnittliches und Bekanntes belastet«, so Baumeister: »Der Lehrer hat vor allem die Aufgabe, den Schüler durch Entschlackung, durch Leerung in den künstlerischen Zustand zu bringen. Der Lehrer hat zu leeren, nicht mit seinen Formeln zu füllen.« Verantwortlicher Kurator der Ausstellung ist Daniel Spanke, der mit Ulrike Groos auch den exquisiten Katalog herausgegeben hat.

Bevor das Kunstmuseum seine Türen – und die Hölzel-/Baumeister-Ausstellung – schließt, um die kommende Megaschau zum Werk von Michel Majerus einzurichten, lädt es zur Finissage: Am 23. Oktober findet um 11 Uhr eine Gedichtrezitation statt, die den Gott der Musen, Apoll, ehrt: Rainer Maria Rilke und Gottfried Benn haben ihn bedichtet, aber auch Willi Baumeister war von dem antiken Mythos um Apoll begeistert. Begleitet wird die Veranstaltung von der Vorstellung eines weiteren Bandes aus dem Archiv Baumeister, das im Kunstmuseum beheimatet ist. Thema ist eben jener olympische Gott im Werk Baumeisters. Das ist ein Mix aus Vorlesung, Ausstellung und Mythos, der noch angereichert wird von der »ars viva«-Laborschau mit Arbeiten von Nina Canell, Klara Hobza, Markus Zimmermann und Andreas Zybach (über die im Portal bereits berichtet worden ist). Mit diesem bunten Programmreigen steuert das Museum auf eine Zwangspause zu, um mit Majerus desto bunter in den Winter zu gehen.

Wer übrigens in Stuttgart noch mehr von Adolf Hölzel und Willi Baumeister sehen möchte, sollte gleich hinter dem Kunstmuseum einen Besuch in der Galerie Schlichtenmaier vorsehen, wo unter dem Titel »Lust auf Formen« Arbeiten beider Künstler, zusammen mit atemberaubend schönen Plastiken des leider viel zu wenig beachteten Bildhauers Otto Baum, gezeigt werden (bis 26. November; Kontakt: stuttgart@galerie-schlichtenmaier.de; www.schlichtenmaier.de).

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