Kataloge, Rezensionen

Martin Faass (Hg.): Max Liebermann und Emil Nolde. Gartenbilder, Hirmer 2012

Die Publikation stellt zwei in der Kunstgeschichte wichtige Künstlerpersönlichkeiten ins Zentrum: den Impressionisten Max Liebermann und den Expressionisten Emil Nolde. Beide begeisterten sich für das Thema Garten, legten eigene Gärten an, hielten sie mit dem Pinsel immer wieder fest und taten dies doch in sehr unterschiedlicher Weise. Daher verwundert es nicht, dass sich aus ihrem divergierenden Kunstanspruch ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter persönlicher Konflikt entwickelte. Verena Paul hat den Katalog kritisch für Sie gelesen.

Bereits durch die Umschlagsgestaltung werden wir auf das farbenfrohe Treiben in den Gärten Max Liebermanns und Emil Noldes eingestimmt. Begegnet uns auf der Vorderseite der in leichtfüßig impressionistischer Manier eingefangene »Vordergarten« Liebermanns, wiegen sich auf der Katalogrückseite die weißen, prall gefüllten Blütenköpfe von Päonien sowie die gelben, dunkelroten Iriskelche, die Nolde mit expressiven Grüntönen der Pflanzenblätter rahmt. Von Neugierde getrieben blättert der Leser deshalb weiter und hofft auf aufschlussreiche und die Gartenbilder erläuternde Aufsätze…

Den Auftakt macht der spannend zu lesende Beitrag »Max Liebermann und Emil Nolde – Chronologie und Hintergründe eines Konflikts«, in dem Martin Faass sich mit den Ursprüngen des schwierigen Verhältnisses zwischen den beiden Künstlern auseinandersetzt. Ausgangspunkt des Zwistes war das Gemälde »Pfingsten«, das Nolde 1910 für die Frühjahrsausstellung der Berliner Secession einreichte. Allerdings wurde das Werk von der Auswahlkommission, der auch Liebermann angehörte, zurückgewiesen. Es folgen ein offener Brief Noldes, in dem er Liebermann harsch angreift, und zuletzt der Ausschluss Noldes aus der Berliner Secession. Faass versäumt dabei nicht, seinen Aufsatz mit wichtigen Briefpassagen der beiden Streithähne zu unterfüttern. Auf diese Weise entwirft er für den Leser nicht nur ein lebendiges Bild der Künstler und ihres diametral entgegen gesetzten Kunstanspruchs, sondern bereitet ihm zugleich Vergnügen bei der Lektüre.

Demgegenüber richtet Sabine Meister das Augenmerk in ihrem Aufsatz »Kunstwende. Berlin um 1910« stärker auf die Berliner Secession und deren Verhältnis zur Moderne. Diese thematische Ausweitung ermöglicht dem Leser ein besseres Verständnis der Auseinandersetzung zwischen Liebermann und Nolde. Dabei zeichnet die Autorin den Aufstieg der Berliner Secession Ende des 19. Jahrhunderts ebenso nach, wie deren Krise und beleuchtet schließlich das Ende ihrer »Vormachtstellung als maßgebliches Forum der künstlerischen Avantgarde, die sie seit 1898 innehatte« [Meister].

Mit »Max Liebermann und Emil Nolde – Blumen- und Gartenbilder« widmet sich Christian Ring dem zentralen Gegenstand des Kataloges. Gleich zu Anfang seines Beitrags betont der Autor, dass sich die »divergierenden künstlerischen Auffassungen […] exemplarisch« an jenen Werken aufzeigen lassen. Während für Liebermann der Garten »ein Stück kunstvoll idealisierte Natur [war], deren Farbkraft und Harmonie ihn immer wieder von Neuem faszinierte«, ließ Nolde sich eher von den wildwüchsigen Bauerngärten inspirieren, durch die er »zur Farbe als dem eigentlichen Ausdrucksmittel seiner Kunst« fand, wie Ring zusammenfasst.

