Ausstellungsbesprechungen

Linie und Skulptur im Dialog - Rodin, Giacometti, Modigliani Rodin, Giacometti, Modigliani, Museum für neue Kunst Freiburg, bis 16. September 2012

Die Linie hat eine mächtige Spur durch das 20. Jahrhundert gezogen, bis sie als gleichberechtigte Partnerin in den Künsten angesehen wurde. Günter Baumann ist ihr auf diesem Weg gefolgt.

Die Farbe in der Malerei und das Volumen bzw. die Masse in der Bildhauerei dominierten in der Gestaltung und stuften die Linie zur Begrenzungs- oder Kompositionslinie herab, freilich immer von Ausnahmen abgesehen. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis gefestigt, dass die Zeichnung völlig autonom agiert und dass etwa die Bildhauerzeichnungen keinen Vorstufencharakter zum plastischen Werk entfalten müssen, sondern gerade dort eine Souveränität zum Ausdruck kommt, die der Zeichnung eine Vorreiterrolle zuschreiben: Bildhauer entwickeln oft genug auf dem Papier ihre räumlichen Konzepte; Maler bedienen sich offen der linearen Gestaltung. Als wichtige Akteurin mit dem kürzesten Weg vom Gehirn zur Hand hat die Zeichnung oft schon das Terrain erkundet, auf dem dann Malerei, Skulptur oder anderes entsteht. Die Ausstellung in Freiburg zur »Linie und Skulptur im Dialog« legt die Sammlung Kasser/Mochary als Referenzschau zugrunde, um dem Motiv der Linie auf die Schliche zu kommen. Freilich hätten die grandiosen Arbeiten von Giacometti, Gauguin, Marini, Moore, Picasso und insbesondere Rodin ebenso gut für sich präsentiert werden können, doch dann hätte man vielleicht auf so geniale Zeichner wie Ricardo Ulloa Garay, einem costa-ricanischen Autor und Illustrator, verzichtet. Zudem ist es ein immer wieder erfrischendes Erlebnis, zeichnerische Arbeiten von Alexander Calder oder die linearen Strukturen bei Rodin zu ergründen – man denke an die dahinrauschenden Linien in dessen »L'éternelle idole«. Dazu ist es fast anrührend, zwei Hommagen an Rimbaud zu entdecken, einmal von Joan Miró, das andre Mal von Max Ernst – kaum vorstellbar, sich dem Lyriker anders als im fragilen Linienspiel zu nähern. Sicher hat der Sammler Alexander Kasser andere Schwerpunkte vor Augen gehabt als ausgerechnet die Linie als Dialogpartner- zeitlich ist seine Sammlung in rund 50 Jahren um den Jahrhundertwechsel von 1900 zu verorten. Doch machen es Werke wie Paul Cézannes »Vénus Accroupie« leicht, hier anzusetzen: Als Vorlage diente Cézanne eine Plastik von Charles-Antoine Coysevox aus dem späten 17. Jahrhundert – , doch der Maler spürt der plastischen Form nicht rein linear nach, sondern er lotet gleich die Zeichnung nach ihrer fläche-schaffenden Tauglichkeit aus. Das kann man auch bei den typischen Blättern Le Corbusiers konstatieren, der allerdings sein architektonisch-bauliches Formbewusstsein einzubringen versteht. 50 solche und ähnliche dialogische Begegnungen im Zusammenspiel oder auch der Konfrontation der Gattungen kann man in der Schau machen, und fast immer ist es die Zeichnung oder allgemeiner formuliert die Linie, die das Konzept in die Hand nimmt. Nicht selten waren es auch malende Zeichner, die der Plastik zur Modernität verhalfen, wie Derain oder Matisse. Die sehr sehenswerte, keinerlei Zeitgeist verpflichtete Ausstellung tourt seit November 2011 durch Deutschland. Gestartet in Rüsselsheim, wird sie nach Ablauf der Schau in Freiburg noch in Jena Station machen.

Weitere Informationen zur Ausstellung in Jena finden Sie hier

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