KunstGeschichten

KunstGeschichte: Österreich sucht den Super-Künstler

Alle größeren Sender suchen einen Supermann – warum also auch nicht endlich mal den Künstler des Tages suchen? Das denkt sich Senderchef Heinz Sommerbauer und ruft einen Wettbewerb ins Leben. Doch den zu gestalten, erweist sich als gar nicht so leicht und seine Idee sorgt sogar für einen handfesten Skandal. Ob die Suche nach dem Super-Künstler am Ende doch noch einen neuen musealen Star hervorbringt, erzählt uns Erich Wurth.

Seit Österreich der Europäischen Gemeinschaft beigetreten ist, hat sich hierzulande einiges geändert.

So ist zum Beispiel das Rundfunkmonopol gefallen. Vorher gab es nur den ORF, den Österreichischen Rundfunk, der aus der 1924 gegründeten RAVAG, der Radio Verkehrs AG hervorgegangen ist, und der vier Radio- und ebenfalls vier Fernsehprogramme betreibt. Die ORF Zentrale auf dem Küniglberg im 13. Bezirk und das Funkhaus im 4. Bezirk bieten ausreichend Platz für die Produktion der Sendungen. Das Funkhaus oder Radiokulturhaus wurde von 1935 bis 1939 von Klemens Holzmeister, Heinrich Schmidt und Hermann Aichinger erbaut und zeichnet sich durch Räume aus, die wegen der besseren Akustik mit einem Grundriss unregelmäßiger Vierecke versehen wurden. Daneben gibt es noch die Landesstudios in den Hauptstädten der Bundesländer und vom ORF behauptet man, er sei mit einer Menge von unnötigem Personal versehen.

Außerdem gibt es mittlerweile, nach dem Beitritt zur EU, eine ganze Menge von Privatsendern. Einige versorgen nur eine Region, andere senden österreichweit. Einer dieser Privatsender, der ein Radioprogramm mit einfachen Schlagern sendet und zwei Fernsehprogramme anbietet, ist Happy Broadcast in Wien. Der Name des Senders ist natürlich deshalb englisch, weil das erstens modern ist und zweitens das Fernsehprogramm voller hauptsächlich amerikanischer Serien empfehlen soll. Und das „happy“ ist deshalb im Namen vorhanden, weil es etwas Positives suggerieren soll, auch wenn die amerikanischen Serien doch meist von brutalen und grausamen Inhalten geprägt sind. Aber grade das ist ja das Moderne heutzutage!

Allerdings, viel Geld hat die Rundfunkanstalt nicht. Ihre Studios befinden sich in einer alten Lagerhalle im 2. Bezirk, die ursprünglich von einer großen Molkerei genutzt wurde und nur notdürftig zu einem Sendestudio umgebaut worden war. Irgendwie riecht es dort immer noch nach Käse. Trotzdem hat HB TV einen sehr ehrgeizigen Chef: Die Tarife für Fernsehwerbung sind so ziemlich die billigsten in Wien und Heinz Sommerbauer, der Generalintendant, betreibt mit gleich acht Verkäufern einen ganz aggressiven Verkauf von Werbezeiten. Demnach hat dieser kleine Sender die meisten Werbespots innerhalb seiner Programme und erreicht fast die Werbedichte amerikanischer Sender. Was dazu führt, dass sich kaum einer das Programm von HB TV ansieht.

