Kataloge, Rezensionen

Oliver Kase (Hrsg.): Licht-Bilder. Fritz Winter und die abstrakte Fotografie, Kehrer 2012

Die Ästhetik des (elektrischen) Lichts wurde in der abstrakten Fotografie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein zentrales Moment in den Werken zahlreicher Künstler. So auch bei Fritz Winter. Im Ausstellungskatalog zeigt der Dialog zwischen seinen Malereien und abstrakten Fotografien Berührungspunkte und Einflussnahmen auf. Sabrina Möller hat sich auf Spurensuche begeben.

Das charakteristische Formenvokabular der Bauhausbewegung lässt sich im Werk des deutschen Malers und Bauhausschülers Fritz Winter zunächst nicht diagnostizieren. Vielmehr scheint dem Werk eine Distanzierung von den Ideen des Bauhauses eingeschrieben. Die kristallinen Strukturen seiner „Lichtbilder“ setzen dennoch formale Bezüge zu den Frühwerken des Bauhauses, wie Oliver Kase in seinem Essay nachvollziehbar darlegt. Vergegenwärtigt man sich das »Manifest und Programm des staatlichen Bauhauses Weimar« von Lyonel Feininger aus dem Jahre 1919, werden die formalen Bezüge visuell greifbar. Winter kannte Feiningers Arbeiten gut, hat jedoch noch wesentlich konsequenter den Weg in die Abstraktion gesucht. Der Malerei als Medium wurde im Bauhaus eine untergeordnete Rolle zugeschrieben. Die Kritik an dieser Hierarchie, die die Architektur überordnet, wird bereits durch die frühen Werke des Künstlers suggeriert. Die Arbeiten von Winter sind von Experimenten geprägt, wodurch seinen Werke keine strenge Formensprache eingeschrieben ist – ein absoluter Gegensatz zu dem strikten und reduzierten Formenvokabular des Bauhauses.

In der Ausstellung »Licht-Bilder. Fritz Winter und die abstrakte Fotografie« in der Pinakothek der Moderne in München, versuchte man eine neue Ebene zu öffnen. Durch die Herausarbeitung von Analogien zwischen Winters Werken von 1934 bis 1936 mit der abstrakten Fotografie soll diese als ein wesentlicher Einfluss gedeutet werden. Damit werden die zentralen Formenimpulse vom Bauhaus zur Fotografie verlagert. Im Katalog wird die These vertreten, dass die Formensprache von Winter durch den Einfluss der abstrakten Fotografie transformiert wurde.

Der Vergleich, den man in der Ausstellung fokussierte, wird auch im gleichnamigen Katalog deutlich: die Werkauswahl beinhaltet Arbeiten von László Moholy-Nagy, Ernst Schwitters, Alfred Ehrhardt, Francis Brugière und Alvin Langdon Coburn. Die Werke werden ganzseitig abgebildet und entsprechen dadurch einer klassischen kunsthistorischen Gegenüberstellung von jeweils zwei Werken. Passagenweise sind auf einer Doppelseite Arbeiten des gleichen Künstlers positioniert, was den formalen Vergleich zwischen den Medien wiederum schwieriger macht. An anderen Stellen wird der Dialog zwischen der Malerei und der Fotografie hingegen greifbar, und die formalen Analogien sichtbar. Diese Form der Konfrontation hätte man sich im Katalog noch konsequenter gewünscht.

Der Titel »Fritz Winter und die abstrakte Fotografie« klingt zunächst simpel, doch bieten sich dadurch verschiedene Leseweisen an – und folglich unterschiedliche Bedeutungsebenen. Das „und“ als Konjugation kann einerseits als Bindeglied zwischen Winter und der Fotografie fungieren, aber auch ebenso deren Trennung markieren. Diese beiden Ebenen werden auch in der Auseinandersetzung mit der Thematik deutlich: Zwar lassen sich formale Analogien feststellen, doch die Materialität und die Wahl des Mediums trennt Winters Arbeiten klar von der abstrakten Fotografie. Eine Trennung, die wesentlich unterstrichen wird, wenn man sich den Arbeitsprozess vergegenwärtigt. Denn die Werke von Winter basieren auf einem Abstraktionsprozess von einem Objekt der Natur. So hatte Winter etwa eine eigene Sammlung von Gesteinen, zu denen auch Bergkristalle gehörten. Wie er selber behauptete, faszinierte ihn an diesen Kristallen vor allem die geometrisch abstrakten Formen und die Brechung des Lichts. Der Kristall und wie er durch seine Materialität das Licht transportiert oder reflektiert, wird dabei zur zentralen Thematik seiner Werke.

Im einleitenden Text von Klaus Schrenk und Carl-Heinz Heuer wird von einem fotografischen Charakter in Winters Licht-Bildern gesprochen und von einer fast monochromen Malerei. Monochrom und kristalline Strukturen – das erscheint ein Widerspruch in sich zu sein und wird in der Betrachtung des Kataloges auch nicht deutlich, sondern spornt den Leser vielmehr an, sich gegen diese Aussage zu positionieren.

Was der Katalog erzielt, ist eine Einbettung von Winters Werk in eine Zeit, die sich intensiv mit der Thematik des Lichts auseinander setzte. Bei der Auswahl an Fotografien von 1910 bis 1930 ist davon auszugehen, dass Winter sie kannte, da sie aus dem Umfeld des Bauhauses stammten. Winters Euphorie für die Auseinandersetzung mit dem Licht konnte durch die Begegnung mit der abstrakten Fotografie sicherlich wesentlich gefördert werden. Doch darf man dabei auch nicht untergraben, dass sie eine Inspirationsquelle blieb und sich neben den Frühwerken des Bauhauses und einer Abstraktion von Naturmaterialien – wie den Bergkristallen – positioniert.

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