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Kunstgeschichte und Beruf: Was mache ich mit meinem Studium? Kunstvermittlung

Wie und zu welchem Ende studiert man Kunstgeschichte? Eine Frage, die nicht nur Absolventen des Fachs interessiert, sondern auch Anfänger. Wir haben bei Kunsthistorikern aus verschiedenen Bereichen nachgefragt und stellen ihren Berufsalltag in einer Interviewreihe vor. Heute ist Anett Göthe dran. Sie bietet individuelle Führungen an.

Frau Göthe, über Ihre Agentur Kunstconnect bieten Sie Führungen in Kunstmuseen, Galerien, aber auch in Künstlerateliers und experimentellen Kunsträumen an. Warum sollte man auf jeden Fall eine Führung bei Ihnen buchen?

Das Besondere an meinen Führungen ist, dass sie Unikate sind. Das heißt, selbst wenn man eine Führung zweimal bucht, bekommt man ein anderes Programm geboten. Denn jede Führung wird von mir neu konzipiert. Die einzelnen Komponenten, also die Künstler, die vorgestellt werden, die Ateliers, die Off-Spaces und andere Locations, wechseln immer. Und ich gehe auch auf individuelle Wünsche ein. Eine weitere Besonderheit stellt dar, dass ich Künstler und Galeristen mit einbeziehe. So kann man auch die Personen, die hinter den Kunstwerken stehen, kennenlernen.

Das hört sich unglaublich verlockend an, aber auch nach viel Arbeit für Sie.

Oh ja. Aber das ist einfach der Anspruch, den ich habe: immer wieder etwas Neues zu zeigen. Ich interessiere mich ja selbst für diese Inhalte, will neue Kunst, neue Künstler und neue Menschen kennenlernen. Und genau diese Leidenschaft versuche ich in die Führungen zu übertragen.

Wie und wann kam es zur Gründung von Kunstconnect?

Das war bereits Ende 2009. Der Grund war, dass ich so viele Ideen im Kopf hatte, die mich schon lange beschäftigten und die ich umsetzen wollte. Außerdem habe ich gemerkt, dass hier eine Art Marktlücke sein könnte. Direkt Künstler anzusprechen, in die Ateliers zu gehen und dort ihnen und ihren Kunstwerken zu begegnen, das war ein anderer Ansatz der Vermittlung, den es in dieser Form noch nicht gab.

Neben Kunstgeschichte haben Sie auch Kunstpädagogik und Literaturwissenschaften studiert. Wurden Sie an der Uni praktisch auf die Vermittlung von Kunst vorbereitet?

Kaum. Ich kann mich an ein einziges Seminar aus diesem Bereich in Kunstgeschichte erinnern, »Rundgang durch Frankfurter Galerien«. Hier wurde man ein bisschen an die zeitgenössische Kunstszene herangeführt. In Kunstpädagogik gab es ein sechswöchiges Pflichtpraktikum, das sehr viel Gestaltungsspielraum ließ. Ich bin im Rahmen dieses Praktikums in Galerien gegangen und habe herauszufinden versucht, wie die Vermittlung zwischen Künstler, Galerist und Galeriebesucher aussieht. Also auf welche Art Kunst in Galerien überhaupt vermittelt wird. Aber diese Richtung hatte ich, wie gesagt, selbst gewählt. Ansonsten gab es im Studium wirklich kaum praktisch orientierte Angebote.

Wo haben Sie Ihre praktischen Erfahrungen gesammelt?

Ich habe viel in Galerien gearbeitet. Außerdem habe ich im Kupferstichkabinett in Dresden ein Praktikum gemacht, was mir sehr viel Einblick in ganz andere Bereiche gegeben hat, beispielsweise in die Restaurierung und Verwaltung, aber natürlich auch in die Vermittlung.

Da waren Sie ja ziemlich breit aufgestellt. Wäre das auch etwas, das sie Studenten empfehlen würden?

Ja. Ich glaube es ist entscheidend, dass man sich ganz viel anschaut und mit unterschiedlichsten Menschen spricht. Das ist natürlich immer etwas Individuelles, aber für mich war dieses Hineinschnuppern in unterschiedlichste Bereiche enorm wichtig, um herauszufinden, was mir liegt und wohin es gehen soll. Auch die Erkenntnis »Das ist nichts für mich« ist sehr wichtig.

Sie haben nach Ihrem Studium einige Jahre in der Kunstsammlung der Deutschen Bank in Frankfurt und London gearbeitet, außerdem in unterschiedlichen Galerien in Wien. Wie hat sich Ihr damaliger Arbeitsalltag von Ihrem heutigen unterschieden?

