Ausstellungsbesprechungen

Mit fremden Federn. Antike Vogeldarstellungen und ihre Symbolik, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, bis 24. Oktober 2010

Klein aber fein ist diese Ausstellung. Klein, da sie nur 5 Räume umfasst, fein, weil sie anregend, ja, faszinierend ist und den Besucher mit vielfältigen Denkanstößen entlässt. Unser Autor Walter Kayser war vor Ort.

Antike Vogeldarstellungen und ihre Symbolik sind das Thema der Sonderausstellung, die im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen schon seit einigen Wochen, aber noch bis Ende Oktober zu sehen ist. Sie trägt den Titel „Mit fremden Federn“, - einer heute noch geläufigen Redensart, die auf eine alte Fabel von Aesop zurückgeht. Erzählt wird von der eitlen Krähe, die sich einst mit den abgeworfenen Federn eines Pfaus aufhübschen wollte. – Vergeblich, wie man sich denken kann, denn verrupft und gedemütigt musste sie sich zu ihresgleichen zurückscheren. Die Kritik solcher Gefallsucht trifft allerdings ausnahmslos alle, haben sich doch die Menschen mit fremden Federn geschmückt, solange es Menschen gibt. Zu groß ist von alters her die Magie, die von allen gefiederten Mitgeschöpfen ausgeht, die da kreuchen und fleuchen. Kaum ein Junge, der nicht die Faszination empfunden hätte, mit einer Häuptlingskrone herumzulaufen, kaum ein Mädchen, das nicht um die attraktive Wirkung einer schillernden Feder etwa als Ohrring wüsste.

Vögel sind nicht nur seit Urzeiten Nahrungslieferanten in Form von Fleisch oder Eiern; sie beflügeln vor allem die Phantasie. Sie wecken den uralten Traum, sich schwerelos in die Lüfte erheben zu können. So werden sie zum Ausgangspunkt von Seelenvorstellungen, von Jenseitsreisen, Götterboten, Engeln, luftigen Elfen und Genien aller Art. In den antiken Hochkulturen des Zweistromlands waren sogar die Stiere und Löwen geflügelt, was auf die Sphingen und biblischen Cherubin abgefärbt hat. Doch neben dem Traum von Himmelseroberung und Schwerelosigkeit ist es auch der Vogelgesang, ihr Balzverhalten, die unüberbietbare Farbenpracht ihres Federkleides, durch die sich Menschen immer wieder angezogen und zu Geistesflügen inspiriert fühlen.

So ist es kein Wunder, dass man das ehemalige Benediktinerkloster zu Allerheiligen in Schaffhausen, eines der schönsten architektonischen Gesamtkunstwerke der Schweiz, mit der Ahnung verlässt, dass dieses Thema im Zwischenfeld von Natur und Kunst angerissen, aber keineswegs erschöpfend vorgestellt wurde.

Die Idee zur Ausstellung verdankt sich der zufälligen Koinzidenz regionaler Persönlichkeiten, des Sammlers Marcel Ebnöther und des Präparators und Hobbyornithologen Carl Stemmler. Ersterer hat dem Museum seine bunte Sammlung an archäologischen Stücken unterschiedlicher Kulturen überlassen, worunter vor allem die Funde aus Südamerika und darin wiederum eine beträchtliche Zahl von Vogeldarstellungen herausragen. Im Schnittpunkt dieser beiden Interessengebiete drängte sich also für die Kuratoren wie von selbst die Idee zu dieser Ausstellung auf. Es ist auch nur logisch, dass im Zentrum ikonografische, kulturgeschichtliche und ethnologische Zugänge stehen.

Gezeigt werden rund 130 Exponate der archäologischen Sammlung Ebnöther, darunter antike Schmuckstücke, Skulpturen, Vasen und Waffen aus Süd- und Mittelamerika sowie des alten Orients, des antiken Italien und Griechenland. Nicht minder schillernd und farbenprächtig präsentieren sich die 50 ausgestopften Vogelexemplare aus der Sammlung des Kürschners und Naturschützers Carl Stemmler. Die gezeigten Objekte der beiden Bereiche Natur und Kunst werden unmittelbar nebeneinander in stilisierten Käfigen oder zentralen Gestellen präsentiert, die schlicht aber wirkungsvoll aus grob gehobelten Dachleisten zusammengezimmert wurden.

An den Wänden befinden sich kleine Wandtafeln, farblich entsprechend voneinander abgesetzt, die dem Besucher die nötigsten biologische und kulturgeschichtliche Informationen liefern. Das alles hat ein bisschen den Charme alter aristokratischer Wunderkammern. Jeder der eher kleinen Räume des Erdgeschossflures gibt mit einer anderen metaphorischen Überschrift einen neuen Schwerpunkt an. Da ist von den „pfiffigen Kerlen“ die Rede, also den Gesangskünsten, die auf etlichen Pfeifen und kleinen Musikinstrumenten nachgeahmt wurden. Da die gesamte Ausstellung einen deutlich didaktischen Impetus besitzt, kann man natürlich auch zu den ausgestopften Präparaten der heimischen Vogelwelt mit Tonband und Kopfhörer die entsprechenden Gesänge anhören. Die Vergöttlichung bzw. Rolle als Götterattribute wird idealtypisch einerseits in der reglos lauschenden Eule und andererseits in der lieblich schnäbelnden Taube gegenübergestellt. Sie sind bekanntlich die Begleiter von Athene und Aphrodite. Eros und Thanatos, nicht erst seit Freud die Polarität des Lebens, spiegeln sich in dieser Symboltradition wider.
Ein anderer Raum mit dem Titel „Vogelkrieger und Kriegervögel“ rückt die Faszination für den Jagdinstinkt, die Treffsicherheit und Schnelligkeit in den Blickpunkt, der sich vielfältig und zumeist sehr stilisiert in Gefäßen, Rollsiegeln und Schmuckstücken in Form von scharf gebogenen Adlerschnäbeln und Fängen wieder findet.

Im letzten Raum mündet man in einem etwas wahllos zusammen gewürfelten Nebeneinander aller möglichen Erscheinungsformen, die das Vogelmotiv in der Trivialwelt unserer kommerziellen Gegenwart dokumentieren will: Hier geben sich Werbeemblem, Volkslied, Disneyfigur und Klavierstücke Robert Schumanns ein buntes Stelldichein. Das ist vielleicht konsequent, wenn man von Anfang an den kontrastreichen Zugang auf ein ubiquitäres und archetypisches Symbol gewählt hat, fällt aber doch enttäuschend ab.

Demgegenüber wertet die im Verlag Hirmer erschienene umfangreiche Publikation den Gesamteindruck wieder auf. Die Qualität der wissenschaftlichen Beiträge vertieft das Verständnis für die Exponate sehr. Und nicht zuletzt die hervorragende fotografische Reproduktion im Großformat macht die Schönheit der oft doch recht kleinen Kunstwerke wirkungsvoll bewusst.

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