„Das muss anders werden!“, sagte Heinz Sommerbauer während einer Verkaufsbesprechung am Morgen eines Montages.
„Dann kaufen Sie bessere Sendereihen!“, schlug der Verkäufer Kevin Wagner vor.
„Herr Wagner, Sie wissen genau, dass die zu teuer sind! Wir haben schon drei amerikanische Krimiserien von Vox übernommen und ich zahl' dafür ein Vermögen! Wir brauchen was ganz Neues! So was wie DSDS von RTL!“
„Aber wir haben aber keinen Dieter Bohlen“, sagte Kevin Wagner.
„Finden wir eben einen anderen, der die Kandidaten beschimpft!“
„Schon wieder Rock und Pop? Das haben doch schon so viele Sender!“, warf Herr Wagner ein.
„Weiß wer was Besseres?“, fragte Sommerbauer.
Da meldete sich die Beth Winter und sagte: „Kunst. Malerei.“
„Was soll denn das?“, fragte Sommerbauer und zog eine Augenbraue hoch. „Wir sind doch kein Kultursender, sondern ein kommerzielles Privatprogramm! Wir brauchen nur einen Rahmen für unsere Werbespots!“
„Na, da kann man doch noch was dazu machen! Kunst und – meinetwegen Rap oder Beat. Wichtig ist aber nur die Kunst: Da kann man was bewerten und einen Sieger auswählen!“
Herr Sommerbauer dachte nach. „Könnte funktionieren“, meinte er dann. „Schön, machen wir so was!“

Möglicherweise war dieser spontane Entschluss des Herrn Sommerbauer etwas problematisch: Der Sender musste nämlich einiges umbauen, zum Beispiel die kleine Halle neben dem Studio, in dem ein Live-Publikum sitzen sollte. Und zwei neue Kameras brauchte HB TV außerdem. Man konnte doch nicht die Leute zeichnen und malen lassen, ohne dass eine Kamera dabei zusah. Außerdem brauchte man natürlich Kandidaten! Und einen Preis!
Kandidaten sollte eine Serie von Werbespots in eigener Sache bringen. Aber mit dem Preis hatte Herr Sommerbauer seine liebe Not. Um einen „echten“ Preis heraus zu rücken, dazu war er zu geizig und seine Werbekunden wollten auch nicht so recht sponsern. Das, was sie gespendet hätten, war nicht sehr attraktiv: 50 Becher Fruchtjoghurt oder 20 Päckchen Kaffee oder eine elektrische Zahnbürste zum Beispiel. Damit lockte man keine Künstler.

Schließlich fand Herr Sommerbauer aber eine Lösung: Man stiftete vierzehn Tage Urlaub auf einer steirischen Alm!
Der Gewinner hatte sich selbst zu versorgen, Viecher waren ja genug da. Auch gab es zwar kein Badezimmer auf der Alm, aber ein Bach floss am Haus vorüber – und kaltes Wasser am Morgen ist immerhin gesund. Die zwei Wochen kosteten den Sender keinen Cent, nur die Bahnfahrt in die Steiermark hatte er zu bezahlen. Den Aufstieg hatte der Künstler zu Fuß zu bewältigen, aber möglicherweise wurde er auch von der Magd des Hausherrn in einem kleinen, geländegängigen Allradfahrzeug hinaufgefahren. Natürlich würde der Sender anschließend eine Dokumentation über den Almaufenthalt senden und das war dem Landwirt genug der Bezahlung. Matthias Huber würde 30 Minuten Sendung über seine Alm erhalten. Es musste doch mit dem Teufel zugehen, wenn da nicht ein paar Städter anbissen und seine Alm für die Ferien buchten! Ihm blieb nur zu hoffen, dass der Künstler auch etwas Schmackhaftes kochen würde, waren doch die Kochshows der große Renner bei allen Fernsehsendern!
Aber auch da konnte man ja nachhelfen. Herr Huber hatte zum Beispiel vor, seine Magd Kathi gelegentlich mit seinem japanischen Jeep raufzuschicken, damit sie dem Künstler beibrachte, wie man Kasnudeln macht. Dazu musste man dem Mädel nur vorher den Dirndlrock kurz abschneiden, damit ihre strammen Wadln zur Geltung kamen. Da hatte der Feriengast was von – und der Sender HB TV auch. Und im Übrigen, ein ganz kurzer Rock konnte natürlich auch der Werbewirkung für den Almaufenthalt keinesfalls schaden!

