Kunstbücher für junge Leser, Rezensionen

Monika Horncastle/ Frank Laukötter/ Meike Su (Hg.): Paula – Farbe in die Ohren, Horncastle Verlag 2012

Ein halbes Jahr lang beschäftigten sich Schüler der Paula-Modersohn-Schule in Bremerhaven mit den Bildern der Malerin und Namenspatronin. Aus ihren Eindrücken entstanden schließlich ein Buch und zehn Audiobeiträge. Rowena Fuß hat für Sie reingehört und -geschaut.

Ergebnisse des Projekts zwischen Schule, dem Bremer Museum und Radio Bremen sind Klangbilder, fiktive Geschichten und Interviews, die die Themen der Bilder aufgreifen. In 14 kurzen Kapiteln wird im Buch nicht nur chronologisch die Lebensgeschichte der expressionistischen Malerin und Grafikerin Paula Modersohn-Becker erzählt, sondern auch themenorientiert ihr Œuvre erforscht. Es gilt, ihre Werke sehend und hörend zu entdecken und auch selbst in Aktion zu treten.

Parallel zu Modersohns Streben, das Wesen der Dinge zu erfassen, soll es der jugendliche Leser nachmachen, etwa indem er sich eine Teekanne sucht, die Vorhänge im Zimmer zuzieht und die Schattenformen der Kanne mittels einer Taschenlampe genauer unter die Lupe nimmt. Im Anschluss soll er zu den Schatten passende Klänge finden.

Ausgangspunkt für alle Experimente bildet immer der Abschnitt zu Paula Modersohn-Becker. Beigestellt sind den Aktionen zudem Kurzinformationen zur Worpsweder Künstlerkolonie, den Weggefährten und Freunden, zu denen der Dichter Rainer Maria Rilke zählte, oder Inspiratoren Modersohns, etwa Paul Cézanne und Paul Gauguin, sowie Erläuterungen zu Fachtermini wie Cloisonismus. Immer wieder wird der Leser dazu aufgefordert genau hinzuschauen und den eigenen Blick zu schärfen. So dient das »Stillleben mit Milchsatte« (1905) etwa dazu, Modersohns „schiefe“ Optik zu illustrieren. Verbunden ist die Betrachtung der Arbeit mit der Aufforderung, selbst ein Mahlzeitstillleben zu zeichnen, es aufzuessen und diesen Vorgang mit Pfeilen in einem Geräuschbild zu dokumentieren.

Dieser regelmäßige Bezug zur Synästhesie erinnert an Wassily Kandinsky. Der russische Konstruktivist ordnete in seiner kunsttheoretischen Schrift »Über das Geistige in der Kunst« (1911) den Farben tiefere Bedeutungen wie auch verschiedene Sinneseindrücke zu. Die Farbe Gelb charakterisiert er deshalb nicht nur als „warm“, „irdisch bis zu aufdringlich“, „aggressiv und exzentrisch“, sondern assoziierte ebenso einen grellgelben Farbfleck mit dem hohen Ton einer Trompete. Man stelle sich nun vor, wie Modernsohn-Beckers Bilder für einen Synästhesisten klingen müssen! Vermutlich würde Kandinsky die dumpfen Gelbtöne der Pflanzen, die bis ins Braun reichen, sowie das matte blau-graue Kleid im Bild »Flöte blasendes Mädchen im Birkenwald« (1905) mit einer Tuba oder einem Horn und einer Oboe verbinden: Ausdrucksstarke eher tiefe bzw. dunkle, schwere Töne, die etwas Melancholisches oder Bedrückendes an sich haben. Jedenfalls nichts mit dem hellen fröhlichen Klang der abgebildeten Flöte.

Dem Buch beigelegt ist eine CD mit den interpretierenden Hörstücken der Schüler. Auch hier begleiten Instrumente wie Panflöten, Glocken, ein Klavier, Geigen oder sogar eine Spieluhr die gesprochenen Texte. An dieser Stelle sei nochmals betont, dass diese von Schülern der 8. Klasse aufgenommen wurden. So manchem älteren Zuhörer mag die extreme Jugendsprache aufstoßen, doch zeigt dies nur, dass die Veröffentlichung für ein anderes Publikum gedacht ist. Nämlich für Kinder ab 6 Jahren. Eine 12-jährige Testperson störte sich beispielsweise nicht daran. Schwierig war für sie einzig die Zuordnung von Buchbeitrag und Hörstück.

Alles in allem ergibt sich ein dennoch reizvoller, multimedialer Tauchgang in Modersohns Werk, den ich jungen Erforschern der Kunst empfehlen kann.

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