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Leandro Erlich: „Schwerelos“ im Kunstmuseum Wolfsburg, bis 13.7. 2025

Mit zahlreichen Wow-Effekten eröffnete die Ausstellung „Leandro Erlich. Schwerelos“ im Oktober die neue Kunstsaison. Seither beeindruckt die Werkschau des Argentiniers mit ihren atemberaubenden Illusionen, wie etwa einem riesigen, begehbaren Mond, der in der 16 Meter hohen Halle des Museums gelandet ist. Währenddessen hängt ein zweistöckiges Haus in luftiger Höhe, sind zarte Wolken in Vitrinen gefangenm lädt ein Raumschiff dazu ein, scheinbar schwerelos zu schweben. Konrad Donhuijsen hat sich diese unendlichen Weiten angesehen.

Leandro Erlich, Moon, 2024, innerhalb der Installation, Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski
Leandro Erlich, Moon, 2024, innerhalb der Installation, Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski

Schwerelosigkeit und Kunst: eine komplexe Beziehung, zu der so viele Konstellationen zu nennen wären, dass man eine konkrete Umsetzung des Themas gar nicht erwartet. Umso mehr wird man überrascht, wenn man die Ausstellung betritt. Durch einen schwarzen Vorhang tastet man sich in einen dunklen Raum. Dieser erhellt sich allmählich mit der Adaption und weitet sich zu einem einzigen hohen Ausstellungsraum.

Leandro Erlich, Moon, 2024, innerhalb der Installation, Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio, Foto: Marek Kruszewski
Leandro Erlich, Moon, 2024, innerhalb der Installation, Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio, Foto: Marek Kruszewski

Beherrscht wird dieser durch eine fast zur Decke reichende große weiße Halbkugel, mit kraterüberzogener Oberfläche, also zweifellos unser Mond. Unweit daneben steht im Dämmerlicht eine raketenartige silberfarbene Konstruktion von 13 m Höhe, die von innen beleuchtet ist. Das dritte Großobjekt ist ein zweigeschossiges Haus im Maßstab 1:1. Es hängt in der Luft etwa 3 m Meter über dem Boden und aus seiner Basis ragen lange Wurzel nach unten. Bodennah schweben weiße Wolkengruppen über dem Boden, in Vitrinen gefangen. Und was ist mit der Decke des kubischen Raumes? Diese zeigt eine großflächige Landkarte wie bei Google earth mit Feldern, Wiesen und Wegen. Die Polstergruppen auf dem Boden erleichtern ihre Betrachtung von unten.

Leandro Erlich, The Cloud, 2018 – 2022 Ausstellungsansicht, Liminal, Pérez Art Museum Miami, 2022, Courtesy Leandro Erlich Studio Foto: © Leandro Erlich Studio
Leandro Erlich, The Cloud, 2018 – 2022 Ausstellungsansicht, Liminal, Pérez Art Museum Miami, 2022, Courtesy Leandro Erlich Studio Foto: © Leandro Erlich Studio
Leandro Erlich Spaceship, 2024 innerhalb der Installation Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski
Leandro Erlich Spaceship, 2024 innerhalb der Installation Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski

Nähert man sich den Objekten, sieht man durch die erleuchteten Fenster und die verschlossene Tür des nichtbegehbaren Hauses Einrichtungsgegenstände schwerelos in den Räumen verteilt schweben. Neugierig umschreitet man das Gebäude. Wohnraum, Arbeitsraum und Küche werden durch Objekte der 60er Jahre und passend zum klassizistischen Stil des alternden Hauses definiert. Bewohner finden sich nicht.
Die Rakete dagegen kann im oberen und unteren Teil betreten werden. Die Besucher sehen sich im hell beleuchteten Innenraum scheinbar schwerelos schweben, mal vertikal, mal horizontal, je nach Anordnung von Spiegeln - eine fotogene Attraktion.

Ausstellungsansicht Leandro Erlich. Schwerelos im Kunstmuseum Wolfsburg Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski
Ausstellungsansicht Leandro Erlich. Schwerelos im Kunstmuseum Wolfsburg Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski
Leandro Erlich Pulled by the Roots, 2015/2024 Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski
Leandro Erlich Pulled by the Roots, 2015/2024 Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio Foto: Marek Kruszewski

Schließlich das Hauptobjekt, der Mond. Der Zutritt ist streng reglementiert. Nur acht Personen (mit Überschuhen) sind gleichzeitig möglich. Wartezeiten vor allem am Wochenende sind einzuplanen. Man betritt in der Halbkugel auf eine große Glasfläche und die Inszenierung beginnt. Ein Sternenhimmel leuchtet auf, unterschiedliche Galaxien wirbeln um den Betrachter, die Milchstraße, Feuerbälle und Planeten tauchen auf. Alles dreht sich oben und unten, mal ruhig, mal schnell, mal gedimmt, mal grell. Jeder Fixpunkt für die Augen fehlt. Man schwebt tatsächlich schwerelos im grenzenlosen All. Das ist überraschend anstrengend, physisch und mental, besonders für ältere Menschen, bei denen Koordination und muskuläre Feinmotorik zwangsläufig reduziert sind. Der Blick von einem Ausguck auf der Mondoberfläche oder der Raketenspitze in die Tiefe des Raumes erlaubt das perspektivische Sehen von außen.

Leandro Erlich, Moon, 2024, innerhalb der Installation, Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio, Foto: Marek Kruszewski
Leandro Erlich, Moon, 2024, innerhalb der Installation, Kunstmuseum Wolfsburg, 2024, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg und Leandro Erlich Studio © Leandro Erlich Studio, Foto: Marek Kruszewski
Leandro Erlich Foto: Juano Tesone
Leandro Erlich Foto: Juano Tesone

Der Künstler Leandro Erlich, 1973 in Buenos Aires, Argentinien geboren, ist seit vielen Jahren für seine Konzeptkunst bekannt (Biennalen in New York 2000, Venedig 2001, 2005 und Istanbul 2002). Die Wolfsburger Installation ist seine erste monographische Ausstellung in Deutschland. Ihre technisch sehr aufwendige Konstruktion passt gut zur Autostadt Wolfsburg. Seine Kunst spricht jeden Besucher direkt an und funktioniert auch ohne Hintergrundwissen. Dabei wird die Frage nach der Wirklichkeit, das Spiel mit den Sinnen, die Position im Raum und das Verhältnis von Technik und Mensch nachdrücklich und amüsant gestellt, ohne vordergründig zu problematisieren. Das konzeptionelle Spiel einer scheinbar schwerelosen Welt mit dem deutsch klingenden Künstlernamen Erlich unterstreicht die Ironie der sehenswerten Präsentation.

Die Ausstellung dauert bis zum 13. 7. 2025
Kein Katalog, aber ein Beitrag im Art Magazine Dez. 2024 für 12 Euro.

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