Ausstellungsbesprechungen

Landsucher – Realismus trifft Abstraktion. Photographien von Irek Kielczyk und Hans Strand, Candela Project Gallery, München, 5. Februar bis 3. April 2010

Mit „Landsucher“ präsentiert die Candela Project Gallery in Zusammenarbeit mit Kilian Müller-Wohlfahrt in den großzügigen Praxisräumen des Zentrums für Orthopädie und Sportmedizin in München vom 5. Februar bis 3. April 2010 die Arbeiten der international bekannten Photographen Irek Kielczyk und Hans Strand, deren Werke sich um das Themenfeld Bewegung durch die und in der Natur gruppieren. Dabei stehen neben der „realistischen“ Annäherung an das Sujet „Natur“ zugleich abstrahierende Form- und Farbspiele im Fokus des künstlerischen Interesses.

1990 nach Südafrika ausgewandert, näherte sich Irek Kielczyk (*1967 in Warschau, Polen) in einem autodidaktischen Studium der Photographie. In Kapstadt arbeitete er daraufhin als Assistent für Bruce Weber, kehrte aber Mitte der 90er Jahre nach Polen zurück, wo er fortan für diverse Modemagazine photographierte. Einhergehend mit der Umstellung auf die digitale Photographie veränderten sich dann seine Arbeitsweise und Motivwahl, so dass Mode- und Portraitaufnahmen vom Interesse an einer neuen, abstrakteren Bildsprache abgelöst wurden. Seither ist Kielczyk an der Vermittlung eines vom Gegenstand gelösten Bildverständnisses gelegen und Form und Farbe stehen in ihren freien, ungegenständlichen Entfaltungsweisen im Zentrum seines Schaffens.

Durch übermäßig langes Belichten, Verwackeln und Bewegen der Kamera während der Belichtung verwandeln sich Objekte und Figuren und erhalten eine anziehende, bisweilen märchenhaft verrätselte Eigendynamik. Dergestalt mutieren Bäume in Kielczyks Waldaufnahmen zu filigranen Halmen, werden aus einem angestrahlten Milchglasfenster wehend rote Haare, verschmelzen tanzende Frauengestalten zu Lichtwirbeln und Farbondulationen. In Kielczyks Arbeiten, in denen bewegte Strichakkumulationen sich auflösenden Objekten gegenüberstehen oder Farbstaccatos sanft fließenden Farbfigurationen begegnen, artikuliert sich eine Entmaterialisierung und Abstraktion von Figur und Landschaft, die für den Betrachter in höchstem Maße anziehend wirken.

Demgegenüber erforscht Hans Strand (*1955 in Marmaverken, Schweden) in seinen photographischen Werken die Landschaften dieser Welt, von arktischen Gletschern über Ozeane, Wüsten und Lavafelder bis hin zum tropischen Regenwald. Dabei dokumentieren die Geophotographien des ehemaligen Ingenieurs den Ist-Zustand der jeweiligen Landstriche, wobei es nicht primär um das „Aufzeichnen“ des Wandels geht – etwa von zurückgehenden Gletscherzungen –, sondern um die aktuelle Ästhetik des gewählten Naturausschnittes. Um diese atemberaubende Schönheit der Natur im Kontext einer zunehmenden Bedrohung durch den Klimawandel zu bewahren, fängt der Künstler sie in seinen Arbeiten ein, friert den Augenblick sozusagen im Bild ein und gestaltet ein ganz eigenes Arkadien.

Strands besonderes Augenmerk liegt insofern auf den von der Natur vorgegebenen, nicht von einem Künstler arrangierten Komposition und Farbregie, weshalb er in seinen Photographien die Farben und Landschaftsbewegungen möglichst naturgetreu einzufangen versucht, denn – so die Formulierung des Künstlers – „[t]he wilderness is the mother of all living things. It is always honest and never trivial.“ Was also sind diese Aufnahmen anderes als eine bezaubernde, sehnsüchtige Ode an die Zeit und eine lebendige, mitreißende Prosa eines Künstlers über die faszinierende Vielfalt der Erscheinungen in der Natur?

Der Candela Project Gallery gelingt mit der Ausstellung „Landsucher – Realismus trifft Abstraktion“ ein wunderbarer Griff in die Schatzkiste ästhetisch hochrangiger Gegenwartsphotographie. Während die Arbeiten Irek Kielczyks sich von der Gegenständlichkeit entfernen, Farben und Formen zusehends temporeicher, experimentierfreudiger werden, sind die Arbeiten von Hans Strand eine behutsame und „entschleunigte“ Annäherung an die Natur, die der Künstler durch die Linse der Kamera neu entdeckt. Fazit: Watteweich und messerscharf, leichtfüßig und lebenssatt, verspielt und ernsthaft zugleich lassen diese Photographien Welten ineinander fallen, kurz: ein wirkliches Seherlebnis!

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