Buchrezensionen

Museum Schloss Moyland (Hrsg.): Natur als Kunst. Landschaft im 19. Jahrhundert in Malerei und Fotografie, Wienand Verlag 2016

Das Verhältnis von Kunst und Natur ist sicherlich eines der meistdistkutierten Themen in Kunst und Kunstwissenschaft. Dabei verändern sich künstlerische Herangehensweisen an Natur und Landschaft, etwa durch neue Techniken So bedeutete die Verbreitung der Fotografie im 19. Jahrhundert einen anderen Umgang mit der Landschaft – und vor allem eine breite Anzahl an Vorlagen für Künstler! Die Publikation widmet sich diesem Verhältnis von Fotografie, Malerei und Landschaft. Andreas Maurer hat gern in ihr geblättert.

Seit jeher steht das Schloss Moyland für eine einzigartige Verbindung von Kunst und Natur. Mit der Ausstellung »Natur als Kunst – Landschaft im 19. Jahrhundert in Malerei und Fotografie« widmete man sich nun einmal mehr dieser für das dort ansässige Museum so charakteristischen Symbiose. Erstmalig traten bei diesem Projekt ca. 100 internationale Landschaftsfotografien aus den Beständen des Münchner Stadtmuseums in einen spannenden Dialog mit ca. 75 Ölgemälden und -studien aus der ehemaligen Privatsammlung des Kunsthistorikers Christoph Heilmann, welche sich heute als Stiftung am Lenbachhaus in München befindet.

Die vorliegende begleitende Publikation setzt ihren Fokus, neben einigen Grafiken, aber hauptsächlich auf die Fotografien aus der Sammlung des Münchner Stadtmuseums – den sogenannten Études d´après nature (Studien nach der Natur), die von deutschen, französischen, englischen und italienischen Fotografen aus der Zeit von 1850 bis 1890 stammen. Auch wenn es die in der Ausstellung präsentierten Ölgemälde und –skizzen und deren Gegenüberstellungen mit den Fotografien leider nicht in den Katalog geschafft haben (hierzu verweist man ergänzend auf die eigene Ausgabe der Christoph Heilmann Stiftung), so spiegelt sich die Ausstellungskonzeption darin dennoch wider: In 5 Kapiteln erklärt und präsentiert man anhand von zahlreichen Fotografien die in die Natur verliebte Zeit des 19. Jahrhunderts, in welcher die Landschaft endlich zum bildwürdigen Thema erklärt wurde und sich ein tiefgreifender Wandel in der Naturauffassung bzw. deren Darstellung erkennen lässt. Um einen Gesamtüberblick über die bis dato wenig erforschte Materie zu bekommen ist hier besonders der grundlegende Einführungsaufsatz von Dr. Ulrich Pohlmann zu empfehlen. Die einzelnen Kapitel werden in weiterer Folge durch kurze Texte von Rudolf Scheutle, Svenja Paulsen und Sabrina Mandanici eingeleitet.

»Es drängt sich alles zur Landschaft«. So charakterisierte Philipp Otto Runge den Aufbruch der Landschaftsmalerei um 1800, und tatsächlich wurde die Natur nun zum Freilichtatelier schlechthin. Neue, leicht handhabbare Tubenfarben und fotografische Aufnahmeverfahren machten die Wiedergabe eines spontanen Natureindrucks erstmals möglich, und schließlich führte der zeitgleiche Einsatz von Malerei und Fotografie zu einem intensiven Wechselspiel zwischen den beiden Genres.

Als Vorlagenstudie kam der Natur– und Landschaftsfotografie große Bedeutung für die Maler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu, während die neue Kunstform selbst eine an die Malerei und Druckgrafik angelehnte Bildwelt und Ästhetik entwickelte. Zunächst fanden die fotografischen Abbildungen als Studiensammlungen Einzug in die Malateliers (sie sollten den Künstlern als Erinnerungsstütze und Korrektiv ihrer Wahrnehmung dienen), und lösten auf diesem Wege jene grafischen Vorlagewerke des 18. und 19. Jahrhunderts ab, welcher sich die Künstler zuvor bedienten.

