Ausstellungsbesprechungen

Picasso - Mythen, Fabeln und Modelle bis 5.Juli 2009

Die Ausstellung im Kunst Haus Wien hat sich Günter Baumann angeschaut.

Zunächst muss man durch ganz konträre Welten, um in Wien zu Picasso zu finden. Das Kunsthaus Wien, von den äußeren Mauersteinchen bis in die Einrichtungsdetails auf Friedensreich Hundertwasser eingestimmt, ist nicht gerade ein Ort, wo man Arbeiten von Pablo Picasso vermutet – die phantastische Extrovertiertheit des österreichischen Malerbildhauerarchitekten und die genialische Omnipräsenz des spanischen Malers, Grafikers, Bühnenbildners, Kunsthandwerkers und Bildhauers sind so weit voneinander entfernt, wie nur irgend möglich. Zum Glück verlangen die rund 130 druckgraphischen Arbeiten Picassos naturgemäß ein heruntergedimmtes Licht, so dass man schnell die Farben-, Form- und Figurenwelt hinter sich lässt und ganz von der Welthaftigkeit des temporären Gastes im bunten Haus gefangen genommen wird. Irgendwie ist alles bekannt, in vielfachen Kontexten schon präsentiert worden – Minotauros als das schicksalhafte Alter ego des Menschen, der Stierkampf als das existenzialistische Sinnbild für unser Leben, die Kentauren-, Bacchanten- und Faunsgruppen als Ausdruck der Lebensfreude, die Eule als uraltes Symbol der Weisheit, der Maler und sein Modell als Sehnsucht nach schöpferischer Zwiesprache der Geschlechter und über allem der wehende, webende, leidende, streitende Eros – , und doch ist es immer wieder ein erneuter Genuss, das Werk Pablo Picassos einmal mehr überdenken zu können. Anregend sind in diesem Zusammenhang auch die Essays im Katalog, die sich mit dem »Changierenden Selbstbildnis im Mythos« (Andreas Hirsch) und dem »Künstler mit den tausend Masken« (Markus Müller) befassen.

Im Wiener Kunsthaus stehen die Mythen, Fabeln und Modelle des Meisters im Vordergrund, doch einmal mehr ist es freilich der Mythos Picasso, der den Betrachtern begegnet. Grund für den überwältigenden Eindruck ist die Bandbreite und Qualität der im Wesentlichen der Ausstellung zugrunde liegenden Sammlungen im Graphikmuseum Pablo Picasso in Münster, die als Leihgeber fungieren: Lithografien aus dem Besitz Gert Huizingas – seine Sammlung umfasst etwa 850 Blätter – treffen auf Radierungen aus der sogenannten Suite Vollard, die sich bevorzugt mit mythologischen, und das heißt bei Picasso in der Regel allzu menschlichen Themen befassen. Ob nun die wiedergewonnene Antike oder die Lust an der Verkleidung, Maskierung am Beginn des Schaffenstriebes von Picasso stehen, ist unerheblich: Spektakulär bleibt die Souveränität, mit der der Maler ans grafische Werk geht – experimentell-kubistisch, monumental-klassisch oder in schierer Erfindungsfreude, im Kunsthaus ist nichts ausgelassen. Darüber hinaus darf man natürlich nicht vergessen, dass die Frau als Modell und Muse posierte, während der Künstler mit ihnen poussierte; Marie-Thérèse Walter taucht hier genauso auf wie Francoise Gilot oder Jacqueline Roque. Bei Picasso ist alles gleichermaßen allgemeingültig und biographisch vernetzt, was in der Ausstellung fein dokumentiert ist. Dazu kommt, dass viele Serien einen Einblick gewähren auf verschiedene Bearbeitungen und Fassungen einzelner grafischer Blätter, die von der Leidenschaft und Faszination Picassos an und für »Land und Leute«, sprich: das Leben zeugen. Immerhin decken die Blätter fünf Jahrzehnte ab. Es ist den Ausstellungsmachern gut gelungen, nicht nur Themen griffig zu umrunden, sondern auch exemplarische Gattungen wie das Porträt (mit der Bildgruppe »Frau im Lehnstuhl«) und das bei Picasso in Kombination fassbare Interieur/Stillleben zu entdecken.
 
Ziel des Kurators war es, einen »feinen Querschnitt durch Picassos Themen und Motive« zu legen, was er auch elegant realisiert hat. Es ist kein Geheimnis, dass Picassos Produktivität alles in den Schatten stellt, was die Kunstgeschichte zu bieten hat, auch seine grenzenlose Neugier ist so legendär wie bekannt. Doch schafft er es immer wieder, dass man ergriffen vor seiner Leistung und sprühenden Phantasie innehält – dagegen wirkt Hundertwasser erstaunlich bieder.
 

 Weitere Informationen 

 Der Katalog zur Ausstellung ist nur im Museumsshop des Kunst Haus Wien erhältlich.
 
Öffnungszeiten:
Ausstellung und Shop: täglich 10–19 Uhr
 
 

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