Ausstellungsbesprechungen

Pflicht und Kür. Hochschule für Grafik und Buchkunst. Leipzig, noch bis 09. Januar 2010

Die HGB Leipzig präsentiert in Vorschau auf ihren 250. Geburtstag 2014 eine Ausstellung zur Geschichte der eigenen Lehre in der Zeit der 50er bis 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. In der Galerie, im Foyer und im Festsaal der Hochschule sind Originalarbeiten von Lehrenden, Schrift- und Filmdokumente aus der Geschichte der Hochschule sowie Rekonstruktionen von Diplomarbeiten zu sehen.

Ein Ausstellungsrundgang mit den Kuratorinnen Julia Blume, Christine Rink und Britt Schlehahn am 15. Dezember um 18 Uhr und ein Podiumsgespräch zu Beginn des kommenden Jahres, das die Frage nach den aktuellen Forderungen an die Kunstausbildung zur Grundlage haben soll, bilden das Rahmenprogramm. Da die Ausstellung überraschend wenig Ausstellungsstücke für ihre Interessenten bereithält, sind es diese Gespräche und Vorträge, die Einblick in die Geschichte der HGB gewähren.

Das Foyer wird von einer Diplomarbeit von Gábor Kopek, eine Installation aus den 1980er Jahren, beherrscht, die von der Decke hängende, abstrakt anmutende Fotoarbeiten mit den Tonbandaufnahmen einer Schauspielerstimme vereint. Im Anschluss stößt der Besucher am Eingang der Galerie auf die Diplomarbeit Arno Rinks, des ehemaligen Rektors und Professors der HGB. Sein großformatiges Ölgemälde lässt sich mit seinen eindeutig propagandistischen Motiven leicht als typisch düsteres DDR-Bild identifizieren.
Die Konfrontation zweier so unterschiedlicher Diplomarbeiten zerstört gleich zu Beginn alle konservativen Erwartungen an die Ausstellung. Weder Chronologie noch eine Ordnung hinsichtlich bestimmter Lehrer-Schüler-Beziehungen lässt die Schau erkennen. Stattdessen reihen sich einige eher unbekannte Bildwerke berühmter Namen sowie Grafiken, Objekte und Fotografien bewusst unterschiedlichen Datums aneinander. Bleibenden Eindruck hinterlassen Frühwerke bekannter Maler, wie zum Beispiel die drei zarten und detaillierten Federzeichnungen Werner Tübkes und die farbintensiven, mehrteiligen Bildtafeln Heinz Zanders und Volker Stelzmanns. Dazwischen finden sich große Aufsteller mit einer Ansammlung von historischen Zeitungsartikeln, Auszügen aus Studienordnungen und Briefen.
Es bleibt dem Besucher überlassen, die einzelnen Exponate zueinander in Bezug zu setzen.. Motiviert wird er in diesem mühsamen Unterfangen vor allem durch einen ausgezeichneten Film des Medienkünstlers Roozbeh Asmani, der in Vorbereitung der Ausstellung entstand und Stimmen ehemaliger Studenten und Angestellter der Hochschule einfängt. Zu Wort kommen unter anderen Walter Libuda, Meisterschüler Bernhard Heisigs, die Fotografieprofessorin Evelyn Richter, einige Werkstattleiter, sogar der Haushandwerker der HGB und selbstverständlich Malerstar Neo Rauch. Die Interviews mit ihren spritzigen Anekdoten und persönlichen Erinnerungen erwecken die Geschichte der HGB zum Leben und führen den Besucher zurück zum einen oder anderen Exponat.
Ein seltenes Dokument, dessen sich die Ausstellung darüber hinaus rühmen kann, ist eine Filmaufnahme der Dritten Deutschen Kunstausstellung in Dresden von 1953.

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Unklarheiten und Fragen ergeben sich hinsichtlich der konkreten Ausbildungspraxis, individueller Lehrerprofile, staatlicher Vorgaben sowie der Erfolgsgeschichte der Leipziger Schule, deren Ursprung in den 1970er Jahren zu suchen ist, als die Malerei zu einem der Ausbildungsschwerpunkte wurde. Eindringlich und anschaulich erläutert die Kuratorin Julia Blume Besonderheiten dieser traditionsreichen Schule. Der Mythos „Leipziger Schule“ soll mit dieser Ausstellung in Frage gestellt werden, um einen engstirnigen und starren Blick auf die HGB zu vermeiden. Nicht in der handwerklichen Präzision und im Spezialistentum allein, sondern vielmehr in der wechselseitigen Wirkung der einzelnen Studiengänge aufeinander zeigt sich der Charakter der Hochschule. So beeinflusst die Buchkunst mit ihren illustrativen Elementen die Grafik und Malerei, in denen sich starke narrative Tendenzen wieder finden. Andererseits prägte das Jahrzehnt der Fotografie, die 80er Jahre, vor allem gleichzeitig entstandene Arbeiten auf dem Gebiet der Buchkunst, so dass sich das Fotobuch als eigenständiges Kunstwerk etablierte. Dergestalt beschreibt die HGB ihr Profil, das seit einigen Jahren um den Studiengang Medienkunst erweitert wurde und somit das unbegrenzte Ineinandergreifen aller Medien ermöglicht, was allerdings nicht von allen Seiten auf euphorischen Zuspruch stößt.
Die exotische Ausstrahlung der grafischen und malerischen Arbeiten begründet die Kuratorin mit der fehlenden Maltradition in Leipzig vor dem Zweiten Weltkrieg, wodurch sich auf unkomplizierte Art propagandistische Vorstellungen in das Medium einpflanzen ließen und sich die Malerei andererseits in pionierhafter Frische entwickeln konnte. So spürt die Ausstellung „Pflicht und Kür“ vor allem den Impulsen, den Wege suchenden Künstlerpositionen und dem Prozesshaften an der HGB nach.

Unbedingt notwendig und empfehlenswert ist es, die Gesprächsmöglichkeiten, wie sie z.B. die Podiumsdiskussion bieten wird, im Rahmen der Ausstellung wahrzunehmen, um den geschichtlichen Hintergründen der Ausbildung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst näher zu kommen. Die Exponate fordern zum Dialog auf und stellen die Frage nach der aktuellen Entwicklung einer zeitgemäßen Kunstausbildung. Vermissten einige Künstler in der DDR eine größere Freiheit in ihrer Arbeit, so sehnen sich heute viele junge Künstler nach klaren Kriterien in der Kunstproduktion und auf dem Kunstmarkt. Ob das Ausbildungskonzept der HGB mit ihrem reichen Angebot an handwerklichen Fertigkeiten, dem Entwickeln theoretischen Reflexionsvermögens und einer enormen Offenheit und Respekt gegenüber allen künstlerischen Mitteln vorbildhaft für eine zeitgemäße Kunstlehre sein kann und in welche Richtung sich diese weiterentwickeln muss, wird sicher ein spannender Aspekt der die Ausstellung abschließenden Podiumsdiskussion sein. Der genaue Termin dieser Veranstaltung wird noch bekannt gegeben.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten
Di - Fr 12 - 18 Uhr
Sa 10 - 15 Uhr
geschlossen vom 24.12.2009 – 4.01.2010

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