Besonders die künstlerisch hochwertigen Fotografien aus Georg Maria Eckerts »Studien nach der Natur für Maler und Architekten« hinterlassen beim Betrachten des Katalogs einen bleibenden Eindruck. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von 276 Blättern, die alle in unmittelbarer Umgebung des Heidelberger Schlosses entstanden sind, und zusammen einen der ersten Bestandskataloge bilden, welcher bewusst für Maler und Architekten geschaffen wurde.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts verfügte ein beträchtlicher Teil der Künstler über Fotoarchive, die sich aber nur in seltenen Fällen bis heute erhalten haben. Von vielen hat man aber auch keine Kenntnis, wurde der Gebrauch dieser »Arsenale der Erinnerung« doch meist verschwiegen, da diese im Widerspruch zu jenem im 19. Jahrhundert so vergötterten Begriff des »Genies« standen, das nur aus der Fantasie schöpft und keiner mechanischen Hilfsmittel bedarf.

»Die Malerei ist tot, es lebe die Fotografie«. Dieser vielzitierte Ausspruch von Paul Delaroche nimmt nicht nur in der Ausstellung, sondern auch im Katalog eine zentrale Position ein und greift bereits der Fragestellung nach der bis heute anhaltenden wachsenden Autorität des fotografischen Bildes voraus. Denn schon bald nach der Veröffentlichung der ersten fotografischen Verfahren geriet die jahrhundertealte Hierarchie der Künste in eine Krise, welche schließlich eine Neuorientierung der ästhetischen Ausdrucksformen erzwang und die nach traditionellen Gesichtspunkten komponierte Landschaft allmählich ablöste. Gerade Naturphänomene und Wetterstimmungen sowie Wellen, Regen, Wolken und Gewitter, die aufgrund ihrer flüchtigen Erscheinungsformen nur begrenzt nach der Natur studiert werden können, waren begehrte Aufnahmemotive.

Aber auch mit der fotografischen Reproduktion berühmter Kunstwerke, konnte die neue technische Produktion punkten, machte sie doch erstmals die Vervielfältigung von schwer zugänglichen Kunstwerken in Privatbesitz möglich, womit das Schaffen einzelner Künstler nunmehr lückenlos in hochwertigen Abbildungen erschlossen werden konnte. Nicht nur konnte das Werk eines Künstlers damit unabhängig von seinem Standort studiert werden, sondern auch die Maler und Bildhauer selbst bedienten sich der fotografischen Darstellung ihrer Schöpfungen, versandten Abzüge einzelner Bildwerke, um interessierte Sammler, Galerien und Museen über ihre Produktion zu informieren, und bewarben sich mit solchen Abbildungen der eigenen Werke für kommende Ausstellungen. Diese Fotografien sind zwar im Katalog nicht erhalten, gemäß dem Titel der Ausstellung werden aber der Leserin und dem Leser in dieser schlanken Publikation fast ausschließlich ganzseitige historische Aufnahmen von Natur präsentiert, welche für die meisten Augen der Gegenwart dennoch neu sein dürften – dazu seien etwa die wunderschönen Studien von Carl Teufel oder Adolphe Braun erwähnt. Letzterer wurde mit seinen Mappenwerken aus den berühmten Gemäldegalerien und Kupferstichkabinetten von Florenz, Paris, Wien und anderen europäischen Städten auf dem Gebiet der Kunstreproduktion einer der bedeutendsten Fotounternehmer Europas.

Im Anhang des Kataloges finden sich ein weiterführendes Literaturverzeichnis, wie auch ein Verzeichnis der ausgestellten Werke, inklusive Angaben zu Titel, Datierung, Technik und (sofern bekannt) Provenienz. Die Publikation stellt für Kenner wie auch Laien in jedem Falle eine Bereicherung dar, auch wenn man vielleicht in einigen knappen Fußnoten manches in den Texten erwähnte technische Verfahren der Fotografie erklären hätte können. Letztendlich muss man aber vor allem den lobenswerten Anspruch dieser Ausstellung, wie auch des Katalogs hochhalten: Nämlich der Fotografie des 19. Jahrhunderts endlich jenes Attribut anzuerkennen, welches ihr (bis heute) verwehrt und allein der Malerei vorbehalten war – die Sinnlichkeit.

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