Ausstellungsbesprechungen

Narren. Künstler. Heilige – Lob der Torheit, Bundeskunsthalle Bonn, bis 2. Dezember 2012

Was entsteht, wenn ethnische Kultgegenstände aus aller Welt auf Werke von modernen Künstlern treffen? Genau dieser Frage geht die Wanderausstellung »Narren, Künstler, Heilige«, die Günter Baumann für Sie in Bonn besucht hat, auf den Grund.

Das Schamanentum ist dem Normalverständnis fremd. Das klingt hart, und es scheint schwer vorstellbar, dass sich moderne Künstler – wenn sie nicht gerade exotischen Leidenschaften frönen – kaum darin aufgehoben fühlen. Aber Hand aufs Herz: Ist uns der tiefere Sinn des alemannischen Karnevals wirklich näher, wenn wir nicht gerade aktiven Umgang mit den heidnisch-kultischen Wurzeln pflegen? Und keine Frage, von hier aus führen klare Linien in die Kunst. Jean de Loisy, der Hauptkurator der Ausstellung »Narren, Künstler, Heilige« in Bonn – es ist die zweite Station nach dem Musée du Quai Branly –, wollte eine solche Haltung nicht stehen lassen und brachte die meist anonyme Volkskunst in Afrika, Asien und anderswo mit modernen Künstlern zusammen. Er hat unzählige finster dreinblickende Objekte, Plastiken, Reliefs zusammengetragen, die ethnischen Ecken der Welt inklusive der Fasnetsregionen abgeklappert und in einen noch finstereren Umraum gestellt.

Loisy filtert aus dem Fratzen- und Fetischsammelsurium aus einigen tausend Jahren eine Figur heraus, die irgendwo in der Schnittstelle zwischen den im Titel genannten Protagonisten charakterisiert wird: ein bisschen närrisch, künstlerisch und heilig. Hier ist die Welt in völliger Unordnung. Was dies mit Erasmus von Rotterdams »Lob der Torheit«, so der Untertitel, zu tun hat, erschließt sich nicht recht, aber wer denkt schon daran, angesichts derart beklemmender Kunst oder besser gesagt: Urkultur. Spannend ist durchaus die Verwandtschaft dieser Länder, ja Kontinente und Zeiten überbrückender Angstwesen, die sich wohl auch im Unbewussten unseres Seins heute noch spurenhaft bemerkbar machen. Diese Spurenelemente scheint die Ausstellung in der modernen Kunst erkennen zu wollen. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Der ist erklärtermaßen subjektiv, nicht kunsthistorisch fundiert – und damit ehrlich: Gegen 3000 Jahre Ethnokult kommt man rein künstlerisch nicht an.

Verfehlt ist das Ziel der Schau deshalb keineswegs, denn die Arbeiten von Hermann Nitsch, Jean-Michel Basquiat und (selten war er so passend:) Jonathan Meese. Die Künstler spielen sicher ungewollt eine Art Botschafter zwischen ihrem Tun, das wir als vertraut akzeptieren, und dem Tun archaischer bzw. frühzeitlicher Kulturen, das uns abhanden gekommen ist. Wahrscheinlich reichten da auch die Filme aus, die die Ausstellung begleiten, aber man fühlt sich tatsächlich zuweilen ganz wohl, wenn man sich einem Video von Stephan Dean, den existenzialistischen Installationen einer Annette Messager oder einem Fluxusdokument von Joseph Beuys gegenübersieht. Und dann gelingt ein ums andere Mal die Rückkoppelung: Basquiat mit seinem Voodoo-Bild, Beuys mit seiner Schamanenbegeisterung u.a.m. sieht man mit anderen Augen, mit einer zeitlich versetzten Brille. Darüber hinaus begegnet der Besucher Namen wie Paul McCarthy, Christian Boltansky oder Mike Kelley, die dem abgelegenen Thema eine erfrischende Gegenwärtigkeit bescheinigen.

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