Ausstellungsbesprechungen

Max Beckmann. Baden-Baden

Gerne nimmt man fernab der großen Kunststädte Weltkunst in Empfang: Balingen und Tübingen machen es (für den süddeutschen Raum) seit Jahren vor, dass einzigartige Kunstschätze ihren Weg auch in die museale Provinz finden. Freilich, in Tübingen war zumindest schon immer der Weltgeist zu Hause, und so fügt sich die hohe Kunst gut ins Stadtbild rund um die dortige Kunsthalle.

In Baden-Baden vermittelt die innerstädtische Beschaulichkeit eine provinzielle Atmosphäre, doch trifft man immerhin den Geldadel, der ein mondänes Flair hinzu gibt – eine Melange, der sich ganz gut die alte Kunsthalle und das recht junge Museum Frieder Burda zugesellen. Während in Tübingen die Köpfe der Wissenschaft qualmten (und wohl noch qualmen), lockt Baden-Baden als Kurort und Zentrum einer wunderbaren, eigenartigen Welt – gesellschaftliche Ereignisse müssen es gewesen sein, als man etwa Gerhart Hauptmann und andere Geistesgrößen zum Erholungsaufenthalt verbuchen konnte und selbst das Theaterprogramm am hohen Besuch orientierte. Sicher war Max Beckmann in den 20er- und frühen 30er-Jahren noch nicht so berühmt, aber auch er kurierte mehrfach seine Wehwehchen und eine kränkelnde Seele in Baden-Baden aus. Und das ist neu: In der aktuellen Ausstellung schmückt sich das Museum Frieder Burda nicht mit Toulouse-Lautrec oder Picasso, Degas oder Chagall, die mit den Orten der Begegnung kaum etwas gemein haben; hier in Baden-Baden hält ein Maler Einzug, der den Ort der Begegnung selbst zum Thema in einigen seiner Werke gemacht hat. 

 

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Max Beckmann besuchte mehrfach die Kuranlagen von Baden-Baden – und hinterließ 1923 und dann zwischen 1935 und 1937 etliche Gemälde und Zeichnungen, die die Stadt ins Visier nehmen. Zusammen mit Schlüsselwerken aus derselben Schaffensperiode entsteht mit rund 40 Arbeiten ein zeitgeschichtliches Panorama, das Einblicke in Beckmanns Lebenssituation jener Jahre gibt. Unter den gezeigten Werken sind nicht nur Bilder mit unmittelbaren Bezügen zu sehen – wie »Tanz in Baden-Baden«, »Stourdza-Kapelle« –, sondern auch manche Meisterwerke, die erst durch die Ausstellung einen regionalen Kontext näher bringen: »Der Traum von Monte Carlo« (ach ja: da gibt es doch eine Spielbank in Baden-Baden), »Der Zirkuswagen«, »Doppelbildnis Max und Quappi«. Schicksalshaft darf man die späteren Besuche in Baden-Baden bezeichnen, da Beckmann bald nach 1937 Deutschland verließ – für immer. Entsprechend düster wird die Palette des Malers im Vorfeld; schmerzlich musste Beckmann mit ansehen, wie aus der weltoffenen badischen Stadt ein miefiges Nazinest wurde.

  Allein schon die Gemälde sind ein Genuss für den Betrachter: diese Sogwirkung ins Bild, das gleichzeitige Sträuben des so ins Geschehen Gezogenen gegen die sinnfällige Entwurzelung mancher dargestellter Bäume, die selbst aufrecht stehend noch den Boden zu verlieren scheinen, gegen den lähmenden Moment zwischen Stillstand und Flucht – wie er im Symbol der pferdlosen Kutsche deutlich wird – machen das Kunsterlebnis zum Akt des Mitlebens, Mitfühlens. Doch darf man sogar in Anbetracht des historischen Kontextes auch die für den Betrachter befreiende Distanz genießen, die sich zum einen in der Distanz der Zeichnungen widerspiegelt – Beckmann gibt sich als scharfer, nüchterner Beobachter zu erkennen –, zum anderen im Abstand, den der Maler später im Exil selbst gewinnt: 1937 malte er die »Drahtseilbahn in Baden-Baden«, die auch ins Werkverzeichnis aufgenommen, aber nicht verkauft wurde; Beckmann nahm die bemalte Leinwand mit ins amerikanische Exil, wo er das Bild 1949 übermalte – den Titel änderte er um in »Bergbahn in Colorado«. Dabei werden Prozesse sichtbar, die erst in einer derart segmentierten Werkschau ins rechte Licht gebracht werden kann. 

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Anlass für die Schau waren nicht zuletzt zwei hauseigene Werke, das frühere der zwei »Stourdza-Kapellen«-Bilder sowie der »Blick aus dem Fenster«. Um diese wuchtigen Gemälde gruppieren sich in einer klug ausgewählten Formation zwei Handvoll Baden-Baden-Motive, die Zeichnungen nicht mitgerechnet, und die begleitenden Arbeiten, die über den regionalen Bezug hinausgehen. Die Grundtönung signalisiert Endzeitstimmung, doch lebt die Ausstellung von der spannenden, kraftvollen Mischung von Wut, Zerstörung, Angst einerseits, und einer Lebensgier, einer unbezwingbar-vitalistischen Natur andrerseits. Spektakuläres bietet der Fokus auf Baden-Baden nicht. Aber es gibt einmal mehr die Gelegenheit, das epochale Oeuvre Beckmanns in einem präzisen Ausschnitt ins Gedächtnis zu rufen. Im Mittelpunkt steht hier die Landschaft, was zunächst überrascht, doch gerade der Aufenthalt in Baden-Baden bot überhaupt erst wieder die Zeit, die Natur wahrzunehmen: »Ich bin hier mal wieder gründlich in der Natur, was mir sehr gut tut«, schreibt Beckmann im Frühjahr 1937. Während in der Baden-Baden-Schau noch das frühe, in seiner drangvollen Enge beunruhigende Werk »Tanz in Baden-Baden« die Gewichtung ins Personenbild verlängert, wird in der Freiburger Variante der Ausstellung mit den Sehnsuchtsbildern von der Côte d’Azur das landschaftliche Moment noch deutlicher betont.

 

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Für solche anekdotischen Zusammenhängen ist es allerdings unerlässlich, den opulent gestalteten Katalog in die Hand zu nehmen, zumal hierin auch die kleineren Differenzen der zweistationigen Ausstellung angedeutet werden (sie wird in Freiburg unter dem Titelzusatz »Ich flüchte in die Wälder« gezeigt).

Parallel zur Beckmann-Schau werden in einer weiteren Ausstellung bei Burda rund 40 Arbeiten von Gerhard Richter gezeigt. Es lohnt sich also doppelt, einen Abstecher nach Baden-Baden zu machen. Oder sagen wir gleich dreifach: Denn in der Kunsthalle nebenan ist die grandiose Präsentation von Werken aus dem Nationalmuseum Warschau zu sehen unter dem beeindruckenden Titel »Das Heilige und der Leib« (eine Besprechung folgt in Kürze). 

Weitere Informationen

Öffnungszeiten

Di–So 11–18 Uhr

Mi 11–20 Uhr

 

Führungen

jeweils Mi, 18 Uhr, Sa 15 Uhr und So 11.30 Uhr

 

Eintritt

Erwachsene 8 € / erm. 6 € / Schüler 4 €

 

 

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