Ausstellungsbesprechungen

Max Ernst – Retrospektive, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, bis 8. September 2013

Max Ernst gilt zu Recht als einer der vielseitigsten Künstler der Moderne und das weiß die Retrospektive in der Fondation Beyeler gut auf den Punkt zu bringen. Christine Spies hat sie sich angeschaut.

»Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet«: Max Ernst wusste sich immer neu zu erfinden. Das macht ihn als Künstler zwar schwer greifbar, übt dafür aber eine umso größere Faszination aus. Bis zum 8. September sind in Riehen in Zusammenarbeit mit der Albertina aus Wien über 160 Werke zu sehen, die eben jene Vielseitigkeit deutlich aufzeigen.

Den Einstieg in die Ausstellung geben die noch mehrheitlich kleinformatigen Gemälde des Künstlers aus den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Hier erinnert die Art der Gestaltung sehr deutlich an die großen Vorbilder des jungen Künstlers, der sich der Malerei zunächst als Autodidakt näherte. Die düstere Farbgebung Marc Chagalls und die kleinteiligen Flächenaufteilungen Paul Klees schimmern unverkennbar durch die Werke.

Obwohl er sich im Rahmen seine Studiums der Fächer Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte intellektuell weiterbildet, emanzipiert er sich im Laufe der Zeit nicht nur von seinen Vorbildern, sondern auch immer stärker von gängigen Techniken. Die Offenheit, in seinem Kunstschaffen Neues zu probieren, erhält er sich sein Leben lang und wird zu einer Art Erkennungsmerkmal. Bereits im Jahr 1919 arbeitet Ernst in der Technik der Collage, mit der er spielerisch das bereits vorhandene Material in einen neuen Kontext setzt, verfremdet und damit einen frischen Blick darauf möglich macht.

Immer auf der Suche nach Ausdrucksformen, die das Unbewusste sichtbar machen, wird er zu einem der großen Künstler des Surrealismus. Bei der Suche nach der Grenze zwischen Realität und Fantasie wendet er Techniken wie die Frottage, Grattage oder die Décalcomanie an. Er fokussiert sich auf Verfahren, die ihm dabei helfen, zufällige gestalterische Ergebnisse zu erzielen. Später in den 40er Jahren entwickelt er den Gedanke an die halbautomatisierte Maltechnik mit dem Vorgang des Oszillierens weiter.

Immer wieder geht es ihm darum, das Verhalten der Farbe auf der Leinwand zu studieren. Dabei kombiniert Max Ernst zufällig entstandene Farbverläufe mit gemalten Flächen, die er geradezu altmeisterlich ausführt. Sehr schön ist dies an den späten Dschungelbildern auszumachen, die die detaillierte Betrachtung einer floralen Umgebung aus der Froschperspektive darstellen wie im Werk »Die Natur im Morgenlicht (Abendlied)« aus dem Jahr 1938.

Zwar fertigt Max Ernst die Versuchung des heiligen Antonius erst im Jahr 1945 an, doch sind vielen vorangegangenen Werken detaillierte Pflanzendarstellungen und mystisch düsteren Farbgebung zu eigen, die aus den Werken der mittelalterlichen Donauschule bekannt sind, zu deren Schlüsselwerk eben jene Antonius-Darstellung des Isenheimer Altars in Colmar gehört. Fast ist der Betrachter geneigt, das Düstere und Mystische als Leitmotiv des Künstlers im Rahmen der Retrospektive zu entlarven.

Wären da nicht die vielen künstlerischen Ausbrüche, die sich Max Ernst im Laufe seines Schaffens leistet, wie auch das eigentliche Leitmotiv: Der Vogel »Loplop«, der als Alter Ego des Künstlers immer wieder seinen Platz in einzelnen Darstellungen gefunden hat. Mit ihm bringt sich der Künstler hinterrücks in das bildlich Geschehen, ohne sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu drängen.

Wobei ihm eine gewisse Freude an der direkten Provokation ohnehin kaum abzusprechen ist. Mit einem deutlichen Anflug von Blasphemie stellte Max Ernst 1926 im Werk „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind (…)“ das ungeheuerliche Geschehen dar. Dieses Werk gehört sicher zu den heimlichen Stars der Retrospektive. Es ist zudem eines der Werke, das Max Ernst als ironischen, eleganten und auch rebellischen Freigeist hochleben lässt.

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