Ausstellungsbesprechungen

Nachtrag: Aus weiter Ferne – Andreas Feiningers fotografisches Werk, Zeppelin Museum Friedrichshafen, bis 8. März 2015

Neben seinem berühmten Vater Lyonel wird Andreas Feininger gerne einmal vergessen, doch ist der Fotograf international präsent. Der Pflege seines Nachlasses hat sich das Zeppelin Museum in Friedrichshafen verpflichtet. Günter Baumann hat sich die letzte Ausstellung angesehen und sich im Nachgang einige Gedanken gemacht.

Es ist fast symptomatisch: Andreas Feininger ist einer der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts – und doch denken viele Kunstinteressierten beim Namen zunächst an dessen Vater Lyonel. Dabei tauchen seine Fotos immer wieder im Kontext insbesondere mit New York auf, wohin es den Exilanten 1939 über Paris und Stockholm führte. Die sind aber möglicherweise schon solche Ikonen der sogenannten Neuen Welt, dass man schon gar nicht mehr nach dem Urheber der Bilder fragt. Das Zeppelin Museum in Friedrichshafen hat vor rund fünf Jahren den Nachlass Andreas Feiningers erworben, der 565 autorisierte Fotos umfasst, von denen etwa die Hälfte handsigniert sind. Mit etlichen Kameras, darunter auch selbst gebastelten, ist das ein echter Schatz der Fotogeschichte. Die Ausstellung hat sich sportlich darum bemüht, Feiningers ganzes Oeuvre auszustellen, zusammen mit Dokumenten seines theoretischen Schaffens: So kommt auch der experimentelle Künstler zum Einsatz. Der Anspruch, das gewaltige Schaffen der Öffentlichkeit vorzustellen, ist nicht unproblematisch, zumal sich diese Schau auch ausdrücklich an Forscher richtet. Aus dem Drang zur Vollständigkeit ergab sich eine Petersburger Hängung, die dem optischen Orientierungssinn einiges abverlangt.

Ist eine derartige Präsentation sinnvoll? Auf jeden Fall ist sie mutig, setzt sie doch den Anspruch der Vollständigkeit vor die kuratorische Auswahl. Die weiten Längsseiten des Ausstellungsraums sind regelrecht zugepflastert mit den Fotografien, genauso wie die kürzeren Stirnseiten – und in der Raummitte geht es gerade so weiter mit meterlangen Auslagetischen. So ist der Betrachter zunächst überwältigt und angesichts der summarisch zusammengefassten Bildtitel, die eben nicht am Werk selbst angebracht werden konnten, aufgrund der dichten Hängung: überfordert. Allein die Einprägsamkeit vieler Motive nimmt einen gefangen. Und man wird belohnt: Wer sich die Zeit nimmt, um mit oftmals hochgerecktem Gesicht die Bilderparade abzunehmen, dem wird ein fotografischer Kosmos eröffnet, der die Bedeutung des Künstlers verdeutlicht.

Die Vita Feiningers, des ewigen Sohnes von Lyonel, muss rasch in Erinnerung gerufen werden. 1906 als dessen ältester Sohn in Paris geboren, wurde er am Bauhaus in Weimar geschult – dabei zum Kunsttischler und Architekten ausgebildet. Doch früh wandte er sich der Fotografie zu, noch bevor er Mitarbeiter des Baumeisters Le Corbusier in Paris wurde. Im amerikanischen Exil wurde er Reportagefotograf und arbeitete für »Life« und andere Magazine. Besonders in diesem Kontext wurde der 1999 verstorbene Feininger einer der einflussreichsten Bildschöpfer des Westens.

Die Ausstellung in Friedrichshafen ist als Präsentation eines ungeschliffenen Juwelenschatzes sehenswert, verlangt aber nach mehr: Die Forschung ist nun angehalten, dieses fulminante Schaffen vor Ort aufzuarbeiten, und das Museum sollte in regelmäßigen Abständen thematische Bildblöcke und Serien herauslösen und in kleineren Ausstellungen vergegenwärtigen. Der Makrofotograf und der Landschafter sowie der experimentelle Fotogrammist wären beispielsweise noch zu entdecken, auch der Theoretiker: »Fotografie ist eine Bildsprache, die einzige Sprache, die überall in der Welt verstanden werden kann.« Dies hat das Museum erfreulicherweise schon teilweise eingelöst und Ausstellungen erarbeitet, die zur Ausleihe zur Verfügung gestellt werden. Das sollten fotografisch interessierte Museen nutzen.

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