Ausstellungsbesprechungen

Moving Types / Bewegte Typografie – Eine Retrospektive von den Anfängen des Films bis heute, Galerie im Prediger, Schwäbisch-Gmünd, bis 25. November 2012

Noch bis Sonntag können Schriftbegeisterte, Bücherwürmer und Medienfreunde in Schwäbisch-Gmünd mit der Typografie des 21. Jahrhunderts experimentieren. Günter Baumann hat sich für Sie an den bewegten Lettern erprobt.

Die Welt von morgen begann bekanntlich gestern. So müssen die Mitarbeiter des »z zg«, mysteriöses Kürzel des auf den ersten Blick nicht minder geheimnisvollen Zentrums Zeitbasierte Gestaltung, gedacht haben: Dieser Verbund zwischen dem Institut für Mediengestaltung der FH Mainz und der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd einerseits sowie dem Gutenberg-Museum Mainz hat eine Ausstellung bewegter Typografie konzipiert, die den geistigen Vater der beweglichen Lettern, Johannes Gutenberg, in Staunen versetzt hätte. Der Revolutionär des Buchdrucks, einer der wichtigsten Erfinder des vergangenen Jahrtausends, wäre vermutlich den Tränen nahe: Hier ist nicht weniger und nicht mehr zu sehen als die Erfüllung und Vollendung seines Denkens – mit offenem Ausgang, denn es könnte die Betonung auf der »-endung« liegen.

Dass es des Buchs nicht mehr bedarf, zeigt die Schau, die nach der ersten Station in Mainz nun noch bis zum Wochenende in Schwäbisch Gmünd zu sehen ist. Es wird mit Sicherheit nicht die letzte Station sein – für 2013 steht Warschau auf dem Fahrplan. Zur Finissage lassen die Kuratoren Ralf Dringenberg (Schwäbisch Gmünd) und Anja Stöffler (Mainz) im Turm-Theater (Pfeifergässle 34) die Filmleinwand hoch, um die Highlights der »Moving Types« zu präsentieren. Und in der Galerie im Prediger, wo die eigenwillige Ausstellung zu sehen ist, steigt eine Matinée, die jene erstmalige museale Absegnung eines neuen Zeitalters feiert. Dabei sei eines schon festgehalten: Das Buch besteht weiter, nebenher. Auch dieses beruhigende Faktum liefert die mit dem red dot design award ausgezeichnete Ausstellung gleich mit durch einen Katalog, der im Unterschied zu bekannten Publikationen eine »Gebrauchsanweisung« vorwegstellt. Mittels Apps und CR-Codes können ausgewählte Filme daraus heruntergeladen werden. Wohl dem, der das Equipment dazu hat.

Ausgerüstet muss man auch die Ausstellung selbst in Augenschein nehmen, um Sequenzen aus James-Bond-Filmen oder Winnie Puuh zu sehen oder die rund 280 Künstlerarbeiten und Gestaltervisionen abzurufen. Denn nichts von alledem ist greifbar. Die Welt wird virtuell oder anders gesagt: Die Wirklichkeit findet nicht mehr unbedingt da statt, wo ich grade bin. Die neuen Medien machen der Schrift und dem Lesen wie dem Schauen Beine. Dank SMS-Botschaften lässt sich sogar die Fensterfront des Museums bespielen. Eigentlich dem Ideal des Gesamtkunstwerks verpflichtet, das Text, Bild und Ton vereint, sieht man sich hier auch mit einer Zeit konfrontiert, die dem ganzen Bewegung und Virtualität, sprich einen künstlichen Raum hinzufügt. Gesamtkunstwerk goes Multimedia!

Praktisch umfasst die Ausstellung Filmvorspänne, Medienclips, Werbebotschaften, Musikvideos und Internetbilder. So kommen Fritz Lang genauso zu Ehren wie Oskar Fischinger oder Gary Hill. Gewöhnungsbedürftig ist freilich die Konfrontation mit der sogenannten Medienlounge, die etwa 300 kodierte Würfel enthält, die man per iPad »einlesen« kann. Sechs Themen-Cluster führen das Medienzeitalter buchstäblich vor. Schätzungen zufolge müsste man allerdings dafür zwei Tage Zeit mitbringen, um alles zu sehen, was es zu entdecken gibt. Realistisch sieht es dann wohl so aus, dass man ein Segment an Eindrücken aus dieser überwältigenden Medienschau mit nach Hause nimmt und der eine oder andere vielleicht froh ist, einen Film im Kino ansehen, einen Bildband blättern – oder sogar einen Roman in die Hand nehmen zu können.

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