Ausstellungsbesprechungen

Lastman, Pieter– In Rembrandts Schatten?

Mit der Ausstellung „Pieter Lastman – In Rembrandts Schatten?“, die bis 30. Juli 2006 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen ist, wurde eine behutsame Annäherung an einen überaus interessanten und vielschichtigen Künstler gemacht. Denn das Werk des in Amsterdam geborenen Malers Pieter Lastman (1583-1633) bezieht in der Entwicklung der Historienmalerei in Holland eine herausragende Stellung.

Bereits zu Lebzeiten wird er in einem 1618 verfassten Gedicht „Lob auf die Stadt Amsterdam“ als der bedeutendste Maler seiner Heimatstadt gefeiert. Häufig beziehen sich Gedichte dieser Zeit direkt auf Bilder Lastmans, so dass „dieser Bezug zwischen Text und Gemälden […] für eine ausgedehnte Rezeption in den intellektuellen Kreisen und andererseits für eine Nähe Lastmans zum seinerzeitigen Theatermilieu“ (Kat. S.9) spricht. Diese Nähe merkt man auch seinen Figuren an, die bisweilen wie in einem Tableau vivant, d.h. wie lebendige Bilder erscheinen.

Die Ausstellung präsentiert ungefähr 25 Gemälde von Lastman, Gemälde von Rembrandt sowie Zeichnungen und 40 druckgraphische Werke Rembrandts und schafft damit eine breite Basis für einen Dialog der Werke miteinander. In den ausgestellten Gemälden hat Pieter Lastman durch seine besondere Art der Bildfindung den biblischen Text zu einer ganz neuartigen Komposition verarbeitet. Wenn auch die Lesbarkeit dieser biblischen Szenen für den heutigen Betrachter nicht mehr einfach ist, da Lastman häufig verschiedne Lesarten oder Evangelien in einer Bildfassung kombinierte, so bleibt doch die Sprache der Figuren, also ihre Gestik und Mimik, nachvollziehbar. Ähnlich ist es bei den Themen, die Lastman der Mythologie oder der römischen Geschichte entnahm; auch hier ist der Gestus der Figuren vorrangig, die die Arbeiten dem Betrachter nahe bringen, ihn die Situation spüren lassen, ohne dabei vielleicht die Geschichte, die dahinter steht, zu wissen.

Pieter Lastman galt den Zeitgenossen als ein großer, bedeutender Maler. Doch seit dem 19. Jahrhundert zählte weniger seine eigene Leistung als vielmehr die Tatsache, dass Rembrandt für einige Monate bei ihm gelernt hatte. Was aber macht den Unterschied dieser beiden Künstler aus? Wie ist ihre künstlerische Verwobenheit? Und kann man wirklich sagen, dass Lastman ein Schattendasein gegenüber der leuchtenden Gestalt Rembrandts führte? Diesen und ähnlichen Fragen sucht die Hamburger Ausstellung nachzugehen.

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Sicher sind Lastmans Ausformulierungen der Emotionen auf die Köpersprache seiner Figuren beschränkt, wirken diese doch zumeist statisch und stumm. Doch für den Betrachter wird in diesem Augenblick der hinter dem Bild sich verbergende Texte wichtig. Lastman gelang es nämlich durch das „in Szene setzten“ von beispielsweise biblischen Texten, einen innovativen Erzählgestus zu evozieren. Im Gegensatz dazu empfindet Rembrandt in jeder einzelnen Person „die Kausalität, die Entscheidung und die Konsequenz“ nach (Kat. S. 84). „Rembrandt steigert die Lebendigkeit und Bewegtheit der Bildfiguren derart, dass ihre Expressivität eine Wirkung erzeugt, die im Leben nur Körpersprache und Sprechakt gemeinsam erzielen können.“ (ebd.) Rembrandt bezieht sich daher weitestgehend auf die Idee des gesprochenen Wortes. Diese Idee werden durch die Mittel der Komposition, wie das Licht- und Schattenspiel und die Rauminszenierung durch Einteilung in Vorder- und Hintergrund unterstützt.

