Ausstellungsbesprechungen

Michael Reisch / Peter Schlör – Fotografien

Zweimal Fotografie, zweimal Landschaft – die Kunsthalle Erfurt präsentiert derzeit Arbeiten von Michael Reisch und Peter Schlör. Beide Künstler reflektieren in ihren Fotografien das immer aktuelle Verhältnis von Mensch und Natur und schließen dabei den Menschen in persona von der Bildfläche aus.

Selten bleibt ein flüchtiger Schatten der menschlichen Figur; es ist die Menschenleere, die ihren Landschaften das eigenwillig Schöne und zugleich Befremdliche gibt. Es sind Bilder von natürlichen Räumen, deren reale Existenz suggeriert wird, die durch technische Manipulation aber zu Kunstgebilden werden.

»Deep Black« heißt die Ausstellung Peter Schlörs. Ihn interessieren Archetypen wie der Berg, der Fluss, der Baum oder das Haus – Symbole, die in jeder Kultur, zu jeder Zeit zu finden sind. Seine Fotografien nehmen die ganze Kraft ihrer Wirkung aus einem radikal gesteigerten Hell-Dunkel-Kontrast, der teilweise bis zur Auflösung des Hintergrundes in ein die nächtliche Unendlichkeit suggerierendes Tiefschwarz über geht und in dem alles Überflüssige verschwindet. In der Reduzierung auf das Schwarzweiß, mit der der Künstler von Beginn an seiner fotografischen Auseinandersetzung Mitte der 1980er Jahre arbeitet, baut sich über diesen Kontrast und die damit verbundene Intensivierung des Licht-Schattenspiels eine beeindruckende Dramatik auf.

Dieser formalen Spannung steht durch das Befreien der Bilder von narrativen Details eine beruhigende Stille gegenüber. Diese Leere in den der Realwelt entnommenen und zur Vision verfremdeten Fotografien ist es, die Denkräume öffnet.

Anfänglich waren es die analoge Aufnahme und der Handabzug, heute bevorzugt Schlör eine Arbeitsweise, bei der die digitale Aufnahme und Bearbeitung unabdingbar sind. Neben der Kontraststeigerung, dem Eliminieren von überfrachtenden Details werden verschiedene Versatzstücke eines Bildmotivs oder ein vervielfachter Bildausschnitt zum Panorama montiert, dessen formal strenge Komposition auf Symmetrie und klassischen Proportionsverhältnissen beruht.

In den Bildern entsteht auf diese Weise ein eigener Rhythmus. Bei einigen Arbeiten gewinnen die Oberflächen durch die technische Verfremdung außerdem eine völlig neue Qualität, das abgelichtete tunesische Bergdorf Chenini (2004) erhält einen druckgrafischen Charakter, die »Moschee« (1988) assoziiert ein sachlich abgebildetes Architekturmodell.

Darüber hinaus experimentiert Schlör bei seinen Fotografien ebenso mit dem Format, auch hier sind es die Extreme, die in starken Überlängen (z. B. »Hochwasser« 2003) ihren Ausdruck finden.

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Michael Reisch – aus der Becher-Schule kommend – bewegt sich ebenfalls mit seinen farbigen, großformatigen Natur- und Kulturlandschaftsaufnahmen im Grenzbereich zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Seine irritierenden Erfindungen und Simulationen sind »subjektlose Welten« (Rolf Hengesbach), bei denen er während einer nachträglichen digitalen Bearbeitung des Fotomaterials alles an eine menschliche Existenz Erinnernde von der Bildfläche tilgt. In der Werkgruppe »Architektur« zeugen einzig die zum Bildmotiv gewordenen Gebäude – ein Wohnblock, ein Kühlturm oder eine Produktionsanlage – von Gestaltungswillen und dessen konkreter Umsetzung durch den Menschen. In der Werkgruppe »Landschaft« dominieren die ebenmäßigen Wellen der Hügelketten mit ihren wie mit einem weichen grünen Teppich bedeckten Oberflächen. Das Fehlen jeglicher Spur einer zivilisatorischen Benutzung - weder ein ausgetretener Weg noch irgendein Gegenstand - nicht der kleinste Hinweis auf menschliche Anwesenheit, sind zu finden. Perfektion regiert die von allem Menschlichen entleerte Natur. Die vorgeführten Landschaften wirken so rein und aufgeräumt, dass ihr Anblick ein ambivalentes Gefühl erzeugt.

Neben dieser Reduzierung greift Reisch teilweise in das vorgefundene Kompositionsgefüge ein, verändert es auf subtile Art und Weise. Brüche fallen dadurch selten sofort ins Auge, erst bei genauer Betrachtung ist in verschiedenen Bildbereichen eine Diskontinuität in den Hügelformationen zu bemerken. Das faszinierende Grün und der wolkenverhangene, das Bild in ein gleichmäßiges, neutrales Licht tauchende Himmel umschließen die Fotografien in beiden Werkgruppen wie eine stilistische Klammer.

Beide Künstler zeigen Landschaften, die real und unwirklich zugleich sind. Das Naturschöne wird simuliert, alles Störende eliminiert und das, was bleibt, besitzt eine Perfektion, in der Befremden und eine Schönheit, die das Unbehagen kennt, mitschwingen. Das Schwanken zwischen abgebildeter Realwelt und Kunstgebilde wird zusätzlich durch die Form der Präsentation unterstützt. Ein Großteil der Arbeiten wird als Diasec präsentiert; die dem Verfahren eigene Brillanz und die perfekten Oberflächen erzeugen eine spezielle Ästhetik, die Unmittelbarkeit und Präsenz, aber zugleich Distanz und Abwesenheit vermittelt.

 

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 11-18 Uhr
Donnerstag 11-22 Uhr

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