Buchrezensionen

Nicole Zepter: Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe, Tropen Verlag / Klett-Cotta Verlag 2013

Eine Provokation ist dieses in Leinen gekleidete Bändchen mit dem emotionsgeladenen Titel »Kunst hassen« schon. Doch ist es wirklich das negative Gefühl des Hasses, das Nicole Zepter antreibt? Sicher nicht. Denn »wer Kunst liebt, darf Kunst hassen«. Und was mit der herben Enttäuschung über den gesamten Kunstbetrieb bei der Autorin begonnen hat, das lässt am Ende einen Hoffnungsfunken aufstreben. Schließlich ist Kunst doch der »Katalysator unserer Erkenntnis.« Gibt es also noch eine Chance für jene »enttäuschte Liebe«? Diese Frage hat auch unsere Autorin Verena Paul neugierig auf die Publikation gemacht.

Ein in helles Leinen eingeschlagenes Büchlein liegt auf meinem Schreibtisch, wie so manch andere Publikation vor ihm. Doch wie heftig es in seinem Innern brodelt, das kündet bereits sein Titel an, dessen Buchstaben von einem Pinsel beinahe nachlässig modelliert wurden: »Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe«. Hass, Enttäuschung und Liebe – drei starke Gefühle, die Nicole Zepter um die Kunst sich ranken lässt. Um jedoch falsche Mutmaßungen aus dem Weg zu räumen, stellt die Autorin in ihrem Vorwort klar, dass dieses Buch »keiner kulturpessimistischen Parole untergeordnet« sei. Ganz im Gegenteil: »Es ist ein Aufruf, endlich wieder eine Haltung zur Kunst zu entwickeln. Als Rezipient, Produzent, Vermittler und Händler.« Und so zeichnet Nicole Zepter in fünf Kapiteln nach, inwiefern Gegenwartskunst heute Gefahr läuft, in Belanglosigkeit abzudriften und ihre Eigenständigkeit durch geschmeidige Anpassung zu verlieren. Dabei werde, so die Beobachtung der Autorin, dieses Gefahrenpotenzial durch den aktuellen Kunstmarkt, starre Institutionen, das Fehlen einer kritischen Reflexion ebenso forciert wie durch die hierarchische Struktur des Kunstbetriebs. Und nicht zuletzt scheint die Kunst vom sogenannten Geniekult sowie einer Tabuisierung der Kunstablehnung in den Würgegriff genommen zu sein, sodass sie zu guter Letzt wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappt.

Heute scheint Kunst zu einem »Klischee« verkommen zu sein. »Ein Kunstwerk sollte uns jedoch die Gelegenheit zu einer ästhetischen Erfahrung geben. Einer sinnlichen und intellektuellen Auseinandersetzung«, wie Nicole Zepter mit Nachdruck betont. »Wir spüren es, wenn wir eine ästhetische Erfahrung machen. Wir sind vollkommen im Hier und Jetzt. Wir fühlen uns lebendig.« Doch was machen die Institutionen? Sie, die wie Marionetten an den Schnüren des Marktes zappeln, geben keine Impulse mehr, sind festgefahren und wenig kreativ, weshalb ein fruchtbarer Diskurs nicht stattfinden kann. Das ist nicht zufriedenstellend, denn in der Annäherung kommen die Betrachter sich selbst ein Stück näher. Kunst, erklärt die Autorin, »ist ein Geheimnis, wie die Liebe. Sie schlägt ein, sie wirft uns um, wir wissen nicht, warum. Die Kunstbetrachtung heute lässt Gefühle jedoch nicht zu.«

Die besondere Leistung der vorliegenden Publikation besteht insofern gerade darin, dass sie sich schonungslos mit dem Kosmos Kunst auseinandersetzt, indem sie in sich gefangene Werke und unreflektierte Lobhudelei der Kritiker ebenso wie den Mythos des Künstlers kritisiert, der »weiß, wer er ist. So sehr, dass er vergessen hat, wer er sein könnte.« Entstanden ist ein glühendes Plädoyer für eine aufrichtige, mutige Begegnung mit Kunst. Denn »Kunst braucht Ehrlichkeit, wir sind aber nicht ehrlich. Kunst hassen ist eine Annäherung. Eine Ablehnung, die zu einer Auseinandersetzung führt. Es ist eine Chance, die Dinge niederzureißen, um neu zu beginnen.«

In einer unglaublich leichtfüßigen und mit Witz angereicherten Sprache vermag Nicole Zepter einem breiten Publikum die Probleme im Kunstbetrieb darzustellen: Neben dem Verlust von Tiefe in den Arbeiten, der Schaumschlägerei und Flachheit im Feuilleton und der Oberflächlichkeit der Künstler, die zu »Glamouraffen« mutieren, sind es nicht zuletzt die bizarren Bewertungskriterien. Diese führen beispielsweise dazu, dass der Erfolg einer Ausstellung nicht an der Qualität der präsentierten Kunst gemessen wird, sondern an den Besucherzahlen. Und selbst die Kunst ist eine fragwürdige Liaison mit dem Geld eingegangen, das neuer Maßstab für den ästhetischen Wert ist. Was aber macht gute Kunst aus? Vielleicht muss gute Kunst für die Ausstellungsbesucher Überraschungen bereit halten, sie begeistern, verstören oder schlichtweg verzaubern? Das wäre wünschenswert, doch vorerst erteilt Nicole Zeter dem oberflächlichen Kunstreigen eine radikale, zutiefst ehrliche Absage, denn nur »wer Kunst liebt, darf Kunst hassen«.

Fazit: Mit der im Tropen Verlag / Klett-Cotta Verlag erschienenen Publikation »Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe« gelingt Nicole Zepter ein kluges, aufrüttelndes, leidenschaftlich polemisches Werk, das den Verlust von echter Begeisterungsfähigkeit für Kunst beklagt und die Konformität des Kunstbetriebs an den Pranger stellt – und zwar überzeugend! Die Autorin beobachtet scharf und spricht unverblümt das aus, was Ausstellungsbesuchern unter den Nägeln brennt, wenn sie wieder einmal ratlos, wenig inspiriert und gelangweilt vor einem Kunstwerk der Gegenwart stehen oder eine Kunstkritik lesen, die vor Worthülsen und »hemmungslose[r] Gleichmacherei« nur so strotzt. Ein außerordentlich unterhaltsames und zugleich nachdenklich stimmendes Bändchen, das ich nicht mehr aus der Hand legen konnte, weshalb ich es Ihnen sehr gerne empfehlen möchte!

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