Buchrezensionen

Mark Ryden. Pinxit, Taschen 2013

Der Kalifornier Mark Ryden verbindet in seinen Arbeiten Themen aus der Popkultur mit altmeisterlicher Technik und sorgt damit seit den 1990ern für Aufsehen. Rowena Fuß hat sich mit dem Wälzer aus dem Taschen Verlag in sein Universum vertieft.

Ein wurzelndes R und statt dem E ein ∑ − so steht der Name Ryden auf dem babyrosa Buchcover. Darunter steht ein altmeisterliches »pinxit«. Doch Mark Ryden hat nicht nur mathematische Zeichen, Alte Meister und Freimaurersymbolik zu bieten. In seinen zarten Ölgemälden wird es des Öfteren richtig gruselig. Natürlich nur unterschwellig. Oberflächlich gesehen zieren niedliche Babydolls, knuffige Wichtel und zuckersüße Automobile seine Bilder. Doch bei genauerem Hinsehen entdecken wir urzeitliche Insekten, Anatomiepuppen, Totenschädel, Teufel und das ein oder andere Schweinekotelett. Welche Klammer spannt also das Summenzeichen? Von der Magie zur Naturwissenschaft? Umspannt sie vielleicht die westliche Geistesgeschichte?

Mark Ryden ist ein Meister des Geheimnisvollen. Er wandert auf dem schmalen Grad von nostalgischem Klischee und verstörendem Archetyp. Das Buch aus dem Taschen Verlag versammelt gleich einer Retrospektive Gemälde und Zeichnungen der vergangenen zwanzig Jahre in einem Band. Darüber hinaus enthält es Essays von bekannten Künstlerkollegen und Kulturjournalisten, die uns mehr über das Karnevaleske im Werk des Künstlers, den Zusammenhang zwischen Bienen und Abraham Lincoln u.a.m. erzählen.

Ryden versteht sich selbst als Kuriositätensammler, wie er dem Leser in einem Statement zu Beginn des Buches zu verstehen gibt. Er schwärme zudem für Wunderkammern, wie er weiter ausführt. Natürlich bleibt es da nicht aus, dass er die Fantasielosigkeit der Gegenwart bemängelt. Seine Welt ist die des Kindes, eine Welt in der Staunen noch möglich ist, in der der Vorstellungskraft keine Grenzen gesetzt sind und in der Magie existiert. Insofern überrascht es wenig, dass ein Hauch von Alice im Wunderland durch seine Motive weht.

Der Künstler schuf in den 1990ern den Begriff „Pop-Surrealismus“ für seine Malerei. Diese strotzt nur so vor kulturellen Anspielungen. Eine Sache, mit der jeder Amerikaner häufig konfrontiert wird, ist z.B. Abraham Lincoln. Dieser findet sich dementsprechend auch bei Ryden: In der Serie »Tree Show« steht er beispielsweise einem Baum bei, der ein Menschenkind gebiert. Wer nun versucht, das Ganze als Symbol zu sehen, irrt. Worauf Ryden mit der Darstellung verweist, ist, dass der 16. Präsident in den USA quasi den Status eines Heiligen besitzt. Ob das nun gut oder schlecht ist, wird nicht deutlich. Es scheint allerdings bedenklich zu sein.

Mark Rydens Welt ist verzwickt und irgendwie grotesk. Die schiere Menge von einander überlagernden Informationen, die in jedem Gemälde stecken, trägt zu dieser Wirkung bei. »Ich verschlinge Dinge, die ich mag: Bilder von Insekten, Gemälde von Bouguereau und David, Bücher von Phineas T. Barnum, Filme von Ray Harryhausen, alte Fotos von fremden Leuten, Kinderbücher über das All und die Wissenschaft, medizinische Illustrationen, Musik von Frank Sinatra und Debussy, Magazine, TV, Jung und Freud, Ren und Stimpy, Joseph Campbell und Nostradamus, Ken und Barbie, Alchemie, Freimaurerei und Buddhismus«, sagt er.

Genau das ist es aber, was ihn so interessant macht. Indem Ryden dem Betrachter keine klaren Interpretationen anbietet, hält er den Weg frei für individuelle Entdeckungen und Gedanken. Für Fans des Carrollschen Kinderbuchklassikers oder Liebhaber skurriler Welten ist die Anschaffung ein echtes Muss!

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