Ausstellungsbesprechungen, Meldungen zum Kunstgeschehen

Peter Jacobi zum 75. Geburtstag, Ausstellungen, Pforzheim Galerie bis 13. März 2011

Geboren 1935 im rumänischen Ploiesti, absolvierte Jacobi sein Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie Bukarest. 1970 übersiedelte er nach Deutschland und erhielt ein Jahr darauf eine Professur an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim, in dessen Großraum er heute noch lebt. Mit einer erstaunlichen Anstrengung hat die Stadt ihrem Wahlbürger diese groß angelegte Ausstellung gleich mit mehreren Projekten ausgerichtet, sodass man den Eindruck bekommt, Peter Jacobi sei hier so etwas wie der »Stadtkünstler«. Günter Baumann hat sich für Sie mit diesem vielseitigen Künstler auseinander gesetzt.

In den 1970er Jahren führte man noch Ritzi und Peter Jacobi, schon damals berühmt für ihre gemeinsam geschaffenen Textilarbeiten, in einem Atemzug im Munde. Die Lebensgemeinschaft löste sich irgendwann – nahezu unbeachtet von der Öffentlichkeit – auf, und es wurde still um die Künstler. Dass dieser Eindruck nur bedingt stimmt, zeigt die monumentale Retrospektive zum Werk Peter Jacobis zum 75. Geburtstag in Pforzheim. Gleich vier Ausstellungsstätten haben das vielfältige Schaffen Jacobis aus den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen. Darüber hinaus hat der Bildhauer, der in Pforzheim seit langem mit einer riesigen Stele in der Nachfolge Constantin Brancusis präsent ist, speziell für die Megaschau eine Installation mit dem Titel »Abwesend Anwesend« geschaffen – sie stellt mit ihrem Erinnerungspotential die Summe der konzeptionellen und skulpturalen wie architektonischen Arbeiten dar. Schade nur, dass die eminente Bedeutung der ehemaligen Lebensgefährtin Ritzi Jabobi auf das Werk in dem lokalen Jubiläumsjahr etwas untergeht.

Jacobi ist nicht allein Bildhauer oder Installationskünstler, sondern auch Fotograf, der etwa den siebenbürgischen Wehrkirchen nachgespürt hat – auch das ist Thema in Pforzheim (und ein zusätzlicher Anreiz, denn die hierzulande wenig bekannten Wehrkirchen gehören zum Weltkulturerbe). Zum Gesamtbild der Veranstaltungen muss man noch den Katalog zählen, an dessen Gestalt Jacobi mitgewirkt hat. Auch hier nimmt die Fotografie einen gewichtigen Platz ein, großzügig begleitet von Zitaten des Künstlers und essayistischen Denkbildern von Isabel Greschat (»Anwesend anwesend – Nachdenken über Erinnerung«), Bettina Schönfelder (»Skulpturales Sehen«) und Dorothée Bauerle-Willert (»Denkmale«). Dabei wird deutlich, welchen Stellenwert die Reflexion in dem komplexen Werk hat, das formal abstrakt-minimalistisch angelegt ist und zugleich inhaltlich-existentiellen Identitäts- und Erinnerungsfragen nachgeht. Die thematische Struktur, die in Pforzheim durch die verschiedenen Ausstellungsorte gewährleistet ist, geht im Katalog übrigens verloren, wobei die Orientierungslosigkeit wohl Methode hat: Die Abbildungen stehen für sich und erschließen sich erst dem aufmerksamen Leser über die dezenten Querverweise – so ist ein Künstlerbuch entstanden, dessen Charme weniger dem flüchtigen Blättern als dem Vor-und-Zurückblättern, dem Immer-wieder-Erblättern geschuldet ist. Das entspricht dem schwer auf einen Nenner zu bringenden Werk, das jeder Betrachter für sich entdecken muss. Höhepunkt seines Schaffens dürfte das Holocaust-Mahnmal sein, das 2009 in Bukarest errichtet wurde. Ein Modell davon wird in der Ausstellung »Skulpturales Sehen« zu besichtigen sein; eine Fotostrecke im Katalog gewährt bereits vorab eine gute Vorstellung von dem Memorial. Jacobi folgt einem Motto Brancusis, »Einfachheit ist gelöste Komplexität«, die aber vor den memorialen Aspekten des Lebens nicht Halt macht. In diesem Zusammenhang fallen die Bezüge zu rumänischen Künstlern und Dichtern auf, denen sich Peter Jacobi so intellektuell wie akribisch nähert: neben Brancusi sind das Paul Celan, Emil Cioran, Eugene Ionesco, Tristan Tzara und andere mehr.

