Ausstellungsbesprechungen

Max Liebermann – Wegbereiter der Moderne und Max Liebermanns Garten, Bundeskunsthalle/ Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik, Bonn, bis 11. September 2011

Max Liebermann ist zu Besuch in Bonn und demnächst in Alkersum auf Föhr; mit der Teilkopie des Liebermannschen Gartens auf dem Dach holt sich die ehemalige Bundeshauptstadt sogar ein Stück Berlin, genauer gesagt: Wannsee, an den Rhein. Vom Bestand der dortigen Liebermann-Villa, wo die Föhr-Ausstellung konzipiert wurde, profitiert auch die ›Westküste‹. Einmal steht Liebermann als »Wegbereiter der Moderne« auf dem Plan, der von Bonn aus noch in Hamburg Station macht; die andere Ausstellung widmet sich dem Meer im Werk des Malers. Günter Baumann hat sich alles angeschaut.

Auf dem Weg vom französischen Impressionismus zu – sagen wir: – Max Beckmann begegnet einem, flankiert von der erstaunlich realistischen Spielart der Pleinair-Malerei in Holland (Jozef Israels, die Maris-Brüder u.a.), fast zwingend das Werk Max Liebermanns, was den Berliner Maler zum tatsächlichen Weg-Bereiter macht, einem Wegbereiter zur figurativen Moderne. Von der heutigen Warte aus betrachtet, ist das keine so weite Strecke, zumal wenn auf der Nebenspur die insbesondere abstrakte Moderne in rasantem Tempo vorbeizieht, die die Liebermannsche Welt manchmal geradezu behäbig, wenn nicht altmodisch aussehen lässt. Freilich kann man ihm deshalb kaum einen Antimodernismus anhängen, wie es manche Kritiker postum taten. Max Liebermann war ein hellwacher Beobachter seiner Zeit, bis ins hohe Alter, wo er die Preußische Akademie der Künste und die Berliner Secession auf internationalen Kurs brachte (wenn auch im Clinch mit der Neuen Secession) und wo er trefflicher als irgendein anderer die Machtergreifung der Nationalsozialisten kommentierte: Er könne »gar nicht so viel fressen, wie er kotzen möchte« - die in Haft genommene Moderne hatte er da auf seiner Seite. Allerdings blieb ihm selbst nur der Rückzug von allen öffentlichen Ämtern, er starb einsam 1935.

Die Bonner Bundeskunsthalle – im Verbund mit der darauf folgenden Hamburger Kunsthalle – und die Berliner Liebermann-Villa – bzw. deren Folgestation im Museum Kunst der Westküste / Alkersum – widmen dem berühmtesten der deutschen so genannten Impressionisten (neben Corinth und Slevogt) große Ausstellungen, die Liebermann nicht neu positionieren, die aber zusammen mit über 150 Arbeiten einen mehr als soliden Blick auf das Gesamtwerk bieten und das Fehlen vieler erstklassiger Werke wettmachen. Die prominente Platzierung des vielgepriesenen Gartens liegt natürlich nicht allein an den Exponaten, sondern auch an der ersten Station der Meer-Bilder in der Wannsee-Villa mit dem dort befindlichen, mittlerweile authentisch wiederhergestellten Garten sowie an der wundervollen Bonner Idee, Liebermanns riesigen Garten auf dem Dach der Bundeskunsthalle zu zitieren – schön, dass er länger zu sehen sein wird als geplant. Trotz des schönen Motivs darf man nicht verkennen, dass der Garten auf Liebermanns Leinwänden eine resigniert-beengende Innenschau darstellt. Ein Aufbruch, und sei es der in die Moderne, findet im späten Werk Liebemanns eher auf der Palette statt, weniger in den Inhalten. Das machen auch die Porträts deutlich, die sicher zu den besten Arbeiten dieses Liebermann-Sommers (bzw. Herbstes) gehören.

Dem psychologisierten Hortus conclusus steht durchaus auch die weite Landschaft gegenüber: In Bonn sind herrliche Arbeiten mit Polospielern zu sehen, die – auch im Abstraktionsgrad – zwischen Bewegungsstudie (insbesondere der Pferde) und Farbenspiel (grandios in einer Ölskizze) changieren. Der luftige Horizont ist als breiter Waldstreifen inszeniert, nach oben offen. Die niederländische Schwäche für Himmel ist auch hier spürbar, sie strahlt aus bis in die »Heuernte in Tirol«, der Untertitel des Bildes »Die Mäher«: Berliner Luft, holländischer Bildwille und voralpines Flair – das muss man erstmal zusammenbringen. Die einprägsamen Einflüsse aus den Niederlanden fallen in der nach zeitlich folgenden Kapiteln aufgebauten Schau durchgängig auf, aber genauso gut kann man Barbizon hier in Anspruch nehmen; für Deutschland eröffnete sich dadurch eine neue Bandbreite an Motiven und Kompositionen. Bis zu seiner Rückbesinnung auf den eigenen Garten entdeckte Liebermann seine Epoche da, wo das natürliche Licht draufschien. Sein Gespür für die Wirklichkeit fand den Strand genauso wie die Waisenhäuser in Amsterdam oder die Gesichter der Porträtierten, die nicht immer glücklich waren über die Intensität der Realität – oder die der Impression?

Die Entscheidung für Realismus oder Impressionismus fällt in der nach Föhr gewanderte Schau über »Max Liebermann am Meer« schnell zugunsten des Impressionistischen aus. Um dem Kitschverdacht zu entgehen, verschleierte er das Wasser zu Farbfeldern. So gesehen ist die in Berlin konzipierte Ausstellung moderner als die Bonner Schau. In Scheveningen arbeitete Liebermann übrigens mit dem Maler Issac Israels zusammen, dem Sohn des eingangs erwähnten Jozef Israels. Ein Vierteljahrhundert fuhr der Berliner Künstler ans Meer, wo eine dreistellige Zahl an Bildern entstand. So wie er hat kein deutscher Kollege das Wasser bis dahin gesehen.

Weitere Informationen

Die Ausstellung wandert im Anschluss weiter in die Hamburger Kunsthalle, wo sie vom 30. September 2011 bis zum 19. Februar 2012 zu sehen ist.

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