Ausstellungsbesprechungen

Marc, Macke und Delaunay – Die Schönheit einer zerbrechenden Welt (1910–1914), bis 9. August 2009 (verlängert)

Franz Marc, August Macke und Robert Delaunay: In einer Zusammenstellung hochkarätiger Gemälde und Arbeiten auf Papier zeigt das Sprengel Museum Hannover das überaus spannungsvolle Zusammenspiel der drei Künstler aus Deutschland und Frankreich.

Die grausame Realität des Krieges machte aus der enorm fruchtbaren Freundschaft zwischen Franz Marc, August Macke und Robert Delaunay eine kurze Episode: Macke fiel 1914, Marc 1916 – nur der französische Maler, der die Entwicklung der anderen beiden nachhaltig beeinflusst hatte, starb erst 1941, wenn auch nicht minder tragisch, an Krebs. In rund 90 Gemälden sowie 100 Aquarellen und grafischen Blättern fängt das Sprengel Museum den Zauber jener wenigen vier Jahren der auch geistigen Zusammenarbeit ein. Es ist ein gigantisches Unternehmen, für das sogar die Museumsräume umgebaut wurden. Dass die Mega-Schau nun in die Verlängerung gegangen ist, lässt sich an den Besucherzahlen ablesen: Ende Mai waren 100.000 Besucher da, Mitte Juli zählte man 200.000, kurz und gut: Noch nie strömten so viele Menschen ins Sprengel Museum wie zu dieser Ausstellung.

Die Verbindung von Marc und Macke allein war noch nicht die Ursache für diesen Erfolg, dazu waren sie schon zu oft Gegenstand der Betrachtung. Was die Sogwirkung verstärkt, ist die Rolle Delaunays, die bislang kaum thematisiert oder schlichtweg vorausgesetzt wurde. Das ist insofern kein Wunder, als die drei Maler nur zweimal zusammenfanden (1912 und 1913). Allerdings ist festzustellen, dass die zwei Deutschen nach den Begegnungen ihren Stil auflockerten und vom eher pastos-braven Expressionismus zum lichterfüllten Farbkosmos übergingen. Dabei scheinen die sich geometrisch von der gegenständlichen Malerei verabschiedenden Fenster-Bilder Delaunays Schlüsselwerke zu sein. Freilich kann man keine monokausalen Verbindungslinien ziehen, selbst das Kreismotiv lag quasi in der Luft, und auch die Wirkungsintensität dürfte unterschiedlich gewesen sein – Mackes Schaufenster-Motive liegen näher bei dem französischen Kollegen als die Arbeiten von Marc. Aber auch hier wird der wachsame Beobachter den Schönheitswillen und die farbsinfonische Dramaturgie des Franzosen auf die in sich versunkenen Tier-»Porträts« erkennen, ohne zu verkennen, dass Marc eigenständig genug war, Einflüsse seiner eigenen Bildwelt unterzuordnen. Dennoch bleibt das Vergnügen, Licht und Farbe über die Grenzen hinweg – die um 1914 ein mehr als heikles, geistig vermintes Gebiet darstellte – in einer solchen Seelenverwandtschaft zu sehen. Was die Ausstellung nebenbei leistet ist es, überhaupt den interkulturellen Kontext zu erschließen. So vermittelte die aus Russland stammende, aber in Deutschland zur Malerin gereifte Frau Delaunays, Sonja, zum einen sprachlich, zum anderen vergrößerte sich der Bekanntenkreis durch sie um Klee und Kandinsky. So wird der Blaue Reiter einmal von einer anderen Warte aus betrachtet: Die Schönheit dieser Künstler ist uns heute augenfällig, doch ist es eine Schönheit in einer zerbrechenden Welt, wie der Untertitel der Hannoveraner Schau besagt. Niemand hat sie so überzeugend dargestellt wie Delaunay in seinen Eiffelturm-Bildern. Die deutschen Freunde folgten ihm und seinem Orphismus auf ihre Weise, in Italien fanden die Futuristen – etwa bei Boccioni – wiederum andere Bezüge.

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