Die aus roten Balken gezimmerte Pforzheimer Großinstallation lässt nicht nur durch integrierte Textilobjekte einen historischen Blick auf das frühere Werk (mit Ritzi Jacobi) zu, sondern ermöglicht mittels Spiegelungen auch tiefere, wenn man so will transzendente Einblicke in die Gedankenwelt des Künstlers. Assoziationen aneine Baustelle oder eine archäologische Grabungsstätte sind beabsichtigt: Irritation und Verfremdung sollen den Blick wach machen für Déjà-vu-Erlebnisse, welche die Intention des Künstlers und die Erwartungen bzw. Zufallsentdeckungen des Betrachters zum Einklang bringen. Zurecht hat man Jacobis Installationen als Imaginationsräume bezeichnet. Dass dabei Schönheit und Schrecken nahe beieinander stehen, hat seine Wurzeln möglicherweise in der absurden Bild- und Sprachwelt des rumänischen Eugene Ionesco, der für die ältere Generation siebenbürgischer Künstler eine immense Bedeutung hat – man denke an den grandiosen Holzschneider Gert Fabritius – ; es steckt darin aber auch ein tiefe Skepsis gegenüber den Scheinwelten, die uns heute oft den Blick verstellen. Manche Marmorreliefs des Künstlers, die geeignet sind, um sich im Idealtypischen zu verlieren, hat Jacobi auch mal der Witterung ausgesetzt, um ihnen die klassische Aura zu nehmen. Sogar die fotografischen Wehrkirchendokumente sind alles andere als geschönte Touristen- oder exkursive Architekturbilder: Die Verlassenheit, die Jacobi hier vermittelt, dokumentiert vielmehr die Anfälligkeit, Verletzlichkeit der Geschichte und damit unserer Erinnerung.

Das Werk Peter Jacobis kreist um die Gedächtniskultur des Menschen, wofür er sich verschiedenster Mittel bedient. Angeregt von rumänischen Vorbildern (Brancusi, Ionesco), die freilich selbst die europäische Kultur insgesamt beeinflussten, fand der Bildhauer eine Bildsprache, deren humanistischer Hintergrund nach wie vor Gültigkeit hat, und deren chiffrenhafte Komplexität ein faszinierendes Panorama autobiografischer, generationstypischer und historischer Bezüge erschafft (vergleichbar etwa dem prozessualen Werk des gleichaltrigen Plastikers Voré).

Weitere Informationen:

Zu Ehren von Peter Jacobis 75. Geburtstag hat die Stadt Pforzheim gleich mehrere Projekte in's Leben gerufen. Die Werke des Bildhauers, Installateurs und Fotografen sind in vier Ausstellungen zu sehen:

- Pforzheim Galerie: Abwesend anwesend, bis 13. März 2011
- Galerie im Foyer und Galerie im Comedia / Kulturhaus Osterfeld: Wehrkirchen in Siebenbürgen, bis 19. März 2011
- Kunstverein Pforzheim im Reuchlinhaus, 17. April – 5. Mai 2011
- Volksbank Pforzheim eG, 1. Juli – 23. Juli 2011

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