Ausstellungsbesprechungen

Pompeji revisited

Pompeji. Die Stunden des Untergangs. 24. August 79. n.Chr.

Noch bis zum 17.4.2005 ist im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum für Archäologie, Völkerkunde und Naturkunde die Ausstellung  „Pompeji – die Stunden des Untergangs“ zu sehen. Nach einer Laufzeit von insgesamt 20 Wochen wird dann eine Schau zu Ende gegangen sein, die dem Publikum nach vorangegangenen Ausstellungen in Bonn (1995) und Essen (1973) einmal wieder die Begegnung mit der lebendigen Schönheit spätantiker Kultur und der Faszination von Tod, Schrecken und plötzlichem Untergang möglich gemacht haben wird.

Die Ausstellung

Mannheim widmet sich einem Thema, das seit den ersten Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum Neugierige und Wissenschaftler gleichermaßen fasziniert hat. Gezeigt werden die Überreste der vor fast 2000 Jahren im heißen Ascheregen verschwundenen Vesuv-Städte. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht, vorgeführt in einer Mischung aus Objektpräsentation und Multi-Media-Rauminstallation, die Stadt im Moment ihres Untergangs. Aus Schmuckstücken, Alltagsgegenständen und ganzen, aus Bruchstücken von Fresken wunderbar rekonstruierten Innenräumen von nach wie vor faszinierender Schönheit werden städtische Situationen rekonstruiert. Gezeigt werden frühe Ausgrabungen, unter ihnen auch das berühmte „Haus des Meander“ und die „Mysterienvilla“ und neuere, bisher unbekannte Funde. Die berühmten Kolchi (Gipsausgüsse der Abdrücke, den die Toten in Gestein hinterlassen haben) dagegen, die die makellosen Schönheiten konterkarrieren, sind Momentaufnahmen des qualvollen Sterbens.

Mannheimer Forschungen

Konzipiert worden ist die Mannheimer Schau in einer Zusammenarbeit zwischen dem Archäologischen Nationalmuseum Neapel und den Reiss-Engelhorn-Museen. Den Mannheimern bot sich hier die einzigartige Chance, für eine Weile eine Sammlung übernehmen zu dürfen, die außerhalb Neapels so noch nie zu sehen war. Möglich wurde diese Eroberung einerseits durch alte Kontakte, andererseits durch einen ganz besonderen wissenschaftlichen Service. Die Mannheimer Museen mit der ihnen eigenen Kombination von Archäologie, Völkerkunde und Naturkunde bieten Möglichkeiten zur interdisziplinären Forschung in Bereichen wie Vulkanologie und Archäometrie, die diesen Standort für die Neapolitaner interessant machen konnte. Und was hinter den Kulissen zu den naturkundlichen Hintergründen der Ereignisse von 79 n.Chr. erforscht wird, bereichert auch die ursprünglich rein archäologisch informierte Ausstellung der Italiener: Dem Entstehen der zerstörerischen pyroklastischen Welle und dem Pflanzenleben der Region (Paläobotanik) ist, als Vorspann zu allem Folgenden, in Mannheim ein eigener Raum gewidmet.

Die erzählende Präsentation und ihre Probleme

Die gezeigten Schmuckstücke, Möbel, Alltagsgegenstände und Wandmalereien sind wie eh und je von großer und unverwüstlicher Schönheit, ihre Leichtigkeit und Perfektion von einer ganz gegenwärtigen gestalterischen Kraft. So frisch und unverbraucht wie diese Dinge heute daherkommen, könnten sie wieder, wie schon vor zweihundert Jahren, als Vorbild für moderne Gestalter dienen.

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Besonderen Wert legen die Ausstellungsgestalter aber auf eine Präsentation, die nicht nur Kunsthandwerk präsentiert, sondern die Geschichte und Geschichten des Untergangs anhand rekonstruierter städtischer Situationen plastisch darstellt. Kunst und Kunstgewerbe stehen nicht für sich, sondern sollen, im Zusammenhang mit den Kolchi pitoresk inszeniert, vom Leben und Sterben in den letzten Stunden vor dem Untergang erzählen.

