Ausstellungsbesprechungen

Max Klinger, Die druckgraphischen Folgen

Als würden sie aus einem anderen Zeitalter stammen, so erscheinen uns die häufig sexuell aufreizenden Motivgruppen Max Klingers; stellt man sie zudem ins historische Umfeld ihrer Entstehung, mag man das Prädikat »Schnee von gestern« vergeben. Wären da nicht etliche Blätter, die Klinger zu einem hochmodernen Künstler machen, der weit ins 20. Jahrhundert, wenn nicht in die Gegenwart unseres Jahrhunderts hineinwirkte.

Etwa im Schatten der großen Leipziger Schau über Klinger und die Folgen begeht die Ausstellung in Karlsruhe mit leisen Schritten den Weg der Klingerschen Druckgraphik.

 

Besonders die »Handschuh«-Folge nimmt die Entdeckung des Dings an sich für die Kunst vorweg. Die tiefenpsychologische Deutung liegt auf der Hand, mehr als in seinen anderen Graphiken, die in der gewitzten Darstellung schon allerhand Fabelwesen auftreten lassen, die uns heute wie Trickfilmmonster aus der Mottenkiste vorkommen. Aber diese Zelebrierung des vordergründig banalen Aktes, einen offenbar von einer Dame stammenden, absichtlich oder zufällig gefallenen Handschuhs ist ein Highlight der Druckgraphik überhaupt. Man denke an die kühne Komposition gegenläufiger Linien in dem Blatt »Handlung«.

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Über die formal gewagten, inhaltlich symbolträchtigen Motive entdeckt der Betrachter, wie neu Klingers Arbeiten letztlich sind: In einem Teil der Schau stellt sich auch die Frage nach dem Lob des Herkommens, das nur die aktuellen Elemente im Werk des vor 150 Jahren geborenen Künstlers unterstreicht: Zu den wichtigsten Ahnen gehören Dürer, Rembrandt, de Goya, überraschenderweise tauchen auch Runge, Manet und Kollwitz als Gewährsleute auf, weniger überraschend erkennt man die Patenschaft von Arbeiten Stucks, Kubins und Beckmanns. So kommt es, dass Klinger kein Thema (man denke an die Prostitution) heiß genug war, um es bildlich umzusetzen, und dass er zugleich radikal wie konservativ der gründerzeitlichen Schwere seine, teils bizarren, teils mythologisch verfremdeten Bildvisionen phantasievoll zur Seite stellte.

 

Man muss nicht alles mögen, was Klinger mit seiner Radiernadel geschaffen hat — vieles entgleist ins Kitschig-Süßliche, manches ins ungewollt Komische — , doch schon seine technische Perfektion, gekoppelt mit der Schärfe seiner Beobachtung, ist bewundernswert und der nietzscheanisch fundierte, philosophische Hintergrund seiner Arbeiten stellt Klinger nicht nur auf die Höhe seiner Zeit, sondern machen ihn auch interessant für die folgenden Künstlergenerationen. Was die druckgraphischen Folgen angeht, fügt die Karlsruher Kunsthalle der Schau einen Katalog bei, der sicher den Status eines Standardwerks verdient.



 

Öffnungszeiten

Dienstag bis Freitag 10 – 17 Uhr

Samstag, Sonntag 10 – 18 Uhr

Führungen täglich 15 Uhr, außer Montag

 

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