Das umfangreiche Backhausen Archiv wurde 2024 dem Wiener Leopold Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Aus rund 11.000 Objekten wurde eine phänomenale Schau kuratiert, die zeigt, welchen Anteil die Textilentwürfe am Gesamtkunstwerk der Wiener Moderne hatten.
Im Herzen Wiens, wo sich Tradition und Moderne begegnen, entstand 1849 das Unternehmen Joh. Backhausen & Söhne, einer der angesehensten Hersteller von Möbel- und Dekorstoffen. Mit einer beeindruckenden Geschichte, die bis in die Gründerjahre zurückreicht, hat sich Backhausen insbesondere durch die enge Zusammenarbeit mit bedeutenden Künstlerinnen und Künstlern der Wiener Moderne einen Namen gemacht. Ab 1903 intensivierte das Unternehmen seine Kooperation mit herausragenden Persönlichkeiten wie Josef Hoffmann und Koloman Moser, die zusammen mit Otto Wagner und anderen Visionären der Avantgarde die Ästhetik der damaligen Zeit maßgeblich prägten.
Die Zusammenarbeit zwischen Backhausen und der neu gegründeten Wiener Werkstätte führte zu einer kreativen Blüte, die sich in ikonischen Projekten manifestierte. Die Ausstattung des Sanatoriums Purkersdorf, der Villa Skywa-Primavesi und des Palais Stoclet in Brüssel sind nur einige Beispiele, die die Synthese von Kunst und Handwerk auf eindrucksvolle Weise verdeutlichen. Diese fruchtbare Verbindung zwischen verschiedenen Kunstformen zeigt sich auch in der aktuellen Sonderausstellung „Poesie des Ornaments“, die im Wiener Leopold Museum zu sehen ist.
Die Ausstellung basiert auf einer umfassenden Sammlung, die durch das Engagement von Louise Kiesling, einer leidenschaftlichen Forscherin und Förderin des Backhausen-Archivs, systematisch dokumentiert und konserviert wurde. Ihr unermüdlicher Einsatz hat dazu beigetragen, dass die einzigartigen Bestände des Archivs heute unter Denkmalschutz stehen und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Die Ausstellung präsentiert 250 ausgewählte Objekte, die einen faszinierenden Einblick in die Vielfalt der Designs aus verschiedenen Epochen wie Historismus, Jugendstil, Art Déco und Kinetismus bieten.
Direktor Hans-Peter Wipplinger hob hervor, dass die Integration des Backhausen-Archivs in die Sammlung des Leopold Museums eine wertvolle Bereicherung darstellt. Die Idee des Gesamtkunstwerks, die von den Künstlern der Wiener Moderne propagiert wurde, erhält durch die textile Kunst eine neue Dimension. Das Archiv ermöglicht es, die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Disziplinen nachzuvollziehen und das Zusammenspiel von Raum und Textilkunst zu erfassen.
Die aktuelle Ausstellung im Leopold Museum bietet jedoch nicht nur die Möglichkeit, die Originalentwürfe und Stoffmuster zu bewundern, sondern auch, deren haptische Qualitäten zu erleben. Historische Fotografien ergänzen die Exponate und vermitteln ein Gefühl für die damalige Raumgestaltung. Die Anordnung der Objekte folgt einem chronologischen Verlauf, beginnend mit einem Entwurf aus dem Jahr 1878 bis hin zu einem Textilmuster von Josef Hoffmann, das Anfang der 1960er Jahre neu aufgelegt wurde. Besonders hervorzuheben ist die Vielfalt der Entwerfer, von denen über 300 im Backhausen-Archiv vertreten sind, darunter auch 15 Künstlerinnen.
Ein zentrales Anliegen der Ausstellung ist es, die Entwürfe nicht isoliert zu betrachten, sondern sie im Kontext ihrer Entstehung zu verstehen. Zusammen mit wandfüllenden Prints, die historische Einblicke in von Backhausen austgestattete Wohnungen bieten, wird deutlich, dass viele der Arbeiten nicht nur als autonome Kunstwerke, sondern auch als praktische Anleitungen und Skizzen für die Umsetzung in der Textilproduktion gedacht waren. Dies eröffnet einen neuen Blick auf die Beziehungen zwischen Kunst, Design und dem Alltag.
Die Sonderausstellung „Poesie des Ornaments“ lädt die Besucherinnen und Besucher ein, in die reiche und komplexe Welt der Wiener Moderne einzutauchen. Der Fokus auf die Ornamentik und die Farbigkeit der Textilien verdeutlicht deren zentrale Rolle innerhalb der Raumgestaltung und im Dialog mit anderen Kunstformen. Diese umfassende Präsentation der Backhausen-Kollektion ist nicht nur eine Hommage an die Vergangenheit, sondern auch ein wichtiger Schritt in die Zukunft des Designs und dessen Kunstvermittlung.
POESIE DES ORNAMENTS
Das Backhausen-Archiv
13.11.2024–09.03.2025