Ausstellungsbesprechungen

Lederer, Helmut. Das fotografische Werk 1937-1981

Mit der Retrospektive des fotografischen Werks von Helmut Lederer (1919-1999) hat das Museum Sankt Ingbert ein nahezu im Verborgenen entstandenes Oeuvre, dem eine bedeutende Position in der internationalen Fotografiegeschichte der Nachkriegszeit zukommt, wiederentdeckt.

Schon in seiner Jugend beschäftigte sich Helmut Lederer als Autodidakt mit der Fotografie. Nach einer kurzen Tätigkeit als Filmfotograf und Assistent des Regisseurs Robert Land in Prag, nahm er 1939 jedoch ein Bildhauerstudium an der Wiener Akademie der bildenden Künste auf. 1945 beendete Helmut Lederer sein Studium. Anfang der 1940er Jahre unternahm er eine mehrmonatige Studienreise durch Italien, die ihm Anlass zu einer intensiven Beschäftigung mit der Fotografie gab. Helmut Lederer entwickelte sich zusehends zu einem ambitionierten und mit Talent ausgezeichneten Künstlerfotografen. Internationale Beachtung wurde ihm bei seiner Beteiligung an den legendären Ausstellungen „subjektive fotografie 1-3“ (1951, 1954 und 1958) zu Teil. Diese Ausstellungen, die in Saarbrücken unter Otto Steinert vor 54 Jahren ihren fantastischen Anfang nahmen, wurden für Lederer zum Schlüsselerlebnis, denn er erhielt in der Folgezeit zahlreiche Auszeichnungen und wurde in Veröffentlichungen verstärkt gewürdigt.

Gegenstand seines fotografischen Interesses waren Sujets wie Gesicht und Körper, Reisen, Stadt und Landschaft, Kunstwerke und Künstler oder er widmete sich den experimentellen Möglichkeiten der fotografischen Abstraktion. Im Ganzen darf bei Lederer aber nicht vergessen werden, dass er die Bildhauerei stets Priorität für ihn hatte. Dennoch steht das fotografische Werk in einer engen Wechselbeziehung mit seiner Tätigkeit als Zeichner und Bildhauer. Die Fotografie wurde zur gestalterischen Grundlage, durch die er seine Bildsprache formen konnte und als Anregung mit in sein Bildschaffen zu integrieren vermochte. Lederers Fixpunkt war von Anfang an das Zusammenspiel von fotografischer Technik und Bildgegenstand. Er suchte den Kontrast von Schwarz-Weiß, die Struktur und die Form, die Perspektive und den Ausschnitt sowie die Bildschärfe und –unschärfe in seinen Fotografien einzuarbeiten. Dabei war gerade dieses Herantasten an den Gegenstand – zunächst durch die Linse – für seine Bildhauerarbeiten von immanenter Wichtigkeit.

Die Ausstellung „Helmut Lederer. Das fotografische Werk 1937-1981“ zeichnet mit einer Auswahl von 130 Schwarz-Weiß-Fotografien auf sensible Weise den Weg des Künstlers von der „subjektiven fotografie“ über die abstrakten Experimente mit der Fotografie bis hin zur Rückkehr zu einem Stil der „poetischen Dokumentation“ nach. Bereits beim Betreten der Ausstellungsräume wird der Besucher von sehr zärtliche anmutenden, einfühlsam ins Bild gesetzten Frauenakten empfangen, die aber gleichzeitig den weiblichen Kurven frönen und den Frauenkörper in seiner fließenden Beschaffenheit huldigen.

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Aber nicht nur der klar erkennbare Gegenstand hatte für Lederer seinen Reiz, denn schon nach kurzer Zeit gelangt der Besucher zu abstrakten Formen der Fotografie, wie etwa der Darstellung von eng zusammengerollten Stoffballen, die auf den ersten Blick keineswegs als solche zu identifizieren sind. Es sind Bildausschnitte, die gerade durch ihren Ausschnittscharakter an Ästhetik gewinnen. Auf diese Weise lassen die Fotografien den Betrachter – etwa in dem Gegenstand des einfachen Stoffballens – etwas Außergewöhnliches, ja geradezu Reizvolles erkennen.

Entgegen dieser abstrakten Bildsprache, die Lederer in den 1960er Jahren angenommen hatte, kehrte er insbesondere in den letzten Jahrzehnten zu einer narrativen, dokumentierenden Bildsprache zurück. In umfassenden Bildserien widmete er sich in poetischer Sicht Themen, die seinem regionalen Umfeld entsprangen. Vor seine Linse traten nun die Architektur der fränkischen Fachwerkhäuser, die vergessenen Friedhöfe und die für seine Heimat Erlangen typischen Kirschgärten.

Mit dieser Ausstellung ist dem Museum Sankt Ingbert eine großartige Ausstellung gelungen. Überzeugend waren besonders diese wundervolle Mischung aus distanziert kühler und harmonischer, bisweilen privater Atmosphäre des Museums, sowie die Anordnung der Fotografien in den klar strukturierten Räumen. Erst durch jenes Zusammenspiel von Atmosphäre, Raum und Kunst, konnten die Fotografien Helmut Lederers zur vollen Entfaltung gelangen. Die Werke, die – jedes für sich genommen – ein Augenschmaus sind, laden den Betrachter zum Verweilen, Entdecken und Genießen ein. Eine Ausstellung also, die einen Besuch Wert ist!

Die Retrospektive von Helmut Lederer wurde vom Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum, das im Herbst 2001 den fotografischen Nachlass des Künstlers erhielt, organisiert.
 

 

Weitere Informationen


Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag, Feiertage 10-18 Uhr

Eintritt
3,50 €, ermäßigt 2 €

Führungen
30. Oktober, 13. und 20. November 2005 um jeweils 15 Uhr, sowie nach Vereinbarung (06894 – 13358)

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