 

Trotz dieser unterschiedlichen Formulierungen von Themen, war die Beziehung der beiden Künstler lebenslänglich und von Intensität geprägt: Rembrandt griff auf zahlreiche Motive Lastmans zurück und verbreitete diese durch seine Mitarbeiter. Wichtig erscheint darüber hinaus, dass Rembrandt die Auffassung Lastmans, wie beispielsweise die stumme Sprache des Körpers, keineswegs in Frage stellte, sondern sie in seiner eigenen Manier verwendete und sie in seine eigene Sprache transformierte. Martina Sitt schließt daraus, dass „Lastman bei genauer Betrachtung weniger in Rembrandts Schatten [stand], sondern mit größerer Berechtigung als dessen Wegbereiter betrachtet werden“ kann. (ebd.)

Der Hamburger Ausstellung ist es gelungen einen Überblick über das Werk Lastmans zu zeigen und mittels der reichen, eigenen Sammlung an ausgewählten graphischen Arbeiten Rembrandts, diesen vielschichtigen Bezügen im Detail nachzugehen. Die Gemälde sind so gehängt, dass sich ein Dialog der Arbeiten untereinander entwickeln kann, so etwa bei den Gemälden „Die Verstoßung der Hagar“, das Pieter Lastman 1612, sein Künstlerkollege Jan Pynas 1614 gestaltete und Rembrandt schließlich in einer Nachzeichnung zu Lastman um 1637 erarbeitete. Insgesamt zeugt Pynas’ malerischer Gestus gegenüber Lastmans in den Details, der Stofflichkeit oder auch der Lichtbehandlung von einer geringeren zeichnerischen Differenzierung. Aber gerade indem sich die Werke begegnen, zeigen sie ihren unterschiedlichen Umgang mit Themen und Arbeitsweisen, sodass erst dadurch eine Spannung evoziert wird, die den Betrachter packt und ihn in einer längeren Auseinandersetzung vor den Werken verweilen lässt.

Die Ausstellung „Pieter Lastman – In Rembrandts Schatten?“ ist mit ihrer Mischung aus spannenden Vergleichen, durchdachten Positionierungen der Werke und der Annäherung an ein wunderbares Thema eine lobenswerte Präsentation gelungen. Denn viel zu oft wurde Pieter Lastman als das Medium des Einflusses auf Rembrandt vorschnell beurteilt. Dabei zeigt der differenzierte Blick, dass Lastmans Kunst auch ohne Rembrand eine große Bedeutung für die Kunstgeschichte hat und in vielerlei Hinsicht wegweisend war.
 

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Zur Ausstellung ist ein umfangreiches Katalogwerk erschienen, das durch die stoffliche Komprimierung, die wissenschaftliche Fundierung und die gerade bei den Bildbeschreibungen flüssige, metaphorische Sprache sowie das ausdruckstarke und in großen Mengen herangezogene Bildmaterial zu überzeugen weiß. In der Einführung wird durch Christian T. Seifert die Stellung und Rolle Pieter Lastmans in der niederländischen Kunst vorgestellt, wobei auf Einflüsse sowohl von Lastman auf das Werk anderer Künstler, als auch der Einfluss anderer Künstler, wie etwa Rubens oder Caravaggios, auf Lastman nachvollziehbar dargestellt wird. In einem zweiten Beitrag stellt Adriaan E. Waiboer Lastmans Opferdarstellung ins Zentrum und hinterfragt deren weit reichende Wirkung. Und schließlich widmet sich Martina Sitt, die Herausgeberin des Kataloges, mit ihrem Beitrag der Lehrer-/Schüler-Beziehung zwischen Lastman und Rembrandt, indem sie durch ausgewählte Bildanalysen diesem Thema nachspürt.

Wichtig und für die Anschauung und das Verständnis der Werke, sind die jedem Fachbeitrag folgenden kunstwissenschaftlichen Bildanalysen, die dem hohen Erklärungsbedarf der Lastmanschen Werke entgegenkommen. Ein weiterer sehr positiv zu bewertender Aspekt des Katalogs sind die angefügten Kurzbiographien zu Pieter Lastman, Rembrandt Harmensz van Rijn, Jan Pynas und Jan Tengnagel, sowie die Anmerkungen zu den in der Ausstellung zu sehenden Werken und das umfangreiche Literaturverzeichnis.
 

 

Weitere Informationen


Öffnungszeiten
Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr
Mo geschlossen

Eintritt
8,50 € (Ausstellung inkl. Museumsbesuch
ermäßigt 5 €

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