Porträts

Michael Keppler. Klasse Erwin Gross

Technik und Emotionen bestimmen die Bildsprache Michael Kepplers. Große, vielgliedrige Maschinen ragen in einen nicht näher definierten Raum, stehen – bedingt durch die Komposition, aber auch durch ihre leuchtende Farbigkeit – in spannungsreichem Kontrast zum Hintergrund.

Dieser ist dunkel und monochrom gehalten oder wird von jeweils einer braunen und einer blauen Farbfläche, die willkürlich auf die ungrundierte Leinwand aufgebracht werden, bestimmt. Die Flächen konkurrieren mit einer Maschinerie, die Bewegung und Dynamik vermittelt und so den Eindruck räumlicher Tiefe im Bild entstehen lässt. Dieser wird noch durch die unterschiedlich starke Ausarbeitung der einzelnen Maschinenteile verstärkt: Teils sind sie sehr präzise in Acryl ausgearbeitet, teils nur mit farbiger Kreide skizziert, wodurch sie „unfertig“, wie aus einer Konstruktionszeichnung übernommen erscheinen. So entsteht eine Wirkung, die den Betrachter stutzen lässt: Die Maschinen scheinen bereits zu arbeiten, obwohl sie noch nicht ganz fertig gestellt zu sein scheinen – Michael Keppler vergleicht dies mit der Idee eines Atomkraftwerks, das Energie liefert, obwohl es sich noch in der Bauphase befindet.

Bei der Konzeption seiner Bilder legt der 1972 geborene Schüler der Klasse Gross an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe zuerst fest, wo der Eindruck von Bewegung entstehen, wo sich die feststehende, solide Basis der dargestellten Maschine befinden soll. Ausgehend von dieser Überlegung beginnt er dann mit der Ausarbeitung der technischen Einzelheiten. Immer wieder finden sich identische Elemente, die auf industrielle Serienproduktion verweisen und diese gleichzeitig in Frage stellen: Die Maschinenteile sind – obwohl in ihrer Form identisch – doch immer wieder anders dargestellt. Sie sind von unterschiedlichen Seiten oder in verschiedenen Stadien der Auflösung zu sehen, wirken durch das Spiel von Licht und Schatten jedes Mal einzigartig. In den aktuellen Arbeiten Kepplers finden sich auch mehr und mehr geradezu organisch anmutende Formen. Die im Bild umgesetzten Lichtverhältnisse erzeugen meist eine abendliche Stimmung, zudem wird die Farbwirkung intensiviert, die Farben scheinen geradezu zu glühen.

Dass Michael Kepplers Bilder nicht nur detailreiche technische Spielereien zeigen, sondern durchaus verschiedene thematische Bezüge haben, wird bei genauerer Betrachtung einer seiner neueren Arbeiten deutlich: In der linken unteren Ecke findet sich eine Art Sockel in Form einer liegenden Acht, die Basis der Maschine, die den Antrieb für zwei lange mechanische Arme liefert, an deren Enden sich jeweils eine große helle Kugel befindet. Die mehrfach angewinkelten Arme bestimmen die Komposition des Bildes; sie sind größtenteils in farbiger Kreide ausgeführt, um den Eindruck von Bewegung zu verstärken, sodass sich die Kugeln um eine gemeinsame Achse zu drehen scheinen. Dieser Aufbau erinnert an Planeten in ihrer Bewegung auf den Umlaufbahnen. Der Maler befasst sich in diesem Bild mit dem heliozentrischen Weltbild des Astronomen Johannes Keppler. Allerdings geht es ihm dabei nicht um die bildnerische Umsetzung wissenschaftlicher Theorien. – Sie dienen lediglich als Inspiration für eine bewusst laienhafte, emotionale Auseinandersetzung, die im Betrachter vor allem Assoziationen wecken soll. Der Umgang mit dem Thema lässt die Überzeugungskraft wissenschaftlicher Fakten in einem neuen, kritischen Licht erscheinen. Letzten Endes setzt sich das heutige Weltbild zu großen Teilen aus Modellen zusammen, die leicht darüber hinwegtäuschen können, wie wenig der Mensch tatsächlich vom Wesen der Dinge weiß.