Daran anknüpfend, nimmt Klaus-Henning von Krosigk einen (für das Verständnis der Garten- und Blumenbilder sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Kunst- und Naturauffassung hilfreichen) Vergleich der Gärten Liebermanns und Noldes vor. Während Max Liebermanns Garten »bis in feinste[n] Nuancen« durchgestaltet ist und insofern eine »gartenarchitektonische Leistung« darstellt, hatte Emil Nolde nicht einmal für die Blumenrabatten »ein nach ästhetischen oder farblichen Gesichtspunkten gestaltetes Konzept«, wie von Krosigk erklärt. Begegnet bei Liebermann infolgedessen ein als ästhetisches Gesamtkonzept begriffener Garten, dominiert bei Nolde die Naturlandschaft, die sich einzig »durch bäuerliche Nutzung« auszeichnet. Obgleich die Gartenkonzepte der beiden Künstler höchst unterschiedlich sind, ist der Garten selbst »eine ungemein prägende Folie, am Wannsee ein Weg zur Kultur [Liebermann], in der Weite Seebülls ein Tor zur Natur[Nolde]«, so das pointierte Ergebnis des Autors.

Während Sabine Meister in ihrem Beitrag die Berliner Secession und ihr Verhältnis zur Moderne vorgestellt hat, konzentriert sich Anke Daemgen nun auf »Liebermann als Präsident der Akademie der Künste und sein Einsatz für die Moderne«, wobei sie Liebermann 1920 – zehn Jahre nach dem Zwist mit Nolde – nicht nur als aufgeschlosseneren Menschen charakterisiert, sondern ihm auch einen »erstaunliche[n] Einsatz für die modernere Kunst« attestiert.

Überraschend hinsichtlich ihrer thematischen Schwerpunktsetzung sind dann allerdings die abschließenden Beiträge. Zunächst nehmen Christian Ring und Julia Knöschke einen Vergleich der religiösen Bilder Liebermanns und Noldes vor und entfernen sich folglich von dem im Untertitel der Publikation angekündigten Thema: den »Gartenbildern«. Obwohl die Autoren gerade hier »die Unterschiede zwischen dem realistischen Bildkonzept Max Liebermanns und dem Expressionisten Emil Noldes« veranschaulicht sehen und im Fortgang mit Hilfe zahlreicher Bildbeispiele untermauern können, fühlt sich der Leser verloren. Ähnlich das Gefühl bei Olaf Peters informativen und wunderbar zu lesenden Beitrag »Expressionismus, Nationalismus, Nolde«, in dem der Autor der »schwer verständliche[n], befremdliche[n] und erklärungsbedürftige[n] Synthese« von scheinbarem »Engagement für die NS-Bewegung und künstlerische[r] Radikalität« bei Nolde auf den Grund geht. Beide Aufsätze sind für das Verständnis der Werke Liebermanns und Noldes absolut hilfreich, wollen sich jedoch nicht recht in die Reihe der vorherigen Beiträge eingliedern lassen. Diese »Irritation« ist primär Ergebnis des Untertitels, der beim Leser eine Erwartungshaltung entstehen lässt, die die Beiträge von Peters, Ring und Knöschke nicht erfüllen können.

Resümee: Insgesamt ist dem Hirmer Verlag eine in Bild und Text beeindruckende Publikation gelungen. Aufschlussreich ist einerseits der Vergleich der beiden Künstler, ihr schwieriges Verhältnis zueinander sowie die damit verbundene Frage, wie sich die Berliner Secession im Allgemeinen und Liebermann als Präsident der Akademie im Besonderen zur Moderne stellte. Andererseits bestechen die Untersuchungen der Gartenkonzepte der beiden Künstler und der davon inspirierten Blumen- und Gartenbilder. Die Aufsätze zu den religiösen Arbeiten von Liebermann und Nolde und das zunächst bizarr anmutende Verhalten des zuletzt Genannten im Nationalsozialismus scheinen mir jedoch aus dem Rahmen zu fallen, wenn ich mir den Titel »Max Liebermann und Emil Nolde. Gartenbilder« in Erinnerung rufe. Da diese spannend zu lesenden Beiträge allerdings wichtige Forschungsergebnisse liefern und dem Leser die beiden Kunstschaffenden und ihr Werk ein Stück näher bringen, gilt meine Kritik der Titelwahl. Denn durch den Zusatz »Gartenbilder« scheint sich der Band auf einen kleinen Werkbereich festzulegen und folglich eine speziell daran interessierte Leserschaft anzusprechen, deren Erwartung möglicherweise enttäuscht wird. Ungeachtet des genannten Kritikpunktes empfand ich die Lektüre als überaus bereichernd und ließ mich von den qualitativ hochwertigen Abbildungen zum Schmökern animieren!

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