Ausstellungsbesprechungen

Max Klinger – Von der herben Zartheit schöner Formen, Kunsthaus Apolda Avantgarde, bis 19. Dezember 2010

Erstmals seit 107 Jahren findet wieder eine Ausstellung zu Max Klinger (1857-1920) in Thüringen statt, obwohl mehrere Nietzschehermen, eine Ehrenmitgliedschaft an der Großherzogl.-Sächs. Hochschule für bildende Kunst und auch eine Bildnisherme Ernst Abbes den Künstler mit Weimar und Jena verbinden. Rowena Fuß nahm die Gelegenheit wahr, um sich mit dem Maler, Grafiker und Bildhauer auseinander zu setzen.

Der sicherlich größte Verdient des »Griffelkünstlers« war die Emanzipation der Radierung von der günstigen Bildverbreitungstechnik zu einer Technik der Kunst. Diverse Kohle-, Graphit- und Kreidezeichnungen sowie zahlreiche Exlibris von bekannten zeitgenössischen Persönlichkeiten, wie den Berliner Kunsthändler Fritz Gurlitt, sind somit Schwerpunkt der Ausstellung.

In seinen Grafiken stellt Klinger den Themenkreis von Sehnsucht, Leidenschaft, Liebe, Erotik und Tod, mal mehr, mal weniger deutlich dar. Anlehnungen finden sich bei Arthur Schopenhauer, mit dem sich Klinger genauso wie mit Friedrich Nietzsche intensiv auseinander setzte. In seinem Werk Die Welt als Wille und Vorstellung (1819) schreibt Schopenhauer in § 56 dazu: »Das Leben „schwingt also, gleich einem Pendel, hin und her zwischen dem Schmerz und der Langeweile«. Aber genauso wie manche Aussagen Schopenhauers ironisch gemeint sind, behandelt Klinger seine Grafiken nicht selten auf dieselbe Weise »Der Blick in den Toilettenspiegel« im linken Raum auf der ersten Etage zeigt beispielsweise eine Frau, die sich mittels eines Handspiegels in den Hintern guckt statt in ihr Gesicht.

Als begeisterter Musikliebhaber hat Max Klinger die 1881 entstandene Grafikfolge »Intermezzi« (Opus IV), zu sehen im Erdgeschoss, wie eine Symphonie aufgebaut. Der 12-teilige Zyklus ist in vier »Sätze« untergliedert, die das Verhältnis der Geschlechter, den Kampf ums Überleben, den Rückzug in die Natur und den Tod thematisieren.

Mit dem Blatt »Amor, Tod und Jenseits« knüpft Klinger an die Kunst des von ihm hoch verehrten Albrecht Dürer an, augenscheinlich wird der Verweis auf dessen Holzschnitt »Die Apokalyptischen Reiter« (um 1497/98). Ein skurriler Zug aus Amor, Tod und Jenseits bewegt sich bei Klinger durch eine karge Alleenlandschaft. Der mit den Gesichtszügen Klingers ausgestattete Amor ist im Begriff, seinen Bogen zu spannen. Er bewegt sich auf einem geflügelten Einrad. Der auf einem Sarg reitende Tod treibt sein pferdehufiges Gefährt an. Am linken Bildrand scheint die zerzauste Jenseitsfigur in rasantem Tempo zum Überholen anzusetzen.

Mythologische Thematiken werden in der Kohlezeichnung »Sitzende Titanin« wie auch in dem Silberguss »Die Meeresnymphe Galatea mit Polyphems Sohn« (auf der ersten Etage) behandelt. Klinger zeigt seine Figuren dabei in einer antikisierend-idealen Weise, welche ein Symbol für die Schönheit des menschlichen Körpers ist. Es verwundert daher nicht, dass zwei Räume mit hauptsächlich figürlichen Bronzen im Erdgeschoss die Titel »Männer • Nackt und Schön« sowie »Frauen • Nackt und Schön« tragen.

Einen erkennbaren Einfluss übten seine insgesamt vier Frauen auf Klinger aus, die immer wieder durch sein Werk geistern. Das »Porträt Gertrud Bock mit entblößter Brust« im Raum »Musen und Modelle • 1909-1919« des Erdgeschosses, zeigt zum Beispiel seine letzte Frau, die ihm 1910 als 17-Jährige in den Schoß fiel. Klinger hat ihr Gesicht und ihre Frisur detailliert wiedergegeben, während der Oberkörper nur skizziert ist. Mit Gertrud Bock begannen die erotischen Grafiken Klingers, die keine Tabus kannten. So stellen mehrere Graphit-Zeichnungen im linken großen Raum auf der ersten Etage Mann und Frau oder ein lesbisches Paar beim Liebesspiel sowie eine leicht Bekleidete, die von Phalli verfolgt wird, dar.

Im Gegensatz dazu steht Klingers intensive Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche. Diese spiegelt sich in seiner »Raumkunst« wider, in der es ihm auf das Zusammenwirken von Plastik und Gemälde über den Rahmen des Bildes hinaus ankommt. Ein Beispiel sind die Wandbilder, die Klinger 1912 für die Villa in Steglitz schuf. Es handelte sich um ein Meeresfries und sechs Wandbilder. Wie schon der Zyklus "Intermezzi" sind diese Arbeiten den mythologischen Naturszenen Arnold Böcklins (1827-1901) nachempfunden. Das Meeresfries kann man in einer veränderten Fassung ebenfalls im linken Raum der Ausstellung auf der ersten Etage bewundern.

Ein weiteres Beispiel für Klingers Liebe zur Musik dokumentiert im Raum »Nietzsche & Co« auf der ersten Etage eine Beethovenbronze, die den Komponisten in Halbfigur darstellt. Seine sitzende Pose entspricht der von Klingers Beethovendenkmal im Museum der bildenden Künste in Leipzig. Dieses Denkmal präsentierte Klinger 1902 während der Wiener Sezessions-Ausstellung in einem eigenen Raum des Sezessionsgebäudes, der von Gustav Klimt (1862-1918) mit einem Figurenfries dekoriert worden war. In der Öffentlichkeit löste diese ungewöhnliche Arbeit allgemeine Empörung aus. Man empfand die Darstellung Beethovens als unpassend und verspottete sie. Jahre später galt sein Monument jedoch als der Inbegriff des heroischen Beethoven-Denkmals, das den Komponisten als Verkörperung des schöpferischen menschlichen Geistes zeigt, der sich durch seine Leistung bis zu den Göttern emporheben kann.

Fazit: Dem Betrachter von Klingers Werken, ob nun Plastik, Grafik oder Malerei, steht ein komplexes Universum an Symbolen vor. Wer allerdings die Hintergründe nicht kennt, steht eher ratlos vor den Werken, da es keine erklärenden Texttafeln gibt. Für Liebhaber und Kenner Max Klingers ist die Ausstellung aber trotzdem allemal lohnenswert!

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