Bei aller Freude über ein Wiedersehen mit dem inspirierenden Pompeji, gibt die Ausstellung eben deshalb auch zu denken. Denn die Art der Präsentation kann mit der Qualität der ausgestellten Objekte nicht mithalten. Die dunklen Räume des bestenfalls zweitklassigen Museumsbaus mit seinen niedrigen Decken, verschachtelten Innenräumen und den altmodisch-schmuddeligen Rasterdecken sind in einem beklagenswerten Zustand. Die Vitrinen wurden offensichtlich nicht extra für diese Ausstellung hergestellt. Ihre viel zu wuchtige Erscheinung und teilweise planlose Plazierung im Raum setzt der zarten Grazie der immerhin fast 2000 Jahre alten Stücke übel zu. Erläuterungstexte baumeln lose an Trennwänden, die einen Anstrich nötig hätten. Den Auftakt zur Ausstellung bietet die ganz überflüssige Inszenierung einer Hafensituation, eine italienischsprachige (?) Video-Dokumentation und die nur mäßig gut inszenierten Informationen zur Paläobotanik und Vulkanologie – eigentlich ja das Besondere dieser Schau.

Den ausgestellten Objekten und dem Konzept der erzählerischen Situationen angemessen wäre eine Ausstellungsarchitektur, die unabhängig voneinander wahrzunehmende Räume herstellt und die in den Objekten verborgene Geschichte wirklich zur Sprache bringt. Die Arbeit mit den Mitteln der multimedial inszenierten Situation kann ja prinzipiell zu sehr guten Ergebnissen führen. Wie in der Forschung selbst, sind hier aber Fachleute – die allerdings mit künstlerisch-visuellen Begabungen ausgestattet sein müßten - gefragt. Die sehr mittelmäßige Mannheimer Ausstellungsarchitektur und der wenig gekonnte Umgang mit Medien, Licht und Raum präsentiert einige der faszinierendsten Inkunabeln der europäischen Kulturgeschichte in einer Art Themenschau, die auf oberflächliche Effekte setzt und die Objekte zu Statisten herabwürdigt.

Außerdem: Schon Titel (plakativ: „Die Stunden des Untergangs. 24.August 79 n.Chr.“), Plakat und Cover des Katalogs (das vor Schreck erstarrte Gesicht des „Mädchens aus Oplontis“) behaupten die Möglichkeit totaler Aktualität und Nähe zum Ereignis. „Erinnert werde soll an das schreckliche Elend der Opfer“ heißt es im Vorwort des Katalogs. Das Problem dabei: Pompeji ist keine neue Entdeckung. Ähnliches haben Literatur und Film in den letzten 250 Jahren schon oft versucht. Wäre es heute nicht spannender, die Geschichte dieser Faszination und übrigens auch die Probleme einer Archäologie, die alles, was sie ausgräbt, auch der Zerstörung aussetzt, zu reflektieren, anstatt die in ihrer Authentizität einmaligen Objekte zur reißerischen Rekonstruktion scheinbarer Aktualität zu benutzen? Was Tod und Untergang bedeuten, das wird uns heute doch anderswo weitaus plastischer vor Augen geführt...

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Wenn Dinge ausgestellt werden, die von solcher Qualität und Authentizität sind wie alles das, was aus Pompeij und Herculaneum auf uns überkommen ist, so ergreifend schön wie Schmuck und Kunsthandwerk und so berührend wie die Kolchi, dann sollte die Art ihrer Präsentation der Bedeutung der ausgestellten Objekte entsprechen. Die Anbiederung an die oberflächlichen Rezeptionsgewohnheiten des beginnenden 21. Jahrhunderts ist hier ganz unnötig und möglicherweise auch nicht einmal mehr auf der Höhe der Zeit.

Dabei soll, was mit der Zusammenarbeit zwischen Neapel und Mannheim begonnen hat, keine Eintagsfliege sein: Auch in Zukunft soll die Forschungsabteilung der Mannheimer Museen, zu denen übrigens auch das „kriminaltechnische Labor der Archäologie“ mit seinen kürzlich in Halle mit großem Erfolg vorgeführten Echtheitsbestimmungen gehört, einen Standortvorteil im Kampf um die interessantesten Ausstellungen sichern.

Der Ausstellungshalle am Quadrat D5 gegenüber entsteht gerade in den alten Mauern des Zeughauses ein neuer Museumsbau. Würde sich (vielleicht mit diesem Haus?) die Kunst der Ausstellung in Mannheim auf die (von der Rezensentin vermuteten) Höhe der hier unternommenen wissenschaftlichen Arbeit bewegen, dann könnten die Reiss-Engelhorn-Museen wirklich in ein neues Jahrtausend starten.

Begleitet wird die Ausstellung von Vorträgen, Filmen und Aktionstagen. Ein Katalog ist erschienen.

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