Buchrezensionen

Lardinois, Brigitte (hrsg.): Magnum Magnum, Sonderausgabe, Schirmer/Mosel Verlag, München 2008

Das Familienbild zum 60. Geburtstag in New York zeigt eine ausgelassene Sippschaft. Ein Kreis höchst exklusiver Namen, ja fotografierende Erlauchtheiten unter sich. Es ist eine Versammlung der Lebenden und der Toten, denn auch die legendären Gründungsväter wurden in die Mitte genommen, als Fotoportraits versteht sich. Im Hintergrund der vielen lachenden Gesichter hebt man die Sektflöten und, als seien es Trophäen oder Keulen, die leer getrunkenen dunkelgrünen Flaschenbäuche. Man zeigt: Am Anfang war der Champagner.

In der legendären Gründungsfeier in Paris war es nämlich angeblich solch eine Champagnerflasche von doppelter Größe, die der ersten unabhängigen Fotoagentur ihren Namen gab: eine MAGNUM (gleichlautend übrigens mit jenem Revolverkaliber, dem unweigerlich jeder Westernfreund schon begegnet ist). Und tatsächlich, vielleicht trifft in besonderem Maße auf diese Fotografen zu, was Henri Cartier-Bresson einmal behauptete: Fotografie sei wie Schießen – „richtig zielen, schnell schießen und abhauen“.

Die vier längst unsterblich gewordenen Fotografen Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, David „Chim“ Seymour und George Rodger hoben MAGNUM am 27. April 1947 aus der Taufe. Die Gründungsväter kamen aus verschiedenen Ländern, aber es einte sie der gemeinsame Wunsch, die Rechte über die eigenen Bilder gegenüber den großen Magazinen und Agenturen besser sichern zu können. Nicht nur der Ungar André Friedman, genannt Robert Capa, hatte nämlich vor nunmehr gut 60 Jahren festgestellt, dass „ein Journalist Nichts [ist], wenn er nicht die Rechte an seinen Negativen besitzt“. Damit setzte sich MAGNUM auch für die hohe künstlerische Qualität der Fotografie als Kunst ein, nicht nur des Fotojournalismus. Das scheint gerade heutzutage dringender denn je zu sein, ist es doch oftmals so, dass ein Bild nur scharf und billig, nicht gut sein muss, wie Thomas Hoepker, der deutsche Präsident von „MAGNUM Photos“ resigniert feststellte.

Zugegeben, der hier besprochene Band „MAGNUM MAGNUM“ ist keine Neuerscheinung. Aber auch im Jahr 60 + 1 dieses Elitezusammenschlusses der Fotojournalisten gilt es zu entdecken, welch unglaubliche Kunst Fotojournalismus sein kann. Als zum Jubiläum 2007 der im deutschsprachigen Raum herausragende Münchner Verlag Schirmer/Mosel diesen mit mehr als 5 Kilogramm nicht gerade leicht zu nehmenden Band veröffentlichte, war er binnen kurzer Zeit ausverkauft. Nun erscheint im geringfügig verkleinerten Format der Bildband „MAGNUM MAGNUM“ zum zweiten Mal. Und auch er ist wirklich ein Magnum, ein Maßstab setzender Band in der Klasse Schwergewicht.

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Die durchweg erstklassigen Reproduktionen stammen, versteht sich, aus den Archiven der Fotografen selbst. Sie fangen ein, was das Leben ist: brutal, ergreifend, komisch, zärtlich, unbeschreiblich. Es sind die Bilder, die uns Abend für Abend im Fernsehen heimsuchen, - nur viel eindringlicher und mit dem unvergesslichen menschlichen Gesicht dahinter. Es sind Bilder von Krieg, Armut, Unschuld und Gesten der Menschlichkeit. Nur wenn man nah herangeht, kann man gute Fotos machen, war und ist eine der Devisen der tollkühnen MAGNUM-Meister.

Die Konzeption dieses Bandes ist vollauf gelungen. In den erlauchten Kreis der MAGNUM-Fotografen wird man berufen, wenn man als würdig erachtet wird. „Man liebt sie alle, aber man mag nicht jeden einzelnen von ihnen“, sagt die Altmeisterin Eve Arnold über diese family. Deshalb hat sich ein Individualist die Bilder eines anderen Individualisten ausgesucht und verbirgt auch in seiner Kommentierung den subjektiven Blick mit keinem Wort. Eine rigorose Beschränkung auf wenige Bilder macht die Vielgestaltigkeit und den Generationenwechsel in harten Schnitten deutlich. Eine Portalseite gibt die nötigsten Daten zum curriculum vitae der einzelnen Fotografen, gefolgt von einer Seite, auf der in sehr persönlicher Weise ein Fotografenkollege Fingerzeige gibt, was ihn an den Bildern anspricht – nie mehr als 6 Fotografien. Das ist ungemein anregend und fordert zu einer sehr persönlichen Begegnung heraus.

Die Fotografen sind Draufgänger an allen Fronten und Brennpunkten des menschlichen Lebens. Zeitzeugen auf der Straße, die ihre Respektlosigkeit mit der Kamera wie antike Tragödienspieler mit einer Maske vor dem Gesicht tarnten. „Ich bin ein Spieler. Ich beschloss an der ersten Landungswelle teilzunehmen“, sagte schon Robert Capas über die Invasion der US-Amerikaner in der Normandie. In dieser Tradition dokumentiert der Fotoband den Bildjournalismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und legendäre Fotoessays, die mit Zeitschriften wie „Look“, „Life“, „Paris Match“, „Stern“ verbunden sind. Das Buch dokumentiert aber auch einen mediengeschichtlichen Umbruch von der Illustriertenreportage zur mehr und mehr skeptischen Selbstreflexion der Gegenwart, die uns immer häufiger beweist, wie sehr Bilder lügen können.

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