Somit fehlten dem Herrn Sommerbauer nur mehr die Kandidaten. Er machte also Eigenwerbung. Erst war der Werbespot in eigener Sache nicht sehr erfolgreich, weil kein Zuschauer den Sender HB TV einschaltete. Aber dann gelang es, in einer großen Tageszeitung den Malwettbewerb anzukündigen – und noch dazu hatte Herr Sommerbauer der Zeitung gar nichts für den kurzen Artikel bezahlt. Er war nur auf der Fernsehseite erschienen und die Zeitung trug das Risiko. In wenigen Tagen waren ein paar Interessenten gefunden:

Da war zum Beispiel der Herr Gustav Trommler. Der malte nicht nur, er trommelte auch! Und zwar hatte er ein komplettes Schlagzeug für Jazz- und Popmusik. Den Einwand, malen und trommeln könne er nicht gleichzeitig, wischte Herr Trommler zur Seite. Er könne sehr wohl erst eine Nummer auf dem Schlagzeug zum Besten geben und anschließend ein Bild malen! Das wäre der Überhammer in der Show.

Ein anderer, Herr Oliver Tichatschek, hatte eine ganz neue Methode erfunden: Er malte mit Dartpfeilen! Und zwar hatte er ein kleines Plastiksäckchen, gefüllt mit Farbe, an jeden Dartpfeil gebunden. Die Säckchen befanden sich vor der Dartnadel und er warf die Pfeile auf eine Papierfläche, so dass der Pfeil das Plastiksäckchen beim Auftreffen durchbohrte. Die Farbe spritzte auf das Papier – und voila! Das war erstens spektakulär und zweitens wusste man nie, was dabei rauskam – und mit harter Rockmusik unterlegt gab es eine schöne Vorstellung!

Übrigens, die Musik! Fast alle Teilnehmer an dem Wettbewerb bestanden auf einer Untermalung durch Geräusche, die alle in Molltonarten gehalten waren und die von einer Art „Gesang“ begleitet waren, der zumeist in Englisch gehalten war und nicht selten von Mord und Totschlag handelte. Und von Rauschgift. Das gehörte sich so, denn das waren die modernen Texte. Und modern wollte schließlich jeder sein, der da mitmachte!
Das ging sogar so weit, dass sich ein gewisser Brian Superior meldete. Das war natürlich ein Künstlername und der Bursche wollte mit einer ganzen Rockband antreten. Er werde ganz erstklassigen Rock bieten (na und halt ein bisserl malen, so nebenbei). Und diesmal werde er nicht rausgeschmissen werden, wie seinerzeit bei RTL, aber DSDS wäre ja ohnehin geschoben! Prompt engagierte Heinz Sommerbauer das selbsternannte Wunderkind des Rock und seine Mannen als musikalische Untermalung der Sendung.

Besonders gespannt war aber der Herr Sommerbauer auf eine gewisse Angelina Tomschitz. Die hatte angekündigt, in diversen artistischen Körperstellungen malen zu wollen, etwa im Spagat oder im Kopfstand. Von der Dame versprach sich Sommerbauer zumindest einiges Publikumsinteresse.

Und dann war es eines Tages soweit. In der Presse angekündigt, lockte der Wettbewerb immerhin so etwa 150 Zuschauer an, denn der Eintritt war frei und jeder aus dem Publikum sollte eine Schachtel Schokoladekekse mit Marmelade erhalten (gratis zur Verfügung gestellt vom Werbekunden Hochheimer Kekse). Das Hauptprogramm zur Prime Time begann mit einem ausführlichem Werbeblock: Nestlé, VW und Möbel Lutz eröffneten die Werbung, danach ein unappetitlicher Spot eines Zahnpastaherstellers, in dem viel Blut gespuckt wurde, es folgten vier Banken, ein Investmentfonds, ein Farbhersteller und etliche Waschmittel – und dann ging es endlich los mit dem Malen. Das heißt, Oliver Tichatschek malte nicht, sondern schmiss seine Pfeile auf einen Zeichenkarton. Die kleinen Plastiksäckchen verspritzen ihre Farbe und das staunende Publikum konnte feststellen, dass die Farben gelb und blau sich zu grün mischten. Dazu machte die Band von Brian Superior gehörigen Krach und ihr Star Brian rappte dazu – und zwar einen Text, der sich um Malerei drehte! Dass er sich überhaupt nicht reimte, erhöhte die Modernität des Gebotenen um ein Beträchtliches.

