Ausstellungsbesprechungen

Philippe Huart — Ceremony / Sacrifice, Egbert Baqué Contemporary Art Berlin

Detailgetreue Hochglanzoptik und düstere Sujets — das sind die Markenzeichen der Gemälde von Philippe Huart. Seine Zeichnungen sind nicht minder düster und nehmen aktuelle Ereignisse auf. Die Schau ist noch bis 23. Dezember 2015 zu bewundern – aber auch danach können Interessierte noch bis Mitte Januar telefonisch einen Besichtigungstermin vereinbaren. Günter Baumann war vor Ort und ist tief beeindruckt.

Kaum zu glauben: Philippe Huart war bislang in Deutschland in keiner Einzelausstellung zu sehen – bei über 200 Ausstellungen weltweit. Dazu kommt noch, dass Huart, Jahrgang 1953, mit rund 60 Jahren sein bisher entstandenes Werk hinter sich gelassen und eine neue Schaffensphase begonnen hat, in der mit der Zeichnung ein Talent zum Vorschein gekommen ist, welches lebenslang kaum beachtet wurde. So kann man es schon als eine – kleine – Großtat ansehen, dass eine Berliner Galerie das Wagnis eingegangen ist, den Künstler auszustellen. Egbert Baqué Contemporary, in einem schönen Berliner Hinterhof gelegen (nicht zu verwechseln mit der Kollegengalerie im Vorderhaus), war auf jeden Fall Feuer und Flamme, als er Philippe Huart kennengelernt hatte: er musste einfach eine Ausstellung machen, so sieht es der Galerist.

Kleiner Szenenwechsel: die Welt außerhalb Deutschlands. Der im französischen Clamart geborene Philippe Huart, der sein Domizil in der Bretagne hat, ist ein vielbeachteter Pop-Art-Künstler, der mit der Darstellung überdimensionaler Arzneipillen Furore machte und zudem ein Motiv kultivierte, nach dem die Sammlergemeinde gierte: Mickey Mouse. In scheinbar fotografischem Realismus entwickelte Huart das Mäusevieh in die Höhe eines Markenzeichens, das der Markt unerbittlich einforderte. Kurz und gut: Er hätte wohl ausgesorgt. Doch irgendwann hatte er die Maus satt, nahm einen Konflikt mit seiner damaligen Hauptgalerie in Schweden in Kauf und stieg um – zum Glück nicht aus.

Der gelernte Designer, der zahlreiche Platten-Cover entworfen hatte, übernahm aus seinem »früheren« Leben den hyperrealen Malstil, alles andere war neu angelegt und obendrein keineswegs leicht zugänglich. Der Galerist Baqué scheute das wirtschaftliche Risiko nicht und zeigt nun das neue, in Deutschland unbekannte Werk in seiner Galerie. Offiziell läuft die Schau bis 23. Dezember, aber nach telefonischer Vereinbarung kann man bis Mitte Januar einen Blick hinein werfen. Das lohnt sich schon deshalb, weil selbst in der anderen europäischen wie auch der US-amerikanischen Welt die fulminant realistisch gemachten Graphitzeichnungen unbekannt waren. Technisch den Porträtarbeiten eines Robert Longo verwandt, fühlt sich Huart in seinem aktuellen Werk einer ganz eigenen Aggressivität verpflichtet, die die Gesellschaft ihm aufgenötigt hat. Die brutale Welt des Kommerzes, Stacheldraht, Gasmasken, verhüllte Gesichter sind einige der chiffrenartig verwendeten Motive, welche die aktuelle Ausstellung präsentiert. Der Maler provoziert durch seine inhaltliche Schonungslosigkeit, und er fasziniert durch seine malerische – die Zeichnung einbeziehende – Brillanz. Das erlaubt es dem Betrachter, dass er die Arbeiten unter dem Aspekt des Ästhetischen sehen kann, mit gedanklichen Ausflügen in den Surrealismus eines Magritte oder Dali und in die Glanzzeit der hyperrealen Pop Art. Man kann aber auch Parallelen ziehen zur leider wenig schönen Flüchtlingsthematik und zur mörderischen Atmosphäre, die über uns allen schwebt und die nachvollziehbare Ursache der aktuellen Völkerwanderungsbewegung ist, der wir uns nicht verschließen dürfen. Dass Huart es versteht, die Foltergegenwart mit der Kreuzigung Christi zu verknüpfen, gibt den Arbeiten eine Größe, die einen erschauern lässt. In dieser Welt hat Mickey Mouse nichts mehr zu suchen – vielleicht aber ist es gut zu wissen, dass es sie einmal gab.

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