Ausstellungsbesprechungen

Niki de Saint Phalle – Im Garten der Fantasie, Essl Museum, Klosterneuburg/Wien, bis 26. September 2010

Hannover darf als Eldorado der Niki- und Nana-Fans gelten: Die Rede ist von der wunderbar phantasievollen Niki de Saint Phalle und ihrem Werk, das wesentlich durch die »Nana«-Figuren bekannt wurde. Aus dem Fundus von einigen hundert Arbeiten hat das Sprengel-Museum 20 Werke auf Reisen geschickt, genauer: nach Wien ins Essl Museum, wo über den Sommer ein »Garten der Fantasie« errichtet wurde, dessen Besuch Günter Baumann allen Kurzentschlossenen empfielt.

Der Ausstellungsumfang von 20 Arbeiten mag eine bescheidene Größe sein, aber zum einen ist es wohl dem renommierten Privatmuseum zu verdanken, dass die zum Teil sensiblen Objekte überhaupt durch halb Europa gesandt wurden, und zum anderen haben die Kurator(inn)en ganze Arbeit geleistet – nach dem Motto »Weniger ist mehr« findet sich alles, was man benötigt, um einen recht tiefen Blick in Leben und Werk der grandiosen Künstlerin zu riskieren. Sowohl die genannten Nanas als auch andere Einzelplastiken oder auch die Schieß- und Materialbilder, entstanden in einem Zeitraum von den 1950er bis in die 1980er Jahre (mit Schwerpunkt in den 60er Jahren): all das bekommt der Besucher in Klosterneuburg zu sehen, samt einer freilich vagen Vorstellung von dem skurrilen, phantastisch überbordenden Tarot-Garten.

Da die Künstlerin ihr Werk eng mit der eigenen Vita verbunden hat, war auch diese das Hauptmotiv zur Präsentation der kleinen Retrospektive: 2001 traf das Sammlerehepaar Essl die unermüdliche Niki in Kalifornien – ein Jahr später starb sie, was man heute kaum wahrhaben will, weil ihr Werk so lebhaft an ferne und nahe Märchenwelten anknüpft, dass man deren Schöpferin selbst für ein Geistwesen aus irrlichternden Zeiten halten könnte. Karlheinz Essl beschrieb die Begegnung so: »Wir erlebten Niki de Saint Phalle als quirlige, lebendige Künstlerin mit funkelnden Augen und einem scharfen Intellekt. Sie empfing uns überaus herzlich, sodass sehr rasch eine vertrauensvolle, freundliche Atmosphäre entstand, die uns ermöglichte, einen sehr persönlichen, vertieften Einblick in ihre Kunst und Arbeitsweise zu erlangen«. Da war die Grande Dame der phantastischen Kunst, gegen die ihre österreichischen Kollegen – ob Hundertwasser oder Fuchs – Biedermänner waren, schon krank, von giftigen Polyesterdämpfen angegriffen. Dennoch ging sie mit viel Witz, Esprit und Sinnlichkeit ans Werk, das neben den ganz eigenständigen Fährten auch Spuren aus dem Oeuvre ihres Freundes Jean Tinguely aufweist. Aus der freundschaftlichen Begegnung entstand der Herzenswunsch einer eigenen Ausstellung, die nun, rund zehn Jahre danach, verwirklicht wurde.

Bei aller Begeisterung läuft jede Großausstellung Gefahr, der einzelnen Arbeiten überdrüssig zu werden, die in der Masse allzu bunt werden, ja bis zur Ermüdung der Rezeptoren führen können. So gesehen war es fast schon eine Eingebung, die Schau auf kleiner Flamme zu produzieren und zudem das frühere, frischere Werk etwas bevorzugter zu behandeln. Es blieb immer noch genug Wundersames wie die herrliche, überlebensgroße Märchenkitschkunstreiterin, die durchaus eine Gegenspielerin der Nanas sein könnte, oder die schießwütigen Angriffe auf die Spießergesellschaft, auf die männliche Überheblichkeit (stellvertretend stand ihr sicher der eine oder andere Mann vor Augen). »Ich war bereit zu töten. Das Opfer, das ich wählte, waren meine eigenen Bilder«, so Niki de Saint Phalle, »die Bilder bluteten. Die weiße Oberfläche wurde mit ausspritzender Farbe bedeckt. Das Bild begann zu leben.« Ihre Werke leben bis heute, über alle Märchenzeiten hinweg.

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