Es folgte der Auftritt der Angelina Tomschitz. Sie erschien in einem bunten Trikot auf der Bühne und ihr Anblick allein war schon eine Attraktion. Zuerst stellte sie eine Staffelei auf, allerdings tief am Boden. Und dann machte sie vor der Staffelei einen Kopfstand. Nur auf ihrem Kopf frei balancierend, ohne sich irgendwo abzustützen, malte sie mit Wasserfarben einen blühenden Strauch, der allerdings ebenfalls auf dem Kopf stand. Nach etwa zehn Minuten war sie fertig und nahm ein zweites, leeres Blatt. Nun machte sie vor der Staffelei einen perfekten Spagat indem sie erst in die Grätsche ging und diese so weit fortsetzte, bis ihre Beine seitwärts vom Körper abstanden. Diesmal malte sie etwa eine Viertelstunde und das Ergebnis war ein recht hübsches Geflecht von verschiedenen Blumen. Beträchtlicher Applaus!

Der wurde allerdings unterbrochen durch Herrn Mark Hegenbart. Dieser junge Mann war glatzköpfig, angetan mit einer Lederweste und ziemlich zerfetzten Jeans, dazu einer übergroßen Sonnenbrille – und, als sein Markenzeichen, zusätzlich mit dicken Ohrenschützern. Mark stürmte einfach die Bühne und hielt einen Vortrag: Diese Angelina wäre eine Schande für den Sender! Ja, gut, sie könne ein wenig malen, aber sie hatte keinerlei Songs zum Besten gegeben! Und Songs wären ja das Wichtigste überhaupt bei einer solchen Show! Ja, mehr noch, Songs wären das Wichtigste im ganzen Leben! Bei Songs könne man die Sau rauslassen und die Spießer angreifen, die nichts hielten von Rauschgift und die jeden Abend ins Bett gingen, ohne jemanden zu verprügeln. Und er, Mark Hegenbart, würde jetzt eine Nummer singen, dass den Spießern Hören und Sehen vergehen würde!
Und dann legte er los: Eine Melodie, die gar keine war und ein Text mit skandalösem Rhythmus, Reime suchte man ebenfalls vergebens. Als Begleitung hatte der Mark eine ganz billige Elektronenorgel, auf der er mitunter misstönende Akkorde anschlug. Kurz gesagt, es war eigentlich eine Katastrophe! Der Text war eine einzige Werbung für Crystal Meth und rohe Gewalt, die der „Künstler“ anpries, indem er mit Waffen herum fuchtelte, unter anderem mit einer Handgranate.

Da griff der Chef der Sendung ein: Herr Sommerbauer kam auf die Bühne und nahm dem Rüpel Hegenbart ganz einfach die Handgranate weg. Es war nur eine Attrappe. Dem jungen Mann hielt er einen Vortrag:
„Du Obergangster! Was erschreckst du die Leut so? I hätt jetzt fast die Kobra g'rufen! Die hätten dich ganz schön 'birnt, du Witzbold! Schleich di da abe von der Bühne! Verkomm, du Terrorist, du grauslicher!“
„Was willst denn du da? Du Spießer! Net einmal a Handgranaterl toleriert er! Das war doch eh nur a Spielzeug! Macht si da ins Hoserl, der Naturdepp! Gib her die Bomben!“
Dabei versuchte der Mark Hegenbart, die Handgranate wieder in die Finger zu kriegen. Sommerbauer deckte die Waffe mit seinem Körper und schrie: „Kommt's rauf da, Ihr blöden Affen! Steckt's den Verbrecher wo in a Loch und holts die Schmier!“
Aus dem Zuschauerraum kamen insgesamt vier Leute auf die Bühne, darunter zwei Kameraleute. Die anderen beiden waren ganz normale Zuschauer, die sich eine solche, zu erwartende Keilerei nicht entgehen lassen wollten. „Jetzt spieln s' Granada“, sagte einer von ihnen.

