Ausstellungsbesprechungen

Niki & Jean. L’art et l’amour – Kunst und Liebe

Es gibt massenweise Künstler, die sich von einer Muse inspirieren lassen (HA Schult, der frühe Jeff Koons); es gibt auch Künstlerpaare, die meist an einem Lebenswerk weben (Christo & Jeanne Claude, Gilbert & George); leider weist die Kunstgeschichte auch zuhauf Künstlerpaare auf, bei denen ein Partner im Schatten des anderen leicht vergessen wird (Lee Krasner, Frau Jackson Pollocks) – und dann sind da die glücklichen Fälle von Beziehungen, die unabhängig von Höhen und Tiefen im persönlichen Umgang eine kreative Powergemeinschaft bilden.

Paare, die jeweils grundverschiedene Einzel-Œuvres schufen und dann wieder regelrechte Team-Works produzierten, die weder die eine, noch die andere Hand in irgendeinem Einheitlichkeitswahn negierten: Die Rede ist von Niki de Saint-Phalle (1930–2002) und Jean Tinguely (1925–1991) – strahlendbunt und nie um ein schwergewichtiges Tänzchen verlegen die eine, rostig und ächzend den Weltlauf ins Zeitliche verweisende der andere.

Dass das materiell Unvereinbare ganz wunderbare, symphonisch-rhythmische Einheitswerke hervorbrachte ist längst bekannt: der Brunnen Igor Stravinsky in Paris ist schon fast ein Wahrzeichen für ein miteinander erlebtes Leben und Werken. Wie viele Arbeiten tatsächlich in gemeinsamer Kraftanstrengung entstanden sind, vermittelt eine Ausstellungstour in Ulm, die hier – nach Stationen in Hannover und Basel – ihr Ziel erreicht hat. Die Schau geht zwar in diesen Tagen zu Ende, aber sie wird unterm Strich ihre Wirkung nicht verfehlt haben: Neben den hinlänglich gigantisch-antiheroischen Nanas von Niki de Saint-Phalle und ebensolchen Eisentitanen Jean Tinguelys entstanden unterschiedlich große, fabelhaft anmutige oder auch rotzfreche Objekte, die teilweise noch zu entdecken sind, sowie Briefzeichnungen von einer unglaublichen Poesie, die gar ein gänzlich neues Licht auf die Werke beider Künstler werfen.

Das Ulmer Museum hat seine Räumlichkeiten bis an die Grenzen ausgereizt, um dieses unbändige Schaffen, diese Liaison von Traumwelt und absurder Vision voll zur Geltung zu bringen. Aufnahmen von Bühneninszenierungen sowie Filmdokumente lockern die Präsentation auf, und wenn schon die Arbeiten selbst die Lust an der künstlerischen Kreation spüren lassen, so zeigen diese Interviews und visuellen Einblicke in den Schaffensprozess die ausgeprägten Persönlichkeiten Nikis und Jeans, die sich immer bewusst waren, dass sie im Naturell wie von der Herkunft her so unterschiedlich waren, dass eine Vereinnahmung nie überhand hätte nehmen können – frei davon war die von Eifersucht überschattete Beziehung auch hier nicht, wenn etwa Tinguely gestand, manche Arbeiten von Niki bis zur (Un-)Kenntlichkeit überarbeitet zu haben.

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Die äußeren Daten der fruchtbaren Zusammenarbeit, aus der Hunderte von Plastiken, Zeichnungen und Malereien hervorgingen, lassen sich sehen – trotz des vorzeitigen Endes. Die rebellische Aristokratin und der aufmüpfige Arbeitersohn begegneten sich Mitte der 1950er Jahre, arbeiteten seit den 1960ern zusammen bis weit in die 1980er hinein. Der Beginn dieses rund 30 Jahre währenden Dream-Teams fiel in die Gründerjahre der Nouveaux Réalistes, als die Idee einer Kommunenkunst verwirklicht wurde – Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely arbeiteten auch mit anderen Künstler wie Spoerri oder Rauschenberg zusammen; die krönenden Spätwerke waren der genannte Pariser Brunnen und schließlich dessen Fortsetzung des Fontaines de Château-Chinon von 1988 im Auftrag des damaligen französischen Präsidenten Mitterrand. Aber auch der 8 Meter hohe »Große Liebesvogel« von 1989 darf nicht vergessen werden. Dazwischen entstanden Meisterwerke wie »Der Zyklop« im Wald von Milly-la-Fôret oder der von Niki dominierte »Garten der Tarocchi« in der Toskana.

 

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Öffnungszeiten
Di – So 11–17 Uhr, Do 11–20 Uhr

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