Ausstellungsbesprechungen

Mimmo Jodice – Transiti, Kunstsammlung Jena, bis 11. August 2013

Der italienische Fotograf Mimmo Jodice überbrückt in den Bilddialogen seiner Serie »Transiti« mal einfach so 500 Jahre Kunstgeschichte. Rowena Fuß hat das dubiose Zeitparadoxon unter die Lupe genommen.

Was zuerst an den Fotografien auffällt, ist die scheinbare Abwesenheit von Zeit. Straßenjungen, Diven, Mädchen und Hollywood-Beaus stehen Mönchen, Mägden und Madonnen gegenüber. Obwohl in den Bildern überaus präsent, gleitet das Auge des Betrachters ohne Notiz zu nehmen über die Vanitassymbolik einiger Aufnahmen. Flüchtig schweift es über Schädelreliquien oder tote, hingeworfene Körper, Schönheiten – junge wie alte – sowie Musik und Tanz.

Mit meisterlicher Bravour hat sich Mimmo Jodice eines wesentlichen Charakteristikums der Fotografie bedient: den Moment für die Ewigkeit festzuhalten. Freilich teilt die Fotografie diese Eigenschaft mit der Malerei. Jodice hat mit seiner Gegenüberstellung von Figuren aus Gemälden Alter Meister und aktuellen Aufnahmen aus den Straßen Neapels jedoch bewirkt, dass die Geschichte in die Gegenwart hineinragt, dass sich alt und neu verzahnen. Und noch mehr: Faszinierenderweise finden sich in den Mimiken und Gestiken der Dargestellten viele Gemeinsamkeiten: Die Zeiten mögen sich ändern, aber Gefühle und ihre Ausdrucksweisen bleiben gleich. Obschon zwischen den Bildern eine große Zeitspanne liegt, gleichen die Abgebildeten den unterschiedlichen Mitgliedern einer Familie.

Jodice sucht nach expressiven und gestischen Verbindungen, nach Gemeinsamkeiten, die unsere individuelle Identität ganz direkt in eine kollektive Vergangenheit einbinden. So entstehen ganz eigene Bildergeschichten. Da gibt es beispielsweise die Geschichte des Kardinals Alessandro Farnese, der 1534 zum Papst gewählt wurde und als Paul III. nicht nur Vetternwirtschaft betrieb und zwei Enkeln zu Kardinalswürden verhalf, sondern auch den englischen König Heinrich VIII. (und mit ihm ganz England) mit dem Interdikt belegte. Darüber hinaus strebte er auf dem Konzil von Trient eine Erneuerung der Kirche an. Ursache waren die Forderungen und Lehren der lutherschen Reformation.

Sein Porträt, 1509-11 von Raffael gemalt, hat als Pendant einen kleinen neapolitanischen Jungen, der misstrauisch in die Kamera schaut. Die Mimik des zukünftigen Papstes mag hingegen zunächst eine gewisse Kühle ausstrahlen. Doch schaut man sich die Augenpartie genauer an, fällt einem der wache – vielleicht auch leicht amüsierte – Blick des Dargestellten auf. Dieser findet sich auch in einem späteren Bildnis von Tizian wieder, das 1543 entstand. Ihm gegenübergestellt ist ein älterer Mann hinter einem Fensterkreuz. Sein Blick wirkt leicht gereizt, ausgesprochen ungnädig schaut er den Betrachter an.

Es ist verlockend, diese Geschichte in weiteren Aufnahmen fortzuspinnen und unbekannte Personen miteinander zu vergesellschaften. Insgesamt 55 Fotografien können in der Schau entdeckt werden. Sie ist übrigens die erste Einzelausstellung Mimmo Jodices in einem deutschen Museum.

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