Mit der Ausstellung »Plus Ultra – Ohnmacht, Tod, das Loch« zeigt der Walk of Fame in Hamburg vom 6. bis 19. April 2008 die Arbeiten der drei Hamburger Künstler Ingrid Scherr, Alexander Hoepfner und Peter Lynen. Die Künstler haben sich in ihren Malereien oder Installationen in die Rolle eines selbständigen Geschäftsinhabers begeben und eine fiktive Existenzgründung zum Leitthema ihres Schaffens erklärt.
Ein Novum dieser künstlerischen Unternehmenskonzepte ist dabei nicht die Ausrichtung auf Sach- bzw. Geldzwänge, sondern die Gebundenheit an die Gefühlsökonomie. Dabei begegnen dem Ausstellungsbesucher eine Praxis für Zerrissenheitsverstopfung, ein Schwellwert Reisebüro und eine Metamorphosenhandlung.
Ingrid Scherr
# Page Separator #
Auch mit der »Übermorgen« betitelten Arbeit greift Ingrid Scherr das Spiel mit einem alltäglichen Gegenstand auf: einem Wäschegestell. Was aber macht diese Installation so anziehend für den Betrachter? Da ist zum einen die Auflösung der Form sowie die grüne Farbe des Metalls und der Nylonschnüre, die in dem leuchtend grünen Sockel – auf dem das Gestell teilweise positioniert ist – eine Steigerung erfährt. Zum anderen erhält die Installation durch den sie umgebenden Raum eine Intensivierung, denn die Wand, vor der sie aufgebaut ist, wurde mit einer gold schimmernden Folie überzogen, auf der die Künstlerin schwarze Schriftzüge angebracht hat. Wir lesen – und dies in Anspielung auf den Werktitel – dass etwas »spätestens nicht früher« ist, oder »frühestens morgen« etwas in Angriff genommen werden kann, wodurch die zerfließende Zeit in die Arbeit integriert und damit direkt artikuliert wird.
Durch die Spiegelung des Grüns in der goldenen Fläche wird die gegenseitige Bezugnahme dem Betrachter deutlich vor Augen geführt. Und dann ist da noch ein kleines Utensil, das nach unserer Aufmerksamkeit heischt: eine silberne Fahrradhupe, die am grünen Metall befestigt wurde. Sie ist das Element, das die Installation von der visuellen auf die audiovisuelle Ebene überführt.
# Page Separator #
Alexander Hoepfner
Auch bei der mit dem Schriftzug »Eat the fish« versehenen Arbeit werden geometrische Ordnungsformen erkennbar. Dominant sind dabei die Diagonalen, die über die im Zentrum positionierte Figur verlaufen. Indem der blaue Hintergrund durch additiv aneinander gereihte, stakkatoartige Lineamente sehr dynamisch gestaltet ist, wird die geometrische Ordnung in ihrer Strenge gemildert. Dazu trägt auch das Gesicht bei, das zwar Formen, wie Quadrat, (Halb-)Kreis, Oval oder Spirale erkennen lässt, diese jedoch nicht akkurat ausführt, sondern in einer gelösten Art zusammenfügt.
Der über der Gestalt schwebende Schriftzug steht nicht als leere Hülse von Worten im Raum, sondern erfährt einen direkten Bezug zum Dargestellten: Auf der Brust – oder vielleicht ist es auch der Blick in den Korpus? – sind die abstrakt gestalteten Gräten eines Fisches zu erkennen. Der Zwangscharakter, der sich hinter dem Imperativ »Iss den Fisch« verbirgt, forciert damit eine (lebens-)bedrohliche Situation.
# Page Separator #
Peter Lynen
Für Peter Lynen ist die Bestimmung und das Erkennen von Gegenwart »ein ungelöstes Grundproblem, da Gegenwart nicht messbar ist und jede Beschreibung von Gegenwart immer sofort Vergangenheit beschreibt« [Nora Sdun und Goor Zankl], denn in dem Moment, wo etwas gesagt, geschrieben, gemalt – eben entwickelt ist – gehört es bereits der Vergangenheit an.
# Page Separator #
Dem Künstler geht es in seinen experimentellen Installationen primär um »psychische Wahrnehmungsphänomene, die sich in einer spekulativen Anatomie äußern.« [Sdun und Zankl] Er dringt in die Innenseite der Oberfläche ein und entdeckt dahinter eine ganz eigene, für den Betrachter ästhetisch intensiv erfahrbare Welt. So auch in der mit »Trichter Detektor« betitelten Installation aus dem Jahr 2007. Durch den zum Betrachter hin sich öffnenden Trichter, der mit parallel zueinander verlaufenden Bitumenlinien auf der Innenfläche ausgestaltet ist, entlädt sich ein in den Raum greifendes energetisches Kraftfeld. Folglich ziehen Sdun und Zankl in diesem Kontext nicht mehr nur einen Vergleich, sondern stellen Schaufenster mit »Schussanlagen für Projektionen, Begehrlichkeiten, die sich durch die Scheiben bohren« auf eine Ebene.
Dem Walk of Fame ist mit der vielfältigen Ausstellung »Plus Ultra – Ohnmacht, Tod, das Loch« wieder einmal ein spannender Beitrag zur Gegenwartkunst gelungen. Überzeugend durch Konzeption, Struktur und vor allem die gelungene Auswahl der faszinierenden Arbeiten von Ingrid Scherr, Alexander Hoepfner und Peter Lynen ist die Präsentation ein ungemein bereicherndes, sensualistisches Erlebnis! Fazit: Absolut sehenswert!
Öffnungszeiten