Heute arbeite ich viel selbstbestimmter und kreativer. Ich entscheide selbst, was wichtig ist und welche Führung ich wie konzipiere. Ich kann einfach eigene Ideen umsetzen. Außerdem habe ich sehr viel Kontakt mit tollen und interessanten Menschen, was eine große Bereicherung für mich ist. Aber natürlich habe ich jetzt auch mehr Verantwortung. Was diese Tätigkeit außerdem mit sich bringt, sind unregelmäßige Arbeitszeiten, oft in den Abendstunden und am Wochenende.

Gibt es auch finanziell einen Unterschied?

Was ich sicher aus Erfahrung sagen kann: Man muss in der Selbstständigkeit einfach viel, viel mehr arbeiten um auf das Gehalt zu kommen, das man vielleicht im Angestelltenverhältnis bekäme. Man muss also ganz klar lieben, was man tut.

Sie haben 2014 Ihre Dissertation über die Rezeption der japanischen Kunst und des Japonismus in Dresden um 1900 beendet. Woher kam die Motivation neben der Arbeit noch zu promovieren?

Neben der zeitgenössischen gilt meine Leidenschaft schon seit dem Studium der japanischen Kunst. Vor allem die Ukiyo-e-Farbholzschnitte haben mich schon früh sehr beeindruckt und nie wieder losgelassen. Bei meinem speziellen Dissertationsthema habe ich einfach Forschungsbedarf gesehen und war neben meiner Arbeit unglaublich motiviert, an dieses Thema ranzugehen. Dazu kommt natürlich, dass ein Doktortitel im Kunstbetrieb schon ein wichtiges Differenzierungsmerkmal ist. Das hört sich vielleicht oberflächlich an, aber es war auch wichtig für die Außenwirkung. Es gibt so viele Kunsthistoriker auf dem Markt, da ist eine Spezialisierung, denke ich, noch einmal wichtig.

Sie scheinen in der Frankfurter Kunstszene unglaublich gut vernetzt zu sein. Haben Sie Tipps für den Aufbau eines solchen Netzwerks?

Irgendwelche Taktiken gibt es nicht. Es braucht ganz klar Zeit. Und ist abhängig von der Persönlichkeit. Man muss das gerne machen und wirklich gleichermaßen an Kunst und an Menschen interessiert sein. Seien es die Galeristen und Künstler oder diejenigen, welche die Führungen letztendlich buchen, man muss einfach Spaß daran haben, neue Menschen zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen. Daneben braucht man eine Verbindlichkeit und Beständigkeit diesen Menschen gegenüber. Es ist immer auch ein Geben und Nehmen.

Wie bereiten Sie sich auf eine Führung vor?

Ich erstelle erst einmal ein Konzept. Das stelle ich dann den Künstlern, Galeristen oder Off-Space Betreibern vor, habe also viele Besprechungen über mögliche Termine und Abläufe. Dann setzte ich mich mit jedem Künstler, den ich vorstelle, intensiv auseinander. Ich erarbeite mir seine Werke, spreche mit ihm, gehe ins Atelier und schaue mir alles an. Es ist viel Recherche und Aufbereitung von Informationen, aber mir ist wichtig, dass alles fundiert ist.

Was tun Sie, wenn bei einer Führung mal etwas schiefläuft?

Wenn man gut vorbereitet ist und auf ein breites Wissen zurückgreifen kann, kann eigentlich nichts richtig schiefgehen. Und falls es doch mal passiert: authentisch bleiben. Es ist natürlich auch schon mal vorgekommen, dass ein Künstler kurzfristig krank geworden ist. Dann muss das Netzwerk greifen. Habe ich ein anders Atelier, das ich einbauen kann? Kann ein anderes Künstlergespräch etwas verlängert werden, um die Zeit zu überbrücken? Organisationstalent kann also auch einiges abfangen.

Was ist Ihrem Erfahrungswert nach wichtig, um als selbstständiger Kunstvermittler auf dem Markt zu bestehen?

An erster Stelle stehen ganz klar das Interesse und die Leidenschaft für die Kunst. Unerlässlich ist auch ein breites Wissen, das man sich über die Jahre erarbeiten muss. Und daneben: Ausdauer und Beständigkeit. Natürlich gibt es auch mal Rückschläge, eine Führung wird nicht gebucht, es läuft einfach nicht wie es soll. Hier darf man auf keinen Fall gleich aufgeben, sondern einfach weitermachen. Wenn man etwas mit Leidenschaft, fundiertem Wissen und Ausdauer macht, dann wird es auch Erfolg haben, davon bin ich überzeugt.

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