Ausstellungsbesprechungen

Otto Dix, Martina AltSchäfer und Ulf Cramer - Zeichnungen

Albstadt, das in einem ziemlich abgelegenen süddeutschen Winkel steckt, hat mit seiner Galerie einen wahren Hort an grafischen Künsten, dass es offenbar schon schwerfällt, sich zu bescheiden: So sind zur Zeit gleich drei Ausstellungen zu sehen, die für sich betrachtet ein dreifaches Vergnügen bereiten.

Das Trio, bestehend aus Otto Dix, Martina AltSchäfer und Ulf Cramer absichtsichtsvoll miteinander korrespondieren zu lassen, birgt jedoch kuratorische Gefahren: Wer viel hat, sollte nicht versuchen, allzu verschwenderisch aufzutreten: Über mehrere Etagen hinweg sind fast 100 Arbeiten von Otto Dix zu sehen, die sich einmal der menschlichen Figur verschrieben haben, zum anderen die Landschaft als Drohkulisse im Ersten Weltkrieg sowie als späte Topografie des gelebten Lebens; dazu kommen 50 Zeichnungen von Martina AltSchäfer – einst Meisterschülerin Konrad Klapheks –, die die arkadische Einkehr suchen, und knapp 100 Zeichnungen Ulf Cramers, die überschrieben sind mit »Linie, Struktur, Zeichen«. Allein die Dix-Schau, die zum 40. Todestag des Malers (1891–1969) initiiert wurde, wäre prägnant genug, sucht sie doch nicht das hinlänglich bekannte Bild des Kriegschronisten, sondern gezielt die Zeichnung, aus der sich das ganze Werk erschließt, folgt man der Ausstellungsmacherin Veronika Mertens. Im Vordergrund steht die vergängliche Schönheit des menschlichen Körpers, und das über die ganzen stilistischen Ismen der Zeit und über alle möglichen Techniken hinweg. Das ist freilich nicht verwunderlich, ist die Galerie doch im Besitz einer grandiosen Dix-Sammlung, die aufgrund der Lichtempfindlichkeit der Exponate meist unter Verschluss sind. Die Menschenbilder von Dix bekommen mit dem Werk Martina AltSchäfers nun sozusagen ein zeitgenössisches Pendant an die Seite, während die Landschaften mit Arbeiten von Ulf Schäfer eskortiert werden. Die Frage ist jedoch, wer hier die Leitfigur ist: Dix hat ein Kontrastprogramm nicht nötig, sofern es nicht im unmittelbaren Kontext steht (nur beispielsweise: Brücken zur älteren Leipziger Schule, Tübke & Co., oder zur spätmittelalterlichen Donauschule usw.). Cramer und AltSchäfer dagegen wären ein wunderbares, farbenverliebtes Ausstellungsduo, beide können sich aber nur schwer gegen das kunsthistorische Gewicht von Dix behaupten.

Aber auch rein inhaltlich ist es ein gewaltiges Programm, das hier auf den Besucher wartet, immerhin sind es – in der Entwicklung der Zeichnung – Welten, die zwischen dem neusachlichen Veristen Dix mit futuristischen und dadaistischen Wurzeln und den zwei jüngeren und selbst da noch eine halbe Generation auseinanderliegenden Künstlern Cramer und Altschäfer (Jahrgang 1944 bzw. 1960) stehen. Im Jahr der Grafik darf man schon mit seinen Schätzen protzen, aber in der Albstädter Dreifachschau driften die Themen auseinander. Zu weit sind die Positionen voneinander entfernt, wodurch die Hoffnung, es würde der Funke vom Menschenbild Dix’ auf die vergleichsweise liebliche, kubistisch angehauchte Figurenauffassung von AltSchäfer überspringen, nur scheitern kann. Und Cramer kann sich gar nicht so entfalten, wie er es verdient hätte. Bei ihm wünschte man sich eine Einzelausstellung, die nicht eingeengt wird durch das Gewicht anderer Künstler. Es ist selten der Fall, dass man die Fülle einer Ausstellung bedauern muss, weil sie den Blick auf das Schaffen jedes einzelnen Künstlers einengt. Andrerseits ist es womöglich ein Segen, wenn ein so prominenter Künstler wie Dix die Kunstgemeinde nach Albstadt lockt, um dort das Werk zweier weiterer Künstler kennenzulernen, von denen insbesondere Ulf Cramer – dessen musikalisch-poetisch durchrhythmisierten Arbeiten aus der Sammlung Gerhard und Brigitte Hartmann stammen – zu den ganz beachtlichen Entdeckungen der Saison gehört.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag von 11 bis 13 und von 14 bis 17 Uhr,
Samstag, Sonn- und Feiertag durchgehend geöffnet.

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