Michael Imhof: Frauen in der Kunst – von Nofretete bis Marilyn Monroe. Michael Imhof Verlag

Bilder und Skulpturen mit der Darstellung einer Frau gehören zu den berühmtesten Werken der Kunst – die Büste der Nofretete, die Venus von Milo, der »Frühling« von Botticelli, die Mona Lisa von Leonardo. Ein aktuelles Buch aus dem Michael Imhof–Verlag stellt nun die Bandbreite der Motive vor, in denen die Frau als Bildmotiv auftritt, angefangen von den Darstellungen antiker Göttinnen, Frauen aus der Mythologie und in der Bibel bis hin zu den »Ikonen« der Filmbranche der heutigen Zeit. Das Buch dokumentiert so die Kulturgeschichte der Frau anhand attraktiver Gemälde und Skulpturen, die die Schönheit und die Klugheit der Frauen einfangen. Eine Rezension von Melanie Obraz.

Cover © Imhof Verlag
Cover © Imhof Verlag

Das Buch »Frauen in der Kunst« bekundet seine weite Auffächerung bereits im Titel. Reich an Abbildungen, beschäftigt sich der Autor Michael Imhof in seinen Texten ebenso eingehend mit dem Bild der Frau in der Kunst und damit wie diese von Künstler:innen erfasst wurde und zur Darstellung gelangte.

Dabei steht auch der Blick der Künstlerin auf ihre Geschlechtsgenossinnen – zumindest in einer Darstellung – gleichberechtigt an der Seite der so oft und wohlvertrauten Sichtweise, der männlichen Kunstschaffenden.

Die Zeitspanne ist dabei sehr breit angelegt und reicht von einem Fresko auf Gips aus Pompeji um 55 – 79 v. Chr. und einem ägyptischen Mumienportrait aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert, bis hin zu einer Federzeichnung aus dem Jahr 1987 und zwei Bildern aus den Jahren 2007 und 2010 – u.a. von Künstler:innen wie Artemisia Gentileschi, Élisabeth Louise Vigée Le Brun, Marie–Gabrielle Capet, Raffael, Guido Reni, Jan Vermeer, Peter Paul Rubens oder Salvador Dalí. Dennoch ist dieser weite Horizont auch einem zeitlichen Schwerpunkt gewidmet: Vor allem das 17.–19. Jahrhundert wird mit zahlreichen Bildbeispielen einer eingehenden Betrachtung unterzogen.

Das Buch verdeutlicht, dass die moralische Integrität, die Leidens und Opferbereitschaft, Treue und der Gerechtigkeitssinn des weiblichen Geschlechts ausschlaggebend war, um sie als Frau auf der Bühne der Kunst darzustellen. Neben Stereotypen wie der Femme forte und der Femme fatale reicht die Charakter–Palette von lieblich, angepasst, duldsam, ästhetisch attraktiv, intelligent, belesen bis teilweise sogar überlegen.

Die im Buch sorgsam ausgewählten Beispiele beweisen die höchst unterschiedlichen Facetten des »Wesens Frau« und spiegeln damit eindrucksvoll den Wandel und die Entwicklung des Frauenbildes in der bildenden Kunst wider.
So werden etwa Anklänge an die Amazone der Antike thematisiert, die sich ebenso in einer adrett gestylten Teilnehmerin einer Jagdgesellschaft des 19. Jahrhunderts findet, wodurch das Frauenbild von der Heldin bzw. der Leidensheldin, zur eleganten Reiterin hoch zu Ross avanciert, die in ihrer markanten Schönheit fast unnahbar wirkt.

Blick ins Buch © Imhof Verlag
Blick ins Buch © Imhof Verlag

Einerseits bietet das Buch Einblicke in das hocharistokratische Konzept der in der Gesellschaft stehenden Frau, um andererseits auch ihre Hingabe an einen Mann und an Gott zu illustrieren. Schon die ersten Bilder geben die Gegensätzlichkeiten der Darstellungstypen wieder: Etwa mit dem Typus der »Lesenden«, die einmal in ihrer Extravaganz besticht und dann wieder in den Dünen durch ihre Entspanntheit entzückt. Darin wird das Buch dem Untertitel – »von Nofretete bis Marilyn Monroe« – mehr als gerecht. Die Bilder weisen damit über eine bloße ästhetische Äußerlichkeit hinaus und spielen auf die verschiedenen Charaktere im Weiblichen an. Und noch viel mehr:

Der Frau wird hier eine Bühne zur Darstellung zuteil und damit steht fest, dass es DIE FRAU nicht gibt, sondern ein Konglomerat an Typen in verschiedenen Zeiten, welche die jeweilige Gesellschaft mitprägten.
Sehr hilfreich sind auch die zu bestimmten Themenkreisen mit einem Stern versehenen Literaturangaben, so z.B. zu einzelnen Kunstepochen oder zu Stichworten wie »Der perfekte Schuh«, »Kulturgeschichte der Pariserin seit dem 17. Jahrhundert« u.v.m.

Michael Imhof feiert in seinem der Frau gewidmeten Buch SIE als Aktive, als Schaffende, als Erfinderin der Malkunst schlechthin und ebenso als Passive, als Galatea des Pygmalion. Als Malermodell ist sie Geliebte, Heilige, Muttergottes, Kämpferin und Täterin in Personalunion.

Darüber hinaus arbeitet der Autor den Traditionszusammenhang mit herausragenden Frauengestalten der Vergangenheit in einer vielschichtigen Brillanz heraus, in welcher auch die politische Ebene nicht fehlt. Die Frau ist dabei auch die Unruhestifterin, die mit Autoritäten in Konflikt gerät. Der Diskurs zum Thema Frau in der Kunst und der Gesellschaft wird damit angestoßen und eröffnet das Gespräch über die Tugenden der Weiblichkeit.

Blick ins Buch © Imhof Verlag
Blick ins Buch © Imhof Verlag

Fazit: Der Aufbau des Buches überzeugt mit einer durchdachten Klarheit, um dem Leser/Betrachter ein Fluidum der jeweiligen Epoche zu vermitteln. Die Frau wird in diesem Band nicht ausgestellt, sondern in einem Spektrum der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten präsentiert. Damit wird klar, dass die hier angebotene Sichtweise auf die Frau kein Vorbild für die Gesellschaft der heutigen Zeit sein kann oder sein soll. In der ästhetischen Präsentation des Weiblichen zeigt sich zwischen den Zeilen und ausgewählten Bildwerken doch Raum für Kritik und es ergeben sich Hinweise auf gesellschaftliche Schwierigkeiten wie Veränderungen. Die Randbemerkungen fordern und fördern die private Recherche des Lesers. Bereits der Titel »Frauen in der Kunst« bezeugt damit, dass die Qualität eines Menschen wie auch die Kreativität nicht vom Geschlecht abhängig ist.


Frauen in der Kunst – von Nofretete bis Marilyn Monroe. Michael Imhof Verlag
Herausgeber: Michael Imhof
Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG
22,7 × 29 cm
272 Seiten, 271 Farb– und 4 SW–Abbildungen,
ISBN 978–3–7319–0827–2

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