Porträts

Mathias Bitzer. Bilder als „emotionaler und analytischer Kommentar

Mathias Bitzer ist Absolvent der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe und ehemaliger Meisterschüler des Akademierektors Erwin Gross. In den letzten Jahren seines Studiums entstanden großformatige Arbeiten voller Gegensätze; figurative ebenso wie abstrakte Werke von einer reduzierten und klaren Ästhetik.

Die gedeckten Farben – in erster Linie Blau-, Grün- und Beigetöne – tragen zu einer stärkeren Gewichtung der Formensprache bei. Kristallin aufgespaltene Flächen setzen sich zu komplexen geometrischen Figuren zusammen. Oftmals scheinen diese sich von einem Punkt aus zu entwickeln, oder auf diesen hin zu streben, wodurch die Arbeiten von einer starken Dynamik erfüllt werden, die an Werke des italienischen Futurismus erinnert. Mathias Bitzer spricht selbst von futuristischen Anklängen in seinem Werk, vor allem von Anlehnungen an die Bewegungsbilder Giacomo Ballas.

Die rational, analytischen Formen und Linien in seinen Arbeiten verbindet er oft mit schablonenhaften Spraybildern von Frauen. Vorlagen für diese Werke findet er in Modezeitschriften oder dem Internet. Diese stellen als Darstellungen eines Schönheitsideals oder romantisierten Frauenbildes einen emotionalen Gegenpol zu den abstrakten, geometrischen Strukturen dar. So entstand eine ganze Reihe von Werken mit dem Untertitel „modern idol“.

Die menschlichen Figuren können in Bitzers Arbeiten auf zwei unterschiedliche Arten auftreten: Zum einen in Pose, in einer statischen und emotionsarmen Haltung, zum anderen als Geste, einer flüchtigen Bewegung, die den Betrachter anspricht und viel über die Persönlichkeit der dargestellten Person verrät. Hier lässt sich die Auseinandersetzung des Künstlers mit den ideologischen Hintergründen der futuristischen Bewegung und deren negativem Frauenbild erahnen. Damals wie heute stehen sich private und gesellschaftliche Rollen und Interessen gegenüber. In einer Gesellschaft, in der Schönheit für Macht steht und gleichzeitig zur Ware wird, prallen Geste und Pose aufeinander. Der Künstler kommentiert damit insgeheim die Problematik: Wann dürfen wir uns so verhalten, wie es unserem Wesen entspricht? Oder: Wann müssen wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf lenken, wie wir auftreten und von der Gesellschaft gesehen werden?

Bitzer arbeitet in Öl, Acryl oder Mischtechnik. Die verschiedenen Materialien werden ganz bewusst nach ihrer jeweiligen Wirkung eingesetzt oder auch miteinander kombiniert. Neben der Steuerung gewisser Effekte, zeichnet Mathias Bitzer die Konturen der splittrigen Farbflächen mit der freien Hand und nimmt damit Abstand vom Hard-Edge. Seine geometrischen Bildkompositionen scheinen oft nur auf den ersten Blick symmetrisch, zeichnen sich aber tatsächlich durch minimale Abweichungen aus, die eines aufmerksamen Blicks bedürfen, mit dem sich die versteckte Disharmonie entdecken lässt. Die Formgebilde schweben in vielen Fällen im leeren Bildraum auf der ungrundierten Leinwand. Auch entpuppen sich farbige Zwischenflächen seiner Schablonenbilder oft als ausgelassene Stellen, an denen die Leinwand durchscheint.

Dieses Porträt entstand im Rahmen der von Dr. Kirsten Claudia Voigt geleiteten Übung "Akademie, Atelier, Ausstellung - eine Schreibwerkstatt" im SS 2004 am Institut für Kunstgeschichte der Universität Karlsruhe.

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