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Folgerichtig sollen die Bilder Michael Kepplers in erster Linie auf emotionaler, nicht auf rationaler Ebene wirken. Die hervorgerufenen Gefühle sollten, so Keppler, in ihrer Wirkung authentisch sei – wie seine Bildsprache. Daher verzichtet er bei seiner Arbeit auf Hilfsmittel wie Lineale oder Fotografien tatsächlicher Maschinen, die als Vorlagen dienen könnten, die dargestellten Objekte versucht er allein aus seiner Fantasie zu entwickeln. Auch tragen die Bilder keine Titel.

Die Bildsprache Michael Kepplers lebt ganz allgemein von den Spannungen, die durch den bewussten Bruch mit den Erwartungen des Betrachters entstehen. So machen bereits die von ihm bevorzugten kräftigen Farben deutlich, dass in seinen Bildern nicht Fortschritt und die damit einhergehende, oft verteufelte Technisierung thematisiert werden. – Die dargestellten Maschinen sind nicht bedrohlich, keine Tötungs- oder Folterinstrumente, vielmehr erinnern sie – auch bedingt durch den erhöhten Betrachterstandpunkt – mitunter schon fast an Spielzeug. Gleichzeitig erlaubt diese Perspektive neue Einblicke, das „Innenleben“ der Maschine ist deutlich sichtbar, ohne jedoch Aufschluss über ihre Funktion zu geben. Diesen Aspekt gewichtet Keppler besonders stark; er konstruiert bewusst zweckfreie, funktionslose Maschinen, die – auch wenn einzelne Fragmente immer wieder auf der Basis von tatsächlich existierendem technischem Gerät entwickelt sind und daher vertraut anmuten – völlig fiktiv sind und so Science fiction-Elemente ins Bild mit einbringen.

Der Betrachter mag angesichts eines Bildgegenstands stutzen, der gewöhnlich mit Rationalität und Funktionalität assoziiert wird, hier aber eine emotional stark aufgeladene, geradezu verspielte Darstellung erfährt. Die Präsentation unterstützt diese Bildwirkung noch: War die Leinwand bei früheren Arbeiten Michael Kepplers wie allgemein üblich auf einen Keilrahmen gespannt, so entwickelte er für seine aktuellen Bilder aus einem Koffer zur Aufbewahrung von Dialeinwand eine spezielle "Präsentationsmaschine". An die Stelle der Dialeinwand ist eine bemalte Leinwand getreten, die in aufgerolltem Zustand im Koffer gelagert oder transportiert werden kann, aber auch mechanisch ausfahrbar ist. So kann das Bild den ihm gebührenden Raum einnehmen, aber auch völlig zurückgenommen werden. Die Präsentation wirkt ebenso spielerisch wie die Darstellung der Maschinen und ist nicht an einen bestimmten Ort gebunden, wie auch der Bildraum nicht näher definiert ist; sie stellt den Status des Kunstwerks in Frage und läuft der Idee eines ehrfürchtigen Umgangs mit dem Gemälde zuwider. Gleichzeitig erinnert die ausfahrbare Leinwand an eine Vortragssituation, doch fehlen rational erklärbare Fakten, wodurch wiederum Funktionalität vorgetäuscht, zugleich aber ad absurdum geführt wird. Dies entspricht durchaus dem Kunstwollen Michael Kepplers.    

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Hatte er anfangs noch beabsichtigt, Design zu studieren, so stellte er bald fest, das die Vorgabe einer Funktion, nach der sich der Entwurf zu richten hat, ihn in der Gestaltung zu stark einengt. Die freie Kunst dagegen bietet ihm die Möglichkeit, den Status quo kritisch zu hinterfragen anstatt sich vorbehaltlos in die Gesellschaft einzufügen, so Keppler. Dabei geht es ihm nicht darum, belehrend auf den Rezipienten einzuwirken, weshalb seine Bilder bewusst auf ein vereinfachendes „Gut und Böse“-Schema verzichten, weder etwas anprangern noch verurteilen. Dazu fühlt sich Michael Keppler als Maler auch überhaupt nicht berechtigt. Vielmehr möchte er mit seiner Kunst Fragen aufwerfen und Denkanstöße geben, scheinbar Vertrautes in neuem Licht erscheinen lassen.

Dieses Porträt entstand im Rahmen der von Dr. Kirsten Claudia Voigt geleiteten Übung "Akademie, Atelier, Ausstellung - eine Schreibwerkstatt" im SS 2004 am Institut für Kunstgeschichte der Universität Karlsruhe.

 

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