Ausstellungsbesprechungen

Photoarbeiten von Jan Banning und Peter Granser. Robert Morat Galerie Hamburg, bis 27. Februar 2010

Die Robert Morat Galerie zeigt bis zum 27. Februar 2010 die Photographien von Jan Banning und Peter Granser. Durch die Linse ihrer Kameras haben die beiden Künstler ganz unterschiedliche Kulturen neu erforscht, so dass aus jener neugierigen, kritischen Annäherung perspektivschärfende, ästhetische und Zeitbrücken schlagende Arbeiten entstanden sind, die sogleich das Interesse des Betrachters auf sich ziehen. Unsere Autorin Verena Paul hat für Sie die Ausstellung besucht.

„Bureaucratics“ Photoarbeiten von Jan Banning

Jan Banning (1954 in Almelo in den Niederlanden geboren) studierte Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und ist seit 1981 als freier Photograph und Autor tätig. Seine dokumentarischen Photoarbeiten sind in zahlreichen Publikationen veröffentlicht – u.a. in The New Yorker, Time Magazine, SZ Magazin und Geo – und international ausgestellt worden. Seine in der Robert Morat Galerie präsentierte Serie „Bureaucratics“ wurde 2004 mit dem World Press Award ausgezeichnet.

„Bureaucratics“ ist eine photographische Studie über die Kulturen und Rituale öffentlicher Verwaltung und zugleich eine spannende Reise durch die Amtsstuben von Stadträten, Archivaren, Verwaltungspräfekten und Dorfbürgermeistern in Indien, China oder den USA. Seit 2003 bereiste Banning insgesamt acht Länder und näherte sich in strengem Bildaufbau den jeweiligen Staatsdienern und ihrem Arbeitsbereich an. Dabei wird stets die Positionierung der Personen hinter ihren mal auf Hochglanz polierten, mal von den Spuren der Zeit gezeichneten Schreibtischen gewahrt. Insofern begegnet uns der in chinesischer Militäruniform gekleidete, streng blickende Mann in seinem modern ausgestatteten Büro mit Laptop, Computer und Kopiergerät, was durch mehrere rote Fahnen mit den entsprechenden politischen Insignien ergänzt wird. Im Kontrast dazu steht eine indische Frau, deren Arbeitsplatz aus der Zeit gefallen zu sein scheint: Hier finden wir weder Computer noch sonstige technische Hilfsmittel, nur Akten, die sich vereinzelt und lose auf dem beschädigten Schreibtisch und in hohen Türmen auf alten Holzschränken im Hintergrund befinden. Banning erfasst in seinen farbintensiven Aufnahmen eine den verschiedenen Kulturen gemeinsame Situation, spürt also die Ähnlichkeiten auf und kann damit die kulturellen Unterschiede wirkungsvoll herausarbeiten.

„Signs“ Photoarbeiten von Peter Granser

Der in Stuttgart lebende und arbeitende Künstler Peter Granser (geboren 1971) gilt als einer der erfolgreichsten Photographen seiner Generation. International bekannt wurde der Österreicher 2003 durch sein Buch- und Ausstellungsprojekt „Sun City“, worauf die ebenfalls mit großem Erfolg publizierten und international ausgestellten Serien „Alzheimer“ (2005) und „Coney Island“ (2006) folgten.

Gegen Ende der Bush-Ära reiste Granser 2006 und 2007 nach Texas, dem so genannten „Homeland Country“ des amerikanischen Konservatismus. Seine daraus hervorgegangene photographische Serie „Signs“ thematisiert Begriffe wie Heimat und Patriotismus, Religiosität und Pietismus, Kapitalismus und Konsum. Der Verleger und Vorstand der DGPh Dr. Christoph Schaden beschreibt jene Serie pointiert mit den Worten: „Mit distanzierter Präzision fokussiert Peter Granser in seinen Farbphotographien die zahlreichen Relikte und Zeichen, die über den widersprüchlichen wie sonderlichen Zustand US-amerikanischer Identität Aufschluss geben.“ Solche Relikte und Zeichen begegnen dem Betrachter beispielsweise in Gestalt von religiösen Zeichen wie dem Kreuz oder in Form von patriotischen wie der kleinen amerikanischen Flagge, die ein Mann mit stolz geschwellter Brust schwenkt. Dabei muten die jeweiligen Situationen nicht selten grotesk an, denn sowohl das überdimensional große Kreuz als auch die kleine Fahne lassen ihre Träger zu Instrumenten eines verzerrten Weltbildes mutieren. Neben den religiösen und patriotischen sind es besonders die politischen Zeichen, die die Höhenflüge des Bundesstaates Texas erkennen lassen. Mit der Photoarbeit „Texas-Iraq“ etwa scheint Texas die Position der gesamten USA zu vertreten und wird insofern zum Stellvertreter der amerikanischen Politik. Durch die klare Bildkomposition und die Konzentration auf Details gelingen Granser scharfsichtige, eindringliche, vor allem aber nachdenklich stimmende Momentaufnahmen eines Landes, das in einer konstanten Spannung zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen Bodenständigkeit und Abgehobenheit verharrt.

Fazit: Mit der Parallelausstellung „Bureaucratics“ und „Signs“ ist der Robert Morat Galerie ein herausragender Dialog zwischen zwei international agierenden Photographen gelungen, deren Werke die unterschiedlichen Kulturen neu erforschen. Insgesamt überzeugen die Photoarbeiten von Jan Banning und Peter Granser durch folgende Charakteristika: Sie sind leidenschaftlich politisch, perspektivschärfend, diskussionsanregend, ästhetisch in der Darstellung, Zeitbrücken schlagend, kurz gesagt, sie stellen ein grandioses Ineinander von beiläufigen, sachlichen Beobachtungen und gezielt eingefangenen, poetischen Miniaturen dar. Eine Ausstellung, der ich viele aufmerksame Besucher wünsche!

Das Buch zur Ausstellung \"Bureaucratics\" ist momentan vergriffen. Der Verlag Nazraeli Press plant einen Nachdruck.

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