Es dauerte gerade einmal eine Minute, dann hatte der Hegenbart „seine Fotzen“. Benommen lehnte er an der Seitenwand der Bühne und hielt sich den Kopf. Brian Superior und seine Mannen intonierten wieder ihre kreischenden Songs und die Angelina Tomschitz trat wieder in Aktion (sozusagen zur Auflockerung nach der Prügelorgie). Diesmal aber, ohne zu malen. Sie organisierte sich aus dem Publikum zwei Sessel und machte zwischen den beiden Sitzgelegenheiten einen Spagat, indem sie je einen Fuß auf die Lehnen legte. Und dann kam einer der beiden Gitarristen plötzlich zu ihr herüber und drückte ihre Schultern nach unten. Angelika sank immer tiefer und ihre Beine spreizten sich noch weiter, bis sie in einem Winkel von etwa 200° zueinander standen. Angelika verzog schmerzlich das Gesicht, hielt aber die Verrenkung eisern durch. Ob sie dabei stöhnte, konnte man nicht hören, dazu war das Geräusch der Rockmusiker zu laut.
Sommerbauer kam heran und zog den Gitarristen zur Seite. „Rindviech, die hat doch Schmerzen!“, rief er dabei.
„Na und?“, sagte der Gitarrenspieler. „Kann sie's, oder kann sie's net?“
„Sie kann's! Siehst du ja! Aber trotzdem gibt das Dehnungsschmerzen!“
„Na, wenn sie's kann, muss sie das aushalten!“
„Brutaler Lackel!“
„Lassen Sie ihn“, sagte da die Angelina, die noch immer in ihrem Überspagat zwischen den beiden Sesseln verharrte. „Das halt ich schon aus und da geht noch mehr!“
„Ist doch aber nicht notwendig“, schränkte Sommerbauer ein.
„Eh!“, sagte der Gitarrist. „Rock Songs sind da notwendig! Harte Rocknummern! So was brauchen junge Leut'! Das und was zum Rauchen...“
„Ihr mit euren Rap-Nummern und Eurem Cannabis...“, ätzte Sommerbauer.
„Is doch besser als Schmierereien auf Papier! Wer braucht schon Papier? Höchstens zum Hintern auswischen!“
„Ihr habt ja keine Ahnung von der Kunst!“
„Aber ja doch! Graffiti, das ist Kunst! Farbe an Betonmauern und U-Bahnzügen! Papier braucht kein Schwein!“
„Aber Songs“, warf ein anderer ein, der Jeans trug, deren Schritt beinahe auf der Höhe seiner Knie war.
Jetzt wurde Sommerbauer leicht wütend: „Immer der Höllenlärm! E-Gitarren, die winseln und a Schlagzeug, das ein' Höllenkrach macht! Wozu braucht ihr das?“
„Weil bei Gewalt Lärm sein muss! Sonst macht's kein' Spaß! Wenn einer eine in die Goschen kriegt und er schreit net, das is ja unnatürlich!“
„Na, wenn einer in' Arsch 'treten wird, wird’s von den Windeln abg'fangen, da braucht er net schreien“, spielte Sommerbauer auf den tief herabhängenden Hosenboden der Jeans von dem Typen an. Der zuckte nur mit den Schultern und sagte: „Is ja cool, so was! Und heute musst' cool sein!“

Der Bildregisseur des Senders HB TV erkannte, dass die Veranstaltung voll in die Hose gegangen war und schaltete das Video einer alten Rock-Nummer auf Sendung. Das lief etwa dreieinhalb Minuten. Ihm folgte ein Werbeblock, der diesmal ziemlich lang war. Kinderschokolade, IKEA-Möbel, ein Computer, drei Haarlotions, eine Anti-Aging-Creme, ein Mineralwasser, alkoholfreies Bier, ein Geländewagen, eine Haushaltsversicherung und eine Internetseite für Wohnungsmietenvermittlung wurden angeboten. Und während die Werbung lief konferierten Herr Sommerbauer und der Bildregisseur in höchster Eile darüber, wie man die Sendung wieder in geordnete Bahnen lenken konnte. Ihnen fiel nichts Brauchbares ein.
Sommerbauer beschwerte sich darüber, dass die ganze Sache zu wenig vorbereitet war. Man hätte doch voraussehen müssen, dass die Wahnsinnigen auf einem Rockwettbewerb bestehen würden! Malerei wäre gerade bei den Jungen doch völlig aus der Mode gekommen! Sogar die „Zusatzattraktionen“, wie etwa die Spagatkünstlerin nützten da überhaupt nichts!
Dann müsse man eben auf den Zug aufspringen, meinte der Bildregisseur. Wenn es denn so viele dieser Rockbands gab, sollte man halt nachgeben. Der Werbebranche wären die Inhalte der Sendungen sicher völlig egal!
Na, und schließlich gab Herr Sommerbauer tatsächlich nach.

Als der Werbeblock endlich vorüber war, hielt er wieder einmal eine Rede: Er sprach vollkommen frei, hatte nicht einmal ein Konzept – und manchmal wirkte sie nicht ganz durchdacht. Außerdem machte er kein Hehl aus seiner Abneigung, was die harte Rockmusik betraf.
Er habe die Abneigung gegenüber der Malerei zur Kenntnis genommen. Wenn die Krachmacher eben auf einem Event für Rockmusik bestanden, hätte der Sender keine Veranlassung, auf Malerei zu bestehen. In etwa einem halben Jahr würde deshalb eine neuerliche Veranstaltung stattfinden, bei der Rockgruppen und einzelne Sänger und Sängerinnen gegeneinander antreten sollen. Auch wenn dabei nur unmelodischer Lärm herauskommen sollte. Offenbar war es ja das, was die heutige Jugend ansprach. Na, sei's drum! Der Termin würde noch rechtzeitig bekanntgegeben werden.

Darauf entstand Tumult im Saal: Mark Hegenbart legte sofort mit seiner Gitarre los und produzierte Missklänge höchster Qualität und die gesamte Bande der Vokalisten sang dazu in grauenhaften Molltönen und mit völlig unterschiedlichen Texten.
Herr Sommerbauer ernannte die Angelina Tomschitz zur Siegerin des Malwettbewerbes und überreichte ihr die Fahrkarte in die Steiermark. Gefolgt wurde diese Übergabe von einem ganz ausführlichen Werbeblock, hauptsächlich mit Spots für mehrere Automarken, Waschmittel, zwei Banken und wieder einmal Lutz-Möbel. Zwei Wochen später folgte eine Dokumentation über die Angelina Tomschitz auf der Alm, wobei die die Künstlerin mehrere Bilder von Blumen malte und sich dabei ganz sensationell verrenkte, aber auch die Kasnudeln zubereitete und mit grünem Salat verspeiste.

Der Sender HB TV brachte aber nie mehr eine Show, deren Gegenstand mit Malerei zu tun hatte. Die „Rockschlacht“, wobei die Betonung auf „Schlacht“ lag und immer einige Schlägereien stattfanden, wurde aber zu einem der beliebtesten